Qualitätsjournalismus

Qualitätsjournalismus

Moment mal

Qualitätsarbeit

Von Burkhard Budde

Kritik ist erwünscht

Ein Beispiel für guten Qualitätsjournalismus

Leserbrief in der Goslarschen Zeitung 

Die russische Propagandamaschine mit der Gleichschaltung der Medien  tritt die Meinungsfreiheit, die zu den Menschenrechten gehört, mit den Füßen. 

In einer Diktatur gehören Realitätsverweigerung, Pressezensur  und Zwang zum Alltag; Täuschung, Manipulation und Geschichtsfälschung zu den autoritären Instrumenten, um die Bevölkerung gefügig zu machen; Denk- und Sprechverbote sowie Drohungen und Verhaftungen zu dem totalitären Instrumentenkasten, um die Opposition und kritisches Denken zu unterdrücken. 

Immer wichtiger wird es für die liberale Demokratie, unabhängige und freie, faire und vielfältige Info-Quellen zu verteidigen, die an Recht und Gesetz gebunden sind, damit sich freie Bürger eine eigene Meinung bilden können. 

Das schließt eigene Kritik-, Unterscheidungs- und Urteilsfähigkeit ein,  insbesondere wenn ein Meinungskerker durch Monopole mit Deutungshoheit sowie die Schere im Kopf durch Angst drohen – oder ein Eigenleben und ein Expansionsdrang gebührenfinanzierter öffentlich-rechtlicher Anbieter mit Tugendwächterfunktion herrscht und zwar zu Lasten der medialen Vielfalt und privater Anbieter. 

Die GZ, die dankenswerterweise ihre Leser in einer neuen Serie auch kritisch zu Wort kommen lässt,  ist ein Beispiel für unabhängigen Qualitätsjournalismus – für Putin wohl ein Albtraum. 

Burkhard Budde 

(Leserbrief in der GZ vom 29.3.2022, der Bezug nimmt auf den Artikel in NACHGEDACHT „Geschichten aus der Wirklichkeitsfabrik“ des Chefredakteurs Jörg Kleine vom 19.März 2022)

Licht im Grauen

Licht im Grauen

Moment mal

Licht im Grauen

Von Burkhard Budde

Gibt es im Grauen Licht?

Moment mal

Licht im Grauen

Es gibt viele Engel, die  dem Aufbau des Lebens dienen. Aber es gibt auch Teufel, die das Leben zerstören. Und es gibt Menschen, die eine Mischung aus engelhaft Gutem und teuflisch Bösem sind. Keiner sollte sich täuschen lassen: Bösartige Menschen können sich als nette Menschen ausgeben und dennoch die Würde ihrer Mitmenschen mit Füßen treten.

Soll man dann flüchten oder angreifen, kapitulieren oder sich dem Schicksal fügen?

Es gibt auch die Möglichkeit dazuzulernen, indem zunächst die Realität wahrgenommen wird: Eine Welt ohne „Teufel“ gibt es nicht. Man kann mit Engelszungen reden: Aber Menschen ändern sich weder einfach durch positive Vorbilder noch durch humane Werte – wenn sie es selbst nicht wollen. Es gibt Menschen, die bleiben stur und selbstgerecht in ihrem Echoraum sitzen, hören nur das, was sie hören wollen, suchen Bestätigung, keinen offenen Austausch und schon gar keine eigene Entwicklung.

Es befreit jedoch einen Menschen, wenn er akzeptiert, dass nicht alle Mitmenschen so denken wollen wie er selbst, dass im Meer des Lebens immer auch Inseln ohne faire Streitkultur, aber mit viel Feindschaft existieren, sogar vor der eigenen Küste. Und dass es für das Leben wichtiger ist, diesen Teil der Realität ernst zu nehmen als unvorbereitet von einem Sturm des Bösen überflutet zu werden.

