Nikolaus

Nikolaus

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Nikolaus aktuell

Von Burkhard Budde

Zum Nikolaustag

Verkehrte Welt?

Am Nikolaustag, am 6. Dezember, kann die Welt aus den Fugen geraten. Der „Nikolaus“ (griechisch „Sieger des Volkes“) provoziert „verkehrte Welt“. Er fragt, ohne gefragt zu sein, ob Menschen „brav und fromm“, barmherzig und gerecht, verantwortungsbewusst und vernünftig (gewesen) sind. Oder ob sie (weiter) zugeknöpft bleiben wollen, selbstgenügsam, selbstgerecht, selbstsüchtig und selbsterhöht.

Der alte Nikolaus mit seinem faltigen Gesicht und seiner tiefen Stimme, seinem Vollbart und seinem roten Mantel, seinem Sack, dem Notizbuch und der Rute ließ Kinder erschaudern und zittern. Und Erwachsene ängstlich schmunzeln.

Der neue Nikolaus ist anders. Er ist ein Sympathie- und Symbolträger allgemeiner Menschlichkeit und konkreter Nächstenliebe im Vertrauen auf Gottes überraschendes Wirken in allen Ungewissheiten. Er verkörpert Weisheit und Vernunft, persönliche Verantwortung im Rahmen des Möglichen und Nötigen. Er will anderen Menschen Freude bereiten und lädt sie zu einem menschlichen Blick- und Kurswechsel ein.

Wahrscheinlich ist der historische Nikolaus um das Jahr 270 in der Hafenstadt Myra in Kleinasien geboren. Er wurde Priester und Abt eines Klosters, pilgerte ins Heilige Land und wurde nach seiner Rückkehr Bischof. Während der Christenverfolgung des Kaisers Galerius um 310 wurde er gefoltert, blieb aber seinem Glauben treu.

Für Nikolaus wurden zwei politisch-kirchliche Weichenstellungen wichtig:

Das Toleranzedikt von Mailand durch den neuen Kaiser Konstantin im Jahre 313 ermöglichte völlige Religionsfreiheit und die Gleichberechtigung des Christentums  und führte zur Abschaffung des heidnischen Staatskultes.

Das Konzil zu Nicäa im Jahre 325, zu dem der Kaiser 280 Bischöfe für neun Wochen in seinen Sommerpalast eingeladen hatte, verhinderte eine Spaltung der Kirche, indem der Kaiser das Ergebnis des Konzils zum Reichsgesetz erhob. Der Priester Arius hatte die Auffassung vertreten, dass Christus nicht ewig sei, da er von Gott nicht gezeugt, sondern nur geschaffen sei. Der orthodoxe Patriarch Athanasius war wie Nikolaus der Überzeugung, dass Christus „wesensgleich mit Gott“ sei – ein bis heute gültiges Glaubensbekenntnis.

Nach Myra zurückgekehrt, starb Nikolaus an einem 6. Dezember um das Jahr 342.

Seine Botschaft hat bleibende Bedeutung: Die „verkehrte Welt“ kann durch die Haltung des Glaubens und der Liebe, der Vernunft und Verantwortung gerade gerichtet werden. Man muss wohl dem Nikolaus nur im eigenen Herzen und in der eigenen Welt begegnen.

Burkhard Budde

Aus dem Buch: Burkhard Budde, „Inspirationen für Gegenwart und Zukunft. Kleines Kompendium christlichen Wissens“, Verlag Books on Demand, Preis 11,99 Euro. Das Buch kann in jeder Buchhandlung oder auch im Internet bestellt werden.

Nüsse

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Nüsse knacken

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Nüsse knacken

Manche Nüsse lassen sich leicht, andere nur schwer knacken. Manchmal gebraucht man Geschicklichkeit und Geduld. Manchmal benötigt man auch einen Nussknacker, um an die leckeren Kerne zu gelangen. Ohne Muße, vor allem ohne Anstrengung jedoch hat man in der Regel keinen Erfolg.

