Erstes Gebot

Erstes Gebot

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Lebensperspektiven

Von Burkhard Budde

Zehn Lebensperspektiven

(Erstes Gebot)

Zehn Lebensperspektiven begründen das Zusammenleben, stärken den Zusammenhalt und erneuern das Zusammenbleiben: Die Zehn Gebote gehören zur einheits- und sinnstiftenden Schatzkammer von Juden und Christen. Sie sind jedoch auch eine Einladung an Andersdenkende, in den Raum des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe einzutreten, um neue Entdeckungen sammeln zu können –  vielleicht auch ein glückseliges Leben in der letzten Geborgenheit bei Gott und in der Verantwortung vor Gott und dem Nächsten.

Die erste Perspektive in jüdischer Lesart lautet:

Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat.

Gott als Herrn und Befreier aus Ägypten anerkennen?

Eine mögliche Antwort ist:

Weil Gott will, dass Menschen ihm als zuverlässigen Wegbereiter vertrauen.

Dein Leben wird beseelt, gewinnt Sinn und Liebe, wenn Gott dich von den Fesseln entwürdigender Abhängigkeiten befreit. Gott will dich durch Täler und über Höhen begleiten. Er bietet dir seine unsichtbare, aber erfahrbare Gemeinschaft an. Er schenkt dir Orientierung und Schutz, Mut und Zuversicht sowie Kraft und Möglichkeiten zum Weitergehen in den weiten Raum neuen Lebens. 

Aber wie kann ich diesen Gott wann und wo in meinem Leben erfahren?

Im stillen Gebet im stillen Kämmerlein? Im Gottesdienst in einer Kirche im Hören auf Gottes Wort oder in der singenden Gemeinschaft? In der kritischen Auseinandersetzung in der Schule über Gottes- und Menschenbilder? Im meditativen Nachdenken in der freien Natur über den Schöpfer und die Schöpfung sowie über seine Geschöpfe und seinen Willen? Im Erleben christlicher Werte wie Nächstenliebe und Zivilcourage am Arbeitsplatz oder an anderen Orten? Oder auch beim Lesen eines Denkanstoßes oder einer Andacht in einer Zeitung?

Menschen, so biblische Berichte, die in ihrer geistigen und seelischen Obdachlosigkeit oder in ihren sozialen und körperlichen Ketten die Begegnung mit dem lebendigen Gott der biblischen Geschichte aufrichtig suchen, werden von Gott selbst mit seiner begleitenden Gegenwart beschenkt.

Damalige und heutige Menschen, die offen sind für solche Erfahrungen, können die Gewissheit der befreienden und versöhnenden göttlichen Nähe nicht machen oder erklären, nicht herbeizaubern oder beweisen, da das Geschöpf nicht Schöpfer ist und Gott frei und souverän bleibt. Wohl aber kann das menschliche Abbild des göttlichen Urbildes die Geburt des Ruhens in Gott erleben, einen Lichtstrahl des ewigen Friedens in der Dunkelheit des menschlichen Unfriedens. Dieses Geheimnis eines Gottsuchenden und Gottvertrauenden bleibt ein persönliches Erlebnis, weil Gott viele Möglichkeiten kennt, Menschen zu begegnen.

Gläubige jedoch, die sich zu Gott als ihren Herrn und Befreier in Wort und Tat bekennen, müssen keine Schwärmer oder Moralisten werden, keine Supermenschen oder Sondermenschen. Denn in ihrer freiwilligen Bindung an den Willen des lebendigen Gottes verfügen sie über keine Fesseln, mit denen sie andere bevormunden oder erziehen, das selbstständige und unabhängige Denken und Handeln verhindern wollen. Die von Gott Befreiten können vielmehr der Freiheit anderer in Würde, Liebe und Verantwortung vor Gott und dem Nächsten weiten Raum geben.

Fortsetzung folgt.

Burkhard Budde

Veröffentlicht in der Kolumne „Auf ein Wort“ des Wolfenbütteler Schaufensters am 17.9. 2023

Zehn Gebote

Zehn Gebote

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Religion Privatsache?

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Ist Religion Privatsache? 

Jeder Mensch, der sein Leben würdevoll und selbstbestimmt gestalten will, braucht Schutz, Halt und Orientierung, auch Chancen und Perspektiven.

Es gibt jedoch Räume und Bedingungen, die auf dem Weg zu einem gelingenden Leben gefährlich werden können; zum Beispiel:

Marktplätze, auf denen sich Menschen nicht mehr sicher bewegen können und wo sie den Überblick und Durchblick verlieren.

Dschungel, in dem das Recht des Stärkeren, rücksichtslose Ellenbogen und versteckte Fußtritte, ein heuchlerisches Maskenspiel, lautstarke Minderheiten und eiskalte Interessengruppen das Sagen haben.

Blasen, in denen selbstständiges Denken und unbequeme Wahrheiten unerwünscht und nur Gleichgesinnte und Jasager willkommen sind. Und außerhalb der Echokammern Andersdenkende mit der Moralkeule auf Linie gebracht werden sollen.

Angesichts der vielen Irrungen und Wirrungen, der Polarisierungen und Fragmentierungen kann dem einzelnen Menschen, der sich häufig in unterschiedlichen Räumen mit verschiedenen Rollen bewegt, wohl nur ein eigenes Rückgrat weiterhelfen, um dem Zeitgeist auf Augenhöhe begegnen zu können und nicht von ihm beherrscht zu werden.