Auf brutale Angreifer, aber auch auf unsichtbare Teufel mit Engelsmiene wütend zu sein, ist menschlich. Aber keiner muss selbst ungehemmt und zügellos werden. Klüger ist es, eigene Rachegedanken in eine verantwortungsvolle Aktivitätskultur zu verwandeln. Und weitsichtiger, freie Inseln effektiver zu schützen sowie Verbrecher glaubwürdiger abzuschrecken.

Manche lernen von Goethe, der den teuflischen Mephisto als „Teil von jener Kraft, die stets das Böse will, und stets das Gute schafft“ und den wahrheitsliebenden Faust als „böse“ bezeichnet hat, der jedoch seinen Hass in schöpferische Aktivitäten – „immer strebend“ – umzuwandeln versuchte.

Andere schöpfen aus der Quelle christlicher Wahrheit, um sinnlosen Hass furchtlos mit Rückgrat und Tatkraft bekämpfen zu können. Oder auch um mit dem Hassenden so lange leben zu lernen, bis die Dunkelheit des Grauens sich selbst verändert, indem sie ein neues Licht der Vernunft und Menschlichkeit gebiert.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 26.3.2022

in der Kolumne „Moment mal“

Menschlichkeit?!

Menschlichkeit?!

Moment mal

Menschlichkeit?!

Von Burkhard Budde

Echte Zivilcourage und mutige Haltung

Moment mal

Starke Verteidiger der Menschlichkeit

Gibt es neue Gewissheiten, weil gewohnte gerade zerbrechen? Sind alte Parolen wie „Frieden schaffen ohne Waffen“, „Frieden schaffen mit (immer) weniger Waffen“, „Frieden schaffen gegen bestimmte Waffen“ nur noch gutgemeinte Seifenblasen, die bei der Begegnung mit der brutalen Realität platzen?

Schon der Dichter Friedrich Schiller (1759-1805) brachte es auf den Punkt: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Und wenn der „böse Nachbar“  noch eine hasserfülltes Feindbild pflegt, hat der „Frömmste“ schlechte Karten: „Willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag‘ ich Dir den Schädel ein.“ (Bernhard von Bülow)

Im Krieg tun sich Abgründe der Menschenverachtung auf, wenn ein Staatsterrorist zum Beispiel Kindergärten und Krankenhäuser , unschuldige und wehrlose Kinder, kranke und alte Menschen gezielt tötet, um Angst und Schrecken zu verbreiten und die Bevölkerung zu demoralisieren. Und dann noch die Lüge zynisch auftischt: „Selbst schuld.“

Wer über unabhängige Infoquellen verfügt, lässt sich nicht täuschen. Ein Krieg ist ein Krieg, keine Fortsetzung einer Politik mit anderen Mitteln zur Unterwerfung freier Menschen, die in Frieden souverän und selbstbestimmt leben wollen. Und jeder Angegriffene hat ein Recht auf Selbstachtung, Selbstbehauptung und Selbstverteidigung.

Ein Privatmensch kann waffenlos leben wollen. Aber er kann seine Haltung nicht von allen anderen einfordern. Ein demokratischer Politiker jedoch, der für die Sicherheit und den Schutz aller Bürger verantwortlich ist, kann sich angesichts einer barbarischen Tyrannei nicht hinter einer pazifistischen Prinzipienreiterei verstecken. Ohne Realitätssinn und der Bereitschaft zur glaubwürdigen Gegenwehr mit geeigneten Waffen würde er erpressbar. Und das Leid aller immer größer.

Ein größenwahnsinniger Aggressor lässt sich nicht von Friedensgebeten beeindrucken, auch nicht von dem Hinweis, dass  seine Macht vergänglich ist und Gott als Weltenrichter das letzte Wort hat. Aber beim Beter selbst kann die Gewissheit wachsen, dass aktive Friedensstifter als wirksame Verteidiger der Menschlichkeit miteinander verbunden sind – nicht neutral, sondern der Würde verpflichtet, nicht naiv, sondern vor Gott und den Menschen verantwortlich, nicht tatenlos, sondern tatkräftig.