Zur Wirklichkeit zählen unterschiedliche Nüsse: 

Harte Nüsse. Beim Erlernen einer fremden Sprache beispielsweise müssen Vokabeln gepaukt, beim Leistungssport muss hart trainiert, in der Musikszene immer wieder geprobt und im Berufsleben ständig dazugelernt werden, um Erfolgs- und Glücksmomente zu erleben sowie persönlich, aber auch sozial, fachlich und wirtschaftlich voranzukommen und nicht zurückzufallen. Denn wer aufhört, Nüsse zu knacken, wird vom Leben geknackt und verliert auf Dauer seine schützenden Schalen. Ohne Fleiß, Kraftanstrengung und Disziplin, ohne einen langen Atem und realistische Ziele gibt es keine wohlschmeckenden und wohltuenden Kerne. Natürlich gehören zum erfolgreichen Nussknacken auch Talent und Glück dazu sowie die Förderung durch Förderer. Und überhaupt muss der Nussknacker aufpassen, dass vor lauter Übereifer oder falschem Ehrgeiz nicht die schönsten Kerne zerquetscht werden, wenn Nussknacken zum bloßen Selbstzweck, zum Größenwahn oder zur Selbstüberschätzung geworden ist. Aber im Schlaraffenland, in dem nur wenige arbeiten und viele nur Erwartungen und Ansprüche kennen, kann Integration zum gegenseitigen Nutzen auf Dauer nicht gelingen. 

Taube Nüsse stellen böse Überraschungen dar. Der Nussknacker entdeckt, dass hinter schönen und leuchtenden Fassaden gähnende Leere oder diffuse Ängste vor Gesichtsverlust, Zurückweisung und Zurechtweisung herrschen, dass große Worte nur Lippenbekenntnisse und Sprechblasen sind, dass mächtige und unnahbare Riesen sich als unfähige und unwissende Zwerge entpuppen, dass die versteckte Bosheit im Gewand des Guten mit einem Leuchtkranz erscheint. Aber auch wenn „Taubheitserfahrungen“ schmerzen: Befreit eine taube Nuss, die enttäuscht, nicht zugleich von einer Täuschung und eröffnet dadurch einen neuen sinnstiftenden Raum zum persönlichen Wachsen und Reifen?

Das setzt allerdings voraus, dass ein Nussknacker selbst keine dumme Nuss ist, sein will oder bleiben will. In der Tretmühle des Alltags, im Karussell und in der Sisyphusarbeit des Lebens, beim Erklimmen der Karriereleiter vergessen viele, dass es noch ein Leben jenseits von Ignoranz und Arroganz gibt: Stille Räume des Denkens, Nachdenken, Umdenkens und Neudenkens. Und dass es geistliche Nüsse gibt, die man nicht knacken muss, sondern sich schenken lassen kann. Die für den ganzen Menschen gesund sind, ihn stärken und erneuern.

Wovon die Rede ist? Von der Erfahrung vieler gläubiger Menschen, die entdecken, dass sie vor Gott mit leeren Händen stehen, nachdem sie ihre Gleichgültigkeit und ihren Hochmut Gott gegenüber losgelassen haben. Und dafür allerdings mit der frohmachenden Gewissheit letzter Geborgenheit und letzten Sinns, mit neuer Zuversicht und neuer Kraft belohnt wurden. Um anschließend die vielen weltlichen Nüsse zu knacken, indem sie ihre Verantwortung vor Gott und dem Nächsten wahrnehmen, auch wenn es manchmal viel Kraft und Einsatz sowie Mut kostet.

Burkhard Budde

 

Kirchen

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Kirchen am Ende?

Von Burkhard Budde

Kommentiert

Kirchen am Ende?! 

Gibt es ein Schrecken ohne Ende für die Kirchen in Deutschland? Führt der dramatischen Ansehens-, Vertrauens,- Kompetenz- und Theologieverlust der christlichen Kirchen direkt in den Abgrund der Bedeutungs- und Wirkungslosigkeit? 

Wird ein geistiges Nischendasein sowie ein gesellschaftliches Mauerblümchendasein die Zukunft prägen? Sind die Kirchen an einem neuen historischen Tiefpunkt angelangt? Oder kann aus einem Tiefpunkt ein Wendepunkt werden, weil viele neue Pflänzchen des begründeten Gott-, Christus- und Kirchenvertrauens gepflanzt werden? 

