Moment mal

Gefühle als Begleitmusik

Von Burkhard Budde

Moment mal

Gefühle als Begleitmusik

Hand aufs Herz: Können die Gefühle eines Menschen mit Bildern beschrieben werden?!

Am Feuer schönster und innigster Gefühle wärmen sich Liebende und teilen ihre Faszination füreinander.

Auf der Achterbahn flüchtiger und wandelbarer Gefühle mit dem Auf und Ab –  abwechselnd mit Begeisterung und Trübsinn oder Besonnenheit und Aggression – können Menschen die Kontrolle über die konkrete Situation verlieren.

Auf dem Karussell austauschbarer und verwechselbarer Gefühle, das sich immer schneller – oder auch immer langsamer –  im Kreise  dreht, braucht sich keiner über schwindelerregende Existenzängste oder gähnende Langeweile zu wundern.

Im Labyrinth mehrdeutiger und gespielter Gefühle kann sich auch ein kluger Kopf verlaufen, verirren und verwirren lassen; ist nicht nur ein langer Atem, sondern sind auch Kritik- und Urteilsfähigkeit notwendig.

Im Käfig subjektiver und persönlicher Gefühle mit Vorurteilen und Feindbildern kann sich jeder bequem einrichten; aber die facettenreiche Wirklichkeit wird er nicht kennenlernen können, wenn er selbstgerecht in seiner Welt hocken bleibt.

Es gibt den Schleier lähmender Gefühle, der sich auf alles legt; die Leuchttürme  wie beglückende Gefühle zum Beispiel bei einem Konzert oder beim Sport; die Cocktails guter und schlechter Gefühle, der Vergebungsbereitschaft und der Unversöhnlichkeit, wenn die gute Absicht zur bösen Tat wird oder die böse Tat als gute Absicht getarnt ist.

Mit offener Neugier und Vertrauen auf die biblische Botschaft können zudem religiöse Gefühle als Türöffner verspürt werden.

Es kann ein „Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit“ (Friedrich Schleiermacher) sein – ein individuelles Empfinden, das den Raum des „Heiligen“ (Rudolf Otto), des geheimnisvollen „ganz Anderen“ aufschließt, um den „Weg in die Tiefe“ (Paul Tillich) zu wagen und sich der „Wahrheit“ zu nähern.

Gefühle können den Kopf frei machen, um im Einklang des Fühlens, des Denkens und Handelns zu leben und im Deutungskampf Tatsachen als Tatsachen zu akzeptieren.

Bei allen Gefühlen hat der Kopf stets ein Vetorecht. Die Vernunft braucht jedoch keine erstarrte Eiseskälte des Verstandes, wohl aber inspirierende Begleitmusik liebender Gefühle, um die letzte Verantwortung vor Gott und den Menschen – das persönliche Verantwortungsgefühl – mit Kopf, Herz und Hand wahrnehmen zu können.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 10. September 2022

in der Kolumne „Moment mal“