Burkhard Budde

Veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe in der Kolumne „Moment mal“ am 21.3.2022

sowie im Wolfenbütteler Schaufenster in der Region Wolfenbüttel in der Kolumne „Auf ein Wort“ am 20.3.2022

Erdbeben

Erdbeben

Moment mal

Erdbeben

Von Burkhard Budde

Der verbrecherische Angriffskrieg in der Ukraine nimmt keine Rücksicht auf unschuldige und wehrlose Menschen

Unbegreifliches Erdbeben

Zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine

Von Burkhard Budde

Ein unfassbares und unbegreifliches Erdbeben erschüttert die Sicherheitslage auf der ganze Welt: Der russische Präsident Wladimir Putin gab am 24. Februar 2022 eine Kriegserklärung ab und begann einen brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.

Putin, der Auftraggeber von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, dessen Amt aber kein Freibrief für Verbrechen ist, begründete den Krieg u.a. damit, dass es Versuche gebe, „unsere traditionellen Werte zu zerstören und uns ihre Pseudowerte aufzuzwingen, die uns, unser Volk, von innen heraus zersetzen.“ Diese westlichen Werte würden zu „Degradierung und Entartung führen, da sie gegen die menschliche Natur selbst gerichtet sind.“

In der Volksrepublik Donezk und der Volksrepublik Luhansk gebe es einen „Völkermord“ und deshalb sei der Beschluss gefasst worden, eine „besondere militärische Operation“ durchzuführen. Ihr Ziel sei es, die Menschen zu schützen, die seit acht Jahren von dem Kiewer Regime misshandelt und ermordet würden. Und zu diesem Zweck würde Russland sich um die „Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine“ bemühen. Anderen Staaten drohte er bei Einmischung mit Konsequenzen, „wie nie zuvor in der Geschichte“.

In Wahrheit ist die 1991 gegründete Ukraine mit der Hauptstadt Kiew und mit etwa 44,13 Millionen Einwohnern sowie einer Fläche von 603.548 km² ein selbstständiger Staat mit einer parlamentarisch-präsidialen Ordnung, der mit seinem Präsidenten Wolodymyr Selenskyj souverän und unabhängig bleiben und Mitglied der Nato – ein Verteidigungsbündnis sowie eine Werte- und Rechtsgemeinschaft  von 30 freien demokratischen Staaten – sowie der Europäischen Union – ein Staatenverbund von 27 unabhängigen europäischen Staaten bzw. eine Werte-, Friedens-, Wirtschafts- und Rechtsgemeinschaft mit insgesamt etwa 450 Millionen Einwohnern – werden möchte.

Im Jahr 2014 hatte Russland bereits die ukrainische Halbinsel Krim mit Gewalt – mit einer verdeckten Intervention der Streitkräfte der Russischen Föderation – zu einem Teil Russlands gemacht, die territoriale Integrität – insbesondere die Achtung der bestehenden Grenzen der Ukraine –  und das Völkerrecht missachtet. Die UN-Generalversammlung bekräftigte im Jahr 2016 die Nichtanerkennung der Annexion der Krim und verurteilte „die vorübergehende Besetzung“.

Im Jahr 2022 wurde die UN-Charta durch den Angriffskrieg gegen die ganze Ukraine erneut verletzt. Mit der kriegerischen Invasion eines ganzen Landes wurden gleichzeitig nukleare Schläge angedroht, wenn ein anderes Land der angegriffenen Ukraine zu Hilfe kommen sollte.

Noch während der Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates zur Verhinderung des Krieges am 23. Februar (New Yorker Zeit) war der Angriffsbefehl Putins erfolgt.