Die neue Kirchenmitglied-schaftsuntersuchung ist wie ein Spiegel, der wichtige Entwicklungen für die Kirchen in einer „postkonfessionellen Gesellschaft“ sichtbar macht. Zum Beispiel wird das Erfahrungswissen vieler bestätigt, dass es eine Wechselwirkung zwischen Kirchlichkeit und individueller Religiosität gibt. Kein Wunder, denn Glaube und Liebe, Werte und Normen brauchen Institutionen und Gemeinschaften bzw. „Gefäße“, damit geistig-geistliches „Wasser“ nicht verdunstet, wegtröpfelt oder versickert, sondern verlebendigt, aktualisiert, konkretisiert und vermittelt sowie an die nächste Generation weitergeben werden kann. 

Entscheidend sind jedoch die Konsequenzen, die aus einer solchen Untersuchung gezogen werden: 

Die Kirche vor Ort, die Nähe zu den Menschen, ist zu stärken.

Haus-, Kranken- und Geburtstagsbesuche, Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Beerdigungen, aber auch (Familien-) Gottesdienste sowie Kinder-, Jugend- und Bildungsarbeit bilden z.B. institutionelle Chancen in kirchlich- spirituellen sowie menschennahen Räumen. Es geschieht ein Dienst am Menschen, wenn Menschen im (Sinn-)Horizont des christlichen Glaubens Gemeinschaft erfahren, empathisch begleitet, getröstet und befähigt werden, ihr Christ- und Kirchsein eigenverantwortlich zu leben. 

Die Kirche als sozialer Dienstleister, die Nächstenliebe als Ausdruck der Gottesliebe, ist zu stärken.

Seelsorge und Verkündigung sowie religiöse Bildungsarbeit sollten in den Einrichtungen der Diakonie und der Caritas keine Zusatzangebote sein, sondern Teil eines umfassenden „Paketes“. Der Arzt ist dann nicht nur am kranken Organ des Patienten interessiert, sondern nimmt den Patienten als ganzen Menschen mit seinen Ängsten und Hoffnungen wahr. Die Krankenschwester weiß, dass Körperpflege immer zugleich auch eine Seelenpflege ist; der Verwaltungsmitarbeiter dass der Mensch wichtiger als das Formular ist. Und die Geschäftsführung versucht, Ökonomie und Ethik, Fachlichkeit und Kirchlichkeit, Menschlichkeit und Soziales trotz schwieriger Rahmenbedingungen miteinander zu verbinden. 

Die Kirche als Kirche Jesu Christi, eine geistig-geistliche Kraft- und Sinnquelle, ist zu stärken.

Notwendiger  Strukturwandel läuft ohne geistig-geistliche Erneuerung ins Leere. Kirchen können ihren unverwechselbaren und unvertretbaren Auftrag der Verkündigung in Wort und Tat nur dann zukunftsfähig machen, wenn sie aus der Tiefe der biblischen Botschaft schöpfen und dann in die Breite der Kirche und der Gesellschaft jenseits von Politisierung, Selbstverweltlichung und Frustration wirken. Die Kirchen sollten Erwartungen wahr- und ernstnehmen, aber nicht alle Erwartungen erfüllen wollen, jedoch ihre eigenen Überzeugungen und Glaubensgewissheiten mutig, in Klugheit und Weisheit theologisch sprachfähig machen und öffentlich vertreten. 

Aus Tiefpunkten können Wendepunkte werden, wenn Überzeugte zu überzeugen versuchen. Ehren- und Hauptamtliche der Kirchen müssen nicht selbstgerecht auf der Stelle treten, sich strategielos im Kreise drehen, nicht ängstlich weglaufen oder auf Holzwegen bleiben, sondern können mit Gott- und Christusvertrauen, mit Bekennermut und theologischer Überzeugungskraft fröhlich und besonnen ihre Straße gehen sowie glaubwürdigen Dienst leisten, indem sie ihre neue Verantwortung vor Gott und dem Nächsten im neuen gesellschaftlichen Kontext wahrnehmen. 

Burkhard Budde

 

Sterne

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Faszination Sterne

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Faszination Sterne 

Sie können führen, manchmal auch verführen. Am nachtschwarzen Himmel leuchten Sterne, die Orientierung schenken wollen und die Seele zärtlich berühren können. Das Himmelszelt mit Millionen funkelnder Sterne zieht magisch an, lädt zum Staunen ein, macht demütig und bescheiden angesichts der grenzenlosen Weite, der unendlichen Tiefe, der unerreichbaren Ferne und der unbeschreiblichen Schöpferkraft und Dynamik des Universums.

