Im Porzellanladen
Auf ein Wort
Im Porzellanladen
Von Burkhard Budde
Auf ein Wort
Mäuse im Porzellanladen
Viele Mäuse im Porzellanladen waren in ihrem Alltag gefangen. Fleißig suchten sie Nahrung, naschten hier und dort, putzten sich ihre Supernasen, sangen und tanzten, sorgten für bequeme Nester und träumten vom großen Glück. Manche von ihnen waren auch ehrgeizig, kletterten hoch hinaus; wieder andere wühlten am liebsten in der Dämmerung und im Morgengrauen im Untergrund. Die meisten aber liebten es, sich zu verstecken, wenn Ärger drohte.
Nur wenige Mäuse dachten an das Porzellan in ihrem Laden, an ihre Freiheit und an ihren Wohlstand, an die Spielregeln, die sie gemeinsam verabredet hatten und für alle galten. Und vergaßen nicht selten die Bedeutung ihrer vielfältigen Gemeinschaft, die einzelnen Mäusen in Not half, um sie wieder fit zu machen.
Eines Tages tauchte ein Elefant auf, ein dickhäutiger grauer Riese. Plötzlich geriet alles ins Wanken und Rutschen, wenn er seinen Kopf schüttelte, seine Ohren ausbreitete und gegen den Körper schlug oder seinen Rüssel hin und her schwang, mit Porzellan warf oder Porzellan einfach niedertrampelte. Unüberhörbar trompete er seine Weisheiten, die keinen Widerspruch duldeten und Angst verbreiteten.
Zunächst dachte die Mäusefamilie, dass der „ungebildete Tolpatsch“, wenn er sich ausgetobt hätte, Ruhe gäbe. Aber es erschienen immer mehr Dickhäuter mit Machtansprüchen auf den Porzellanladen.
Was tun? fragten sich die Mäuse. Sich ins Mauseloch verkriechen? Sich über das aggressive Verhalten der Elefanten empören und dabei auf Dauer selbst abstumpfen? Den Elefanten mit erhobenen Nasen Moral lehren? Lieber mit den Elefanten schmusen, ihnen Erdnussbutter anbieten? Oder Widerstand leisten – mit den härtesten Zähnen der Welt, die Rücksichtslosen rücksichtslos wegbeißen?
Und überhaupt: Woher kamen die ungebetenen Gäste, die bereits viel Zerbrechliches und Wertvolles wahllos und brutal zerstört, viele unschuldige und wehrlose Mäuse mit ihren Füßen zerstampft hatten?
Langsam dämmerte es der Mäusefamilie, dass es auch Elefanten in Mäusegestalt gab, die schon immer mitten unter ihnen lebten: Die fanatisch und intolerant waren, gehässig und selbstsüchtig, die auf Etikettenschwindel und einfache Parolen gerne hereinfielen, die auf den Porzellanladen verächtlich herabblickten und am liebsten aus ihm eine Wüste geistiger Verwüstung, einen Einheitsladen mit Mäusen nur nach ihrem Geschmack und mit einem starken Rüssel machen würden.
Aber bei der Mehrheit der Mäusefamilie wuchs die Einsicht: Schuldzuweisungen, Wunschdenken, Realitätsflucht, Lösungen auf Knopfdruck oder Alleingänge sind schlechte Ratgeber. Verbündete in Krisen können jedoch mit mehr zuversichtlichem Selbstvertrauen und Eigenverantwortung, mit couragiertem Zusammenhalt und einer gemeinsamen Abschreckung gewonnen werden – zum Beispiel mit Geräuschen, die als Worte und Taten Klartext sprechen. Und mit Speck – wie aufgeklärter Bildung, guter Gesundheitsversorgung, mehr Nestern und größeren Lebenschancen; in einem Laden, der wirksamen Schutz und Sicherheit vor rücksichtslosen Elefanten bietet sowie ein glückliches Leben in Würde und Freiheit möglich macht.
Burkhard Budde