Auf der UNO-Generalversammlung am 2. März 2022 wurde der Krieg Russlands gegen die Ukraine verurteilt. In der verabschiedeten  Resolution forderten 141 der 193 UNO-Mitgliedstaaten Russland zu einem „sofortigen Waffenstillstand“ auf sowie zu einem „sofortigen, bedingungslosen und vollständigen Rückzug“ seiner Streitkräfte aus der Ukraine. Die internationale Gemeinschaft bekannte sich zur Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territorialen Integrität der Ukraine. Gegen die Resolution stimmten neben Russland Belarus, Syrien und Eritrea. 35 Staaten – darunter China, Indien, Iran, Kuba, Venezuela und Nicaragua – enthielten sich. 

Der Gewaltherrscher Putin ist getrieben von einem hasserfüllten Missionsrausch, alte Sowjetverhältnisse wieder herzustellen. Eiskalt betreibt er mit Täuschungsmanövern und einer Lügenpropaganda sowie einem völkerrechtswidrigen militärischen Vorgehen die Unterwerfung der „russischen“ Ukraine. Der autoritäre Herrscher scheint eine panische Angst vor der Demokratie mit ihrer Gewaltenteilung, ihrer Rechtsstaatlichkeit und ihren unabhängigen Medien zu haben. Das neue Gesetz gegen die Verbreitung von „Falschmeldungen“ vom 4. März 2022, das ausdrücklich auch auf Ausländer angewandt werden soll, zerstört die letzten Möglichkeiten einer freien und unabhängigen Berichterstattung sowie der Meinungsfreiheit russischer Bürger. Es drohen 15 Jahre Haft, wenn der offiziellen Darstellung der Aktivität der russischen Streitkräfte widersprochen wird. Nicht von Strafe bedroht, so Berthold Kohler in der F.A.Z. vom 8.3.2022, ist „nur noch das Nachbeten der Propaganda“. Die Gleichschaltung der russischen Medien mit den Zensurgesetzen des Putin-Regimes offenbart „die Angst im Kreml vor der Wahrheit.“  Aus einer autoritären Herrschaft ist eine diktatorische Herrschaft mit totalitärem Charakter geworden, aus einem verbrecherischen Angriffskrieg eine russische „Spezialoperation.“

Zynisch spielt Putin mit dem nuklearen Feuer sowie mit einer Atomkraftkatastrophe, um mit Ängsten in ganz Europa eine Entsolidarisierung mit der Ukraine zu erreichen.

In der Ukraine gibt es bereits viele Opfer zu verzeichnen, getötete, sterbende, verletzte und leidende Menschen, darunter viele Kinder, Frauen, alte und kranke Menschen, sowie immer mehr Flüchtlinge. Die Absicht der Vertreibung angesichts des großrussischen Wahns Putins erinnern, so Jasper von Altenbockum in der F.A.Z. vom 7.3.2022, an die „ethnischen Säuberungen“ im ehemaligen Jugoslawien. Humanitäre Korridore dienten wieder nicht nur der Rettung, sondern auch der „geordneten“ Vertreibung. „Bleiben oder wiederkommen sollen nur diejenigen, die „russisch“ sind“, so der F.A.Z. Redakteur.

Eine geschichtliche Katastrophe bahnt sich an. Die stalinistischen und nationalistischen Gewalttaten gleichen immer mehr Putins Kriegsverbrechen, indem Putin bewusst und gezielt Wohnhäuser, Krankenhäuser und Zivilisten angreifen lässt. Ob die Menschen in der Ukraine allein für die „gesamte freie Welt“ kämpfen (müssen); der freie Westen auf Dauer nur weinen und klagen, appellieren und bitten, politische Solidarität zeigen, wirtschaftliche Sanktionen ergreifen, Verteidigungswaffen zur Verfügung stellen kann? Ohne die Rolle des „aktiven“ Zuschauers zu verlassen? Oder wird der Völkermord die Entscheidung erzwingen, die Rolle des „aktiven“ Friedensstifters mit kühlem Kopf und strategischem Denken einzunehmen, sich zum Beispiel für eine Flugverbotszone über dem ukrainischen Himmel einzusetzen? Reinhard Müller kommentiert: „Alle Staaten sind dazu verpflichtet, überall Völkermord zu verhindern. Daraus folgt aber keine Pflicht zum militärischen Eingreifen. Es gibt ein Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung, aber keine Pflicht.“ Umso wichtiger bleibt, so der Redakteur, eine unmissverständliche Haltung zu Russlands Rechtsbrüchen. „Neutralität verbietet sich.“