Doch auch hier auf Erden blinkt und flimmert es. Nur dass der Griff nach den Sternen beim Flunkern und Täuschen ins Leere gehen kann, nur Eitelkeit, Ohnmacht und Vergeblichkeit offenbaren. Wie Möchtegernsterne zeigen, die mit hohlem Pathos ihrer Scheinwahrheiten prahlen und sich gerne ins Licht ihrer fanatischen Anhänger baden, schneller verglühen als sie aufgegangen sind.

Doch ist dies nicht zugleich das Schicksal aller menschlichen Sterne: Aufzugehen und zu strahlen, Leuchtkraft zu gewinnen und auf Dauer wieder zu verlieren, von anderen Sternen überstrahlt, an den Rand gedrängt und in den Schatten gestellt zu werden, zu verdunkeln und in der ewigen Finsternis zu verschwinden, aus der die Sterne einmal das Licht der Welt erblickten?

Dennoch oder gerade deshalb bleibt die Sehnsucht groß: Wo finde ich meinen Stern, der mir in meiner einsamen Nacht wenigstens zeitweise Nähe und Wärme, Halt und Orientierung bietet, der über sich selbst hinausweist und mit dem ich wertschätzende sowie sinnstiftende Gemeinschaft habe?

Was die zwei Menschen entdecken, dass in sternklarer Nacht Sterne ihrem Liebesglück auf die Sprünge helfen, ohne dass sie dabei kopflos werden. Sie staunen über die grenzenlose Offenheit und die ständige Bewegung nach allen Seiten und Richtungen. Sie verspüren immer deutlicher einen geheimnisvollen Glanz in ihrem Inneren. Sie öffnen ihre Herzen füreinander und finden so ihr unbeschreibliches Glück. Beide haben kein emotionales Blitzlichtgewitter erlebt, auch kein kurzes Feuerwerk der Gefühle, sondern ein verbindendes Geschehen, ein ganz persönliches Echo des Himmels in ihren durch Liebe entzündeten Herzen.

Himmel und Erde berühren sich zudem im Glauben an den Schöpfer aller Sterne. Der Leitstern der Weisheit Gottes erinnert daran, dass das Wissen aller Sterne und das Wissen über alle Sterne endlich und vorläufig ist, dass kein Mensch ewig lebt, vor allem dass das Wissen des Menschen die Frage nach dem letzten Sinn der dynamischen und noch nicht vollendeten Schöpfung nicht ersetzt.

Die Empfehlung der biblischen Botschaft lautet deshalb: Verlass dich lieber auf den „Stern von Bethlehem“, der auf Jesu Geburt hinweist. Und auf ein Lebensmodell, in dem die Geschöpfe vor ihrem Schöpfer auf die Knie gehen, um von ihm selbst wieder aufgerichtet zu werden. Damit sie ihre Würde, ihre Demut und ihren Mut, ihren Realismus und ihre Gelassenheit, ihr Rückgrat und ihre Besonnenheit, ihre Zuversicht und ihre Freude behalten sowie ihre persönliche Verantwortung als Teil der Schöpfung wahrnehmen. Und sich als von Gott Befreite von den Fesseln falscher und verführerischer Sterne zu einem neuen Leben befreien.

Burkhard Budde

Veröffentlicht auch in der Kolumne „Auf ein  Wort“ des Wolfenbütteler Schaufensters am 3.12.2023

 

Goslarer Rede

Goslarer Rede

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Freie Demokratien

Von Burkhard Budde

Richter Peter Müller (l.) beim Empfang nach seiner Festrede.

Demokratie braucht Demokraten

Richter Müller hielt Goslarer Rede 2023 

Demokratie braucht Demokraten. Und den Rechtsstaat, um als Staats- und Lebensform auf Dauer existieren zu können. Freiheit und Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde, seien keine Selbstverständlichkeit. Weltweit, so Peter Müller, Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, lebten weniger als ein Viertel der Menschen in einer freien Demokratie, die es nur im Doppelpakt mit dem Rechtsstaat gebe. 