Die katholischen Bischöfe schreiben in einer Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz: Deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine seien ethisch vertretbar, weil sie dazu dienten, dass das angegriffene Land „sein völkerrechtlich verbrieftes und auch von der kirchlichen Friedensethik bejahtes Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen kann, grundsätzlich legitim.“ In einem Kommentar zur Bischofskonferenz weist Daniel Deckers darauf hin, dass die Bischöfe schneller in der Wirklichkeit angekommen seien als manche ihrer evangelischen Kollegen; beide müssten sich jedoch fragen lassen, ob sie mit ihrer jahrzehntelangen Diskreditierungen von Rüstungsanstrengungen sowie der Glorifizierung einer postheroischen Gesellschaft im Namen christlich gebotener Gewaltlosigkeit nicht genau jene Gesinnungen gefördert haben, die die deutsche Politik blind gemacht haben für die Abgründe der Realpolitik.“

Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), vertritt in einem Interview mit Martin Korte in der Goslarschen Zeitung vom 7.3.2022 die Meinung, dass die Ukrainer „mehr als unser Mitgefühl und unsere Gebete“ brauchen. Sie hätten das Recht, sich zu verteidigen. „Wer bin ich, ihnen ins Gesicht zu sagen, sie sollten dazu Pflugscharen benutzen“, so die leitende Theologin, die allerdings auch betont, „dass Waffen grundsätzlich kein Mittel sind, die den Frieden bringen.“ Sie setze angesichts der „Dilemma- Situation“ „weiterhin auf Diplomatie und möglichst wenig Waffen.“

Ob sich jedoch Putin von „weniger Waffen“ beeindrucken lässt – ein rücksichtsloser Machtmensch mit brutaler Maßlosigkeit im Krieg, mit seinem größenwahnsinnigen Staatskult, mit seinem Überwachungsstaat inklusive Totalkontrolle der Medien?

Widersprechen werden vielleicht geblendete Putin-Versteher oder getäuschte Putin-Verehrer oder gedrillte Putin-Freunde, die mit geschichtsklitternder Verehrung und Verklärung ihr Gewissen beruhigen, um nicht auf ihre Vorteile, die sie durch die „Putin-Freundschaft“ haben, verzichten zu müssen.

Und welche Meinung vertritt die russisch-orthodoxe Kirche? In der F.A.Z. vom 5. März 2022 weist Heike Schmoll darauf hin, dass  Kyrill I., seit 2009 Patriarch von Moskau und damit der Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche, nicht die Russische Föderation als Angreifer des Krieges in der Ukraine benennt, sondern „böse Kräfte“ dafür verantwortlich macht. Zum „Tag des Vaterlandsverteidigers“ – einen Tag vor Kriegsbeginn – hatte Kyrill Putin gratuliert und davon gesprochen, dass die russisch-orthodoxe Kirche im Kriegsdienst eine Bekundung von „Nächstenliebe nach dem Evangelium“ erblicke. Der Mönch Kyrill, der ein Vermögen von mehreren Millionen Dollar haben soll, hält den westlichen Liberalismus für „Teufelszeug“, die Gleichstellung homosexueller Menschen als ein „Zeichen für den nahen Weltuntergang“. Mit Putin verbindet ihn, wie Heike Schmoll schreibt, ein moralisches Überlegenheitsgefühl gegenüber einem sittenwidrigen Westen, die Dämonisierung des Westens sowie die Sakralisierung der russischen Politik, um die Einheit von Autokratie, Orthodoxie und Volkstum zu stärken. Nichtsdestotrotz haben sich die drei Kirchen der Ukraine, die alle einem orthodox-byzantinischen Ritus folgen,  nach dem Überfall Russlands mit dem ukrainischen Volk solidarisiert – die griechisch-katholische Kirche, die mit dem Papst verbunden ist; die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche, die unabhängig ist; die Ukrainische Orthodoxe Kirche, die moskautreu und Kyrill unterstellt ist. Gleichwohl hat Kyrill I den russischen Angriff auf die Ukraine bislang nicht verurteilt.

Die ukrainische Hauptstadt Kiew ist die Wiege der russisch-orthodoxen Kirche sowie der russischen Kultur: Im Jahre 988 begann Fürst Wladimir mit der Christianisierung der sogenannten Kiewer Rus, des alten Reiches, als er die Tochter des byzantinischen Kaisers Romanos II heiratete, die Prinzessin Anna von Byzanz. Im 12. Jahrhundert wurde – wie der Historiker Karl Schlögel in der F.A.Z. vom 12. 3. 2022 schreibt – Kiew erstmals als „Mutter aller russischen Städte“ bezeichnet. Die Hauptstadt der alten Rus soll am 12.3. 1169 zerstört worden sein – der Beginn der Verlagerung des Zentrums des alten Rus in das spätere Großfürstentum Moskau bzw. den Moskauer Staat mit seiner Autokratie sowie der Entwicklung der östlichen Despotie und der Hinwendung der alten Rus nach Westen, so Schlögel. 

Die Bolschewiki – die „Mehrheitler“, eine Fraktion unter der Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924) innerhalb der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands – hatten die Ukrainische Sowjetrepublik 1922 gegründet. Hintergrund war eine ukrainische Nationalbewegung seit Mitte des 19. Jahrhunderts, die trotz der Unterdrückung durch das zaristische Russland wuchs und auch viele Kommunisten als Anhänger hatte. Josef Stalin, Diktator der Sowjetunion von 1927 bis 1953, ließ massenhaft ukrainische Intellektuelle ermorden und führte eine Hungersnot herbei, der fast vier Millionen Menschen das Leben kostete. Reinhard Veser weist in seinem Artikel „Der Staat, den es nicht geben darf“ (F.A.Z. vom 23.2.2022) darauf hin, dass Putin in seinem einseitigen und instrumentalisierten Geschichtsbild diese Taten Stalins verschweigt, aber dass Stalin – so Putin – versäumt habe, „den Staat auch formal zu zentralisieren und die Sowjetrepubliken aufzulösen.“ Putin kann offensichtlich nicht akzeptieren, dass die Ukraine 1991 unabhängig geworden ist, vor allem nicht die demokratischen Revolutionen in der Ukraine von 2004 und 2014 – für Putin ein „Staatsstreich“ -, weil die Bevölkerung die Selbstbereicherung der Oligarchen hinter demokratischen Fassaden nicht länger ertragen wollte. 

1994 hatten im „Budapester Memorandum“ Russland, USA und Großbritannien der Ukraine ihre Unabhängigkeit und ihre territoriale Integrität garantiert, da die Ukraine ihre Nuklearwaffen an Russland übergeben hatte.

2022 hat Putin kein Interesse mehr an solchen Garantien, die er vielmehr hemmungslos und menschenverachtend mit Füßen tritt, um seine Ziele zu erreichen wie die Anerkennung der Krim als russisches Territorium, Anerkennung der Unabhängigkeit der beiden ostukrainischen „Volksrepubliken“ im Donbass und die Verankerung der Neutralität in der Verfassung der Ukraine, aber auch die Abkehr der Ukraine vom Westen und die Kontrolle durch Moskau, so Nikolas Busse (F.A.Z. vom 8.3.2022). Und die russischen Truppen begehen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba fragt in einem Gastkommentar für WELT vom 9.3.2022: „Besteht der Preis dafür, dass jemand in Deutschland die Augen geöffnet werden, darin, dass in der Ukraine die Augen  für immer geschlossen werden?“ Und er bittet die Deutschen: „Öffnet Eure Augen! Zweifelsohne war Hitler ein einzigartiges Übel. Aber so ein Ausmaß an Hass, Zerstörung und Trauer, wie Putin uns jetzt bereitet, kennen die Ukrainer und Europa seit den 1940er Jahren nicht.“