Demokratien seien zudem auf dem Rückzug, sagte Müller in der diesjährigen „Goslarer Rede“ zum Thema „Wandelt sich die Zeit gegen die Demokratie“ vor 185 Teilnehmern auf einer Veranstaltung der Konrad- Adenauer-Stiftung am 22. November im Goslarer „Achtermann“. Als Beispiele des Abbaus demokratischer Freiheiten durch populistische und autokratische Bewegungen nannte der ehemalige Ministerpräsident des Saarlandes (von 1999 bis 2011) u. a. die Türkei und Ungarn, aber auch die AfD in Deutschland. 

Peter Müller empfahl, die Herausforderungen beim Namen zu nennen. Das Diktat des „Political Correctness“ dürfe die Probleme nicht unter den Teppich kehren, die sonst giftiger würden. Prioritäten müssten definiert und dann müssten Konsequenzen gezogen werden. 

Ferner erinnerte der Festredner an das christliche Menschenbild sowie an Prinzipien als „Grundlage der deutschen Erfolgsgeschichte“. „Gerechtigkeit“ z.B. dürfe nicht mit „Gleichheit“ verwechselt werden. Sie sei zudem mehr als Generationengerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit. Zur Gerechtigkeit gehöre auch die Leistungsgerechtigkeit. 

Der Staat habe nicht nur eine Verpflichtung für die „Schwachen“, sondern auch eine für die Entwicklungsmöglichkeiten der „Starken“, damit gegenwärtige Probleme nicht auf künftige Generationen übertragen würden und das Land durch die Abschaffung der Leistung keinen weiteren schleichenden Abstieg erfahre. Ein anstrengungsloser Wohlstand, so Müller, sei eine Illusion. Und das bewährte Prinzip der „Subsidiarität“ bedeute „Privat vor Staat“ und damit Stärkung der Eigenverantwortung in allen gesellschaftlichen Bereichen. 

Ein starker Rechtsstaat, in dem alle Bürger die Gesetze einhalten müssten, weil das Motto „Not kennt kein Gebot“ sowie „Der Zweck heilige die Mittel“ falsch seien, habe ein Gewaltmonopol, um sich um die innere und äußere Sicherheit seiner Bürger zu kümmern. 

Scharf kritisierte Peter Müller, der an dem aktuellen Karlsruher Urteil zum Nachtragshaushalt der Bunderegierung mitgewirkt hatte, den „strammen Marsch“ in den Schuldenstaat, der zu Lasten der Kinder und Enkelkinder versuche, gegenwärtige Probleme zu meistern: Die Zinslast des Bundeshaushaltes sei auf 40 Milliarden Euro im letzten Jahr gestiegen; die 29 Sondervermögen von heute würden Rückzahlungen bzw. eine Zinslast von 80 Milliarden Euro ab 2030 bedeuten. Sondervermögen seien kein „Vermögen“, sondern Schulden, die Spielräume politischer Gestaltung in der Zukunft einschränkten. Es sei seitens der Regierung verfassungswidrig gewesen, den Haushaltsplan 2021 im Jahr 2022 rückwirkend zu ändern, um die Schuldenbremse des Grundgesetzes zu umgehen. Der Klima- und Transformationsfons werde als eine „Art Eier legende Wollmilchsau“ angesehen. 

Besserwisserei und Ideologien seien jedoch keine Alternativen, sondern schlechter als vernünftige und kluge Lösungen, meinte Staatsbürger Peter Müller, der allen Zuhörern Mut machte, den Druck auf die Demokratie angesichts der vielen Krisen auszuhalten, nicht zu verzagen, sondern mit Begeisterung und Entschlossenheit sowie selbstbewusst anzugehen. 

Ein Schlusswort der „Goslarer Rede“, die jedes Jahr an den CDU Gründungsparteitag im Oktober 1950 in Goslar erinnert, das viele Demokraten bewegte; u.a. Christoph Bors, Landesbeauftragter der Konrad- Adenauer- Stiftung in Niedersachsen und Gastgeber, Ralph Bogisch, Ratsherr der Stadt Goslar und Kreisvorsitzender der CDU, Christoph Plett, Mitglied des niedersächsischen Landtages und Landesvorsitzender der CDU Landesverband Braunschweig, Carsten Müller, Mitglied des Bundestages und Kreisvorsitzender der CDU Braunschweig, Prof. Dr. Reza Asghari, Professor für High-Tech Innovation & Entrepreneurship an der TU Braunschweig und Ostfalia Hochschule, Senatorin a.D. Kathrin Weiher aus Bad Harzburg sowie Florian Schmidt, FDP- Kreisvorsitzender aus Goslar. 