Ich hoffe, dass bald wieder Frieden herrscht, dass alle Menschen – in der Ukraine und darüber hinaus – ein Leben ohne ohnmächtige Angst und unverschuldetes Leiden in Sicherheit und Freiheit führen können. Und dass Putin zur Rechenschaft gezogen wird; der Krieg von Russland in der Ukraine vorbei ist und eine absolute Ausnahmeerscheinung bleibt, weil die freien Länder die richtigen Schlüsse ziehen, wachsam und klug, verteidigungsbereit und verteidigungsfähig gegenüber autoritären und diktatorischen Staaten – für den möglichen Fall eines „unmöglichen“ Falles – geworden sind und bleiben. Dass der Friede wächst und zwar in Freiheit und Würde, in Gerechtigkeit und Verantwortung, vor allem in der Bindung an die Menschenrechte sowie im selbstbestimmten Glück freier und mutiger Bürger.

Burkhard Budde

 

Aus: Burkhard Budde, Inspirationen für Gegenwart und Zukunft. Kleines Kompendium christlichen Wissens; das Buch erscheint im Laufe des Jahres 2022

Sumpf trockenlegen

Sumpf trockenlegen

Moment mal

Sumpf des Bösen trockenlegen

Von Burkhard Budde

Der russische Angriffkrieg ist Ausdruck eines Sumpfes, der trockengelegt werden muss

Moment mal

Sumpf des Bösen trockenlegen

Das Böse treibt häufig sein Unwesen hinter der Fassade des Guten. Im Hintergrund werden teuflische Fäden gezogen und scheinheilige Tarnkappen getragen. Das Böse interpretiert das Gute, indem es das Gute ins Böse verwandelt und zur Fälschung macht. Es belügt Leichtgläubige mit Halbwahrheiten, Skeptiker mit Unwahrheiten. Und fühlt sich selbst als Opfer.

Das Böse, das sich selbstverliebt gerne erhöht und selbstgerecht andere erniedrigt, glaubt an den Irrglauben, „gottgleich“ zu sein und duldet keine „Halbgötter“ neben sich. Es verschließt die Augen vor seiner eigenen Verwundbarkeit und Vergänglichkeit. Es zerstört herz- und haltlos, maß- und grenzenlos alle, die seine Macht und seine Machtgier in Frage stellen. Und lebt deshalb immer isolierter in der Kälte der Einsamkeit.

Manchmal zeigt jedoch das Böse ganz unverschämt seine brutale Fratze. Dann gibt es viele Tränen – die von unschuldigen Kindern, die das Böse nicht verstehen können; die von schwangeren Frauen, die ängstlich in die Zukunft blicken; die von alten Greisen, die ohnmächtig und verzweifelt sind, aber auch – nicht selten versteckt – die von mutigen Kämpfern gegen das Böse.

Die Fratze des Bösen macht Angst, weil sie anders handelt, als das Gute denkt und vor den Augen aller anderen Tatsachen schafft, die unvorstellbar, unvorhersehbar und unbegreiflich sind. Kühl kalkulierend und zugleich zynisch leidenschaftlich werden einmalige Menschenleben ausgelöscht, die nichts anderes getan haben, als in Frieden frei und glücklich leben zu wollen.

Aber kann sich diese Fratze aus dem selbstgeschaffenen Sumpf des Bösen befreien? Muss diese Fratze nicht früher oder später das von ihm vergiftete und Tod bringende Wasser selbst trinken? Anders gefragt: Werden böse und boshafte Menschen eines Tages zur Rechenschaft gezogen?

„Erlöse uns von dem Bösen“, heißt es im Vaterunser, das von Jesus überliefert worden ist. Hat Gott das letzte Wort? Kann er als mit- und selbstleidender Gott durch das Gebet dem Beter Kraft schenken, dem Bösen zu widerstehen? Und die Hoffnung, dass der Sumpf der Boshaftigkeiten und  Gewalt eines Tages durch die Kraft des Guten, der befreienden Vernunft und der besonnenen Stärke, trockengelegt werden kann, da das ganze Leben in Gottes schöpferischer Hand liegt.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 12.3.2022 in der Kolumne „Moment mal“

Bär bändigen

Bär bändigen

Moment mal

Bären bändigen

Von Burkhard Budde

Krieg in der Ukraine

Moment mal

Den Bären bändigen

Ist der mächtige Bär von allen guten Geistern verlassen?

Er erniedrigt seine Getreuen, die er mit seiner schlagenden Tatze hörig macht. Und versetzt andere durch seine Rücksichtslosigkeit und Brutalität in Angst und Schrecken. Eiskalt greift er ein souveränes Land an,  ohne an das unbeschreibliche Leiden Unschuldiger und Wehrloser sowie an verabredetes Recht zu denken. Mit Lügen entfacht er eine kriminelle „Friedensmission“.

Der autoritäre Bär hat einen unstillbaren Hunger nach Macht, Land und Einfluss im Blick auf benachbarte Länder, aber auch eine große Angst vor dem Machtverlust im eigenen Reich. Er duldet deshalb keine anderen starken Mächte neben sich und um sich herum.

Ist die Macht des Bären so allmächtig, dass im Machtrausch weitere Wahnsinnstaten folgen könnten? Bleiben nur ohnmächtige Wut, angstverzerrte Gesichter, sprachlose Trauer, kapitulierender Kniefall vor dem Unberechenbaren oder nur die Flucht vor der Verantwortung? Oder kann der Bär durch humane Appelle und fromme Wünsche beindruckt werden?

Manche setzen auf das Zeichen der Friedenstaube, weil sie an das Gute im Menschen sowie an Visionen glauben; andere bekennen sich zu ihrem Glauben, weil ein Friedensstifter Gottes Willen in sich trägt. Diese Menschen zeigen Rückgrat und Solidarität. Aber lässt sich dadurch ein enthemmter Bär von seinem Unrecht abhalten?

Ein anderer – von „seinem Bären“ tief enttäuscht – ist jedoch zugleich von einer Täuschung befreit worden: „Ein solcher Bär wird ermutigt, seine Großmachtfantasien gewaltsam zu verwirklichen, wenn Falken oder Adler – um den Bären nicht zu provozieren – auf ihre Abwehrmöglichkeiten wirksamer Abschreckung, Verteidigung sowie Sanktionen verzichten. Ein vorauseilende Verzicht auf Stärke und Widerstand ist ein Bärendienst für die Freiheit in Würde und Selbstbestimmung.“ Wenn viele aufgeklärte Kreaturen jedoch, die friedlich und frei miteinander leben wollen, ihre Abwehrmöglichkeiten geschlossen und entschlossen zeigen und verhältnismäßig einsetzen, kann auch ein Bär in seine Schranken gewiesen werden.

Die Hoffnung auf „Schalom“,  „Salam“ und „Friede sei mit dir“ – auf eine bessere, sichere und heilere Zukunft mit Gottes Hilfe –  ist wichtig, weil sie die wehrhafte Vernunft vernünftig macht und menschlich bewegt sowie dem menschenverachtenden Geist eines Bären mutig und besonnen zu widerstehen hilft.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 5.3.2022

in der Kolumne Moment mal