Burkhard Budde

Alter

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Jung bleiben?

von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Wann bin ich alt? 

Bin ich jetzt alt? fragt ein 70jähriger. Was kann man ihm antworten? Ist das Alter eine nackte Zahl, ein Termin in seinem Lebenskalender? Oder sein persönliches Gefühl, im Körper eines 50jährigen zu leben, was nichts oder nur wenig mit der Zahl 70 zu tun hat? Aber wieviel Jahre muss er dann auf dem Buckel haben, damit das Etikett „alt“ auf seine Stirn passt? Und spielt es bei der Altersfrage keine Rolle, ob ein Mensch geizig oder verschwenderisch mit seinen Lebensjahren umgegangen ist, die Zeit sinnlos totgeschlagen oder sinnvoll erlebt hat?

Manche Menschen erfahren ihr Alter oder ihr Altern als eine Art Abstellkammer: Sie begeben sich vom pulsierenden Leben freiwillig ins Abseits oder werden von anderen ins Abseits gestellt, weil ihre Leistungen angeblich nicht mehr ausreichen oder ihre Erfahrungen angeblich nicht mehr gebraucht werden. Sie mischen nicht mehr mit oder nur noch, wenn sie gerufen werden, worauf sie allerdings nicht warten sollten.

Für andere ist das Alter nach dem Berufsleben wie eine Art Jungbrunnen: Sie tauchen ein in neue Tiefen und Weiten des Lebens, entdecken faszinierende Dinge des Genusses und des Konsums, von denen sie vorher nicht einmal geträumt hatten. Oder sie können jetzt das tun, was sie ein Leben lang nicht oder nur selten machen konnten. Kein Terminplan und kein Pflichtenkatalog kann sie mehr zwingen, auf ein bewusstes und lustvolles Leben zu verzichten.

Natürlich altert jeder Mensch anders, weil alle Menschen verschieden sind. Der eine kann stur und eiskalt werden; ein anderer gütig und feinfühlig. Der eine wird unruhig, weil er getrieben wird, nichts zu verpassen und nicht anerkannt zu werden; der andere ruht immer mehr in sich, arbeitet an sich, wird gelassen und besonnen, hilfsbereit. Und immer können (Alters-) Krankheiten überraschende Spielverderber sein.

Wirklich alt wird ein Mensch wohl erst, wenn er die Zugbrücke der Burg seines Lebens hochzieht, um soziale Kontakte zu meiden; wenn er seine Überzeugungen einfach über die Reling seines Lebensbootes wirft, sie nicht mehr argumentativ vertritt, aktualisiert, erneuert oder ggfls. korrigiert; wenn sich seine Verantwortung im Leben und für das Leben wie Zucker im Tee auflöst, obwohl seine Gesundheit mitspielt und er vor allem gestaltungsfähig ist und enkeltaugliche Ideen hat.

Allerdings kann ein Mensch auch sein eigenes Denkmal – sein Lebenswerk – zerstören, wenn er ihn überfordernde Aufgaben nicht loslässt, um das Wunder der Verjüngung durch Reife zu empfangen.

Und dann drängt sich noch eine Realität auf: Am Eingangsportal des Universitätsgebäudes der Lutherstadt Wittenberg befindet sich ein junger Mann mit einer Sanduhr und einem Totenschädel. Die Inschrift verdeutlicht eine bleibende Botschaft: „Hodie mihi, cras tibi“ („Heute mir, morgen dir“). Der Tod interessiert sich nicht für das konkrete Alter, auch nicht für Geburtsurkunde, Geldbeutel, Titel, Reputation, Fachwissen und Kompetenz oder den sozialen Status. Doch im Lebenswissen um Vergänglichkeit, Endlichkeit, Brüchigkeit und Eitelkeit kann jenseits von Altenkult und Jugendwahn ein fruchtbares Miteinander auf Augenhöhe und zum gegenseitigen Nutzen gelingen. Dann wird die Frage nach Jahren – „zu jung“ oder „zu alt“? – von der Frage nach der nachhaltigen Qualität  – „Sinnerfüllung und Gewinn?“ – abgelöst.

 

Burkhard Budde