Aber wie gewinnt ein Mensch diese Grundhaltung im Haus seines Lebens mit den vielen Räumen?

Ein kluger Mann empfiehlt „politische Bildung“ und die Orientierung an der demokratischen Verfassung, die ein inhaltliches Grundgerüst des sozialen Zusammenlebens darstelle und in alle Bereiche der liberalen Gesellschaft hineinstrahle. Aber reicht ein allgemein politisches Gerüst beim Hausbau aus, ist es enkeltauglich?

Ein anderer kluger Mann schlug zusätzlich eine „religiöse Bildung“ vor, um die geistige Hausordnung, aber auch das Fundament, das Miteinander und Füreinander, positiv zu beeinflussen. Sofort gab es Widerspruch: Religion sei Privatsache. Und im Namen von Religionen wäre schon viel Porzellan zerschlagen worden. Basta!

In der Tat zeigt die Geschichte der Religionen schlimme Missbräuche und viel Zerstörerisches. Und auch in der Gegenwart gibt es schlimme Missbräuche und Instrumentalisierungen, eklatante Unwissenheit und gefährliche Gleichgültigkeit, Vorurteile und Verletzungen. Und es geht – wie so häufig im Leben – auch um Macht und Interessen, Anerkennung und Geld.

Aber soll ein Mensch deshalb die Augen vor Religionen mit lebensdienlichen Absichten verschließen, weil ihm Sand in die Augen gestreut werden kann, Steine in den Weg gelegt werden oder weil brutal und fanatisch mit Steinen geworfen wird?

Wenn eine Religion aus dem öffentlichen Raum – zum Beispiel der ordentliche Religionsunterricht in Schulen – verdrängt würde, dann kann – so die Erfahrung in anderen Ländern – ein Leerraum entstehen, in dem einseitige und fanatische Interpretationen von Religionen eindringen, die ihr Unwesen in Hinterzimmern treiben, nicht selten zu Lasten der missverstandenen oder missbrauchten Religion selbst, vor allem zum Schaden von Menschen und der Gesellschaft.

Wichtig sind deshalb ein mündiger und aufgeklärter Umgang sowie eine kritische und verantwortungsbewusste Auseinandersetzung mit Religionen in der Öffentlichkeit, eine religiöse Bildungsoffensive.

Dazu zählen die Zehn Gebote als aktuelle Lebensperspektiven, die ich in den folgenden Kolumnen thematisieren werde, weil sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt aus der Tiefe des spirituellen Denkens in die Breite des verantwortungsbewussten Handelns stärken können.

Burkhard Budde

Veröffentlicht in der Kolumne „Auf ein Wort“ des Wolfenbütteler Schaufensters am 10.9.2023

 

Rückbesinnung erforderlich

Rückbesinnung erforderlich

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Rückbesinnung erforderlich

Von Burkhard Budde

Rückbesinnung erforderlich

F.A.Z. Leserbrief über staatliche Bürokratie 

Nur wer von seiner Aufgabe überzeugt ist, kann andere Menschen überzeugen. Und nur wer –worauf Reinhard Müller überzeugend hinweist – das eigene Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt nicht als „Fremdkörper“ betrachtet, sondern als zu schützende und zu verteidigende Werte und Aufgaben, kann die Akzeptanz vieler Bürger (zurück-) gewinnen. 

Der liberale Staat mit seinen demokratischen Institutionen braucht das stabile Vertrauen seiner Bürger, das er sich durch sachliche Lösungskompetenz und transparente Überzeugungsarbeit sowie durch eine leidenschaftliche Politik der weitsichtigen Vernunft täglich erarbeiten muss. 

Staatliche Bürokratie sollte als Bündnispartner verantwortlicher Politik kein Selbstzweck sein, kein goldenes Instrument der Bevormundung souveräner Bürger und freier Unternehmen, auch kein Erfüllungsgehilfin von Gruppen-, Lobby- und Partikularinteressen, sondern ein weltanschaulich neutraler sowie kompetenter Dienst für den Bürger und für das Gemeinwesen als Ausdruck des Gemeinwohls. Zur „öffentlichen Sache“ gehört die ständige Aufgabenkritik, aber auch die Stärkung von Freiräumen im berechenbaren Rahmen einer fairen Wettbewerbs- und gerechten Sozialordnung. 

Die Rückbesinnung auf das gute alte, vor allem bewährte Subsidiaritätsprinzips, das freie Eigenverantwortung, schöpferischen Pioniergeist sowie aktivierende Hilfen zur Selbsthilfe und gezielte Solidarität ermöglicht, würde ein staatliches Subventionsfeuerwerk nach dem Gießkannenprinzip und ein Leben auf Pump zu Lasten der nächsten Generationen verhindern oder wenigstens reduzieren. 

Das Ansehen des Staates und seiner Institutionen hängt nicht vom Geldsegen ab, sondern vor allem vom  begründeten Vertrauen in die Gestaltungsfähigkeit und Führungskompetenz der politischen Macht auf Zeit – bis zur nächsten (Neu-)Wahl. 

Statt Erosion mit extremen Fliehkräften würde der Wille des Bürgers ernst- und wahrgenommen. Sichtbar und erlebbar würden Zusammengehörigkeit und Zusammenhalt sowie gelebte Werte wie Nachhaltigkeit und Verhältnismäßigkeit sowie Generationengerechtigkeit im Auftrag und als Ausdruck eines souveränen Volkes, das dem Staat, der Politik und der Demokratie sehendes Vertrauen schenkt. 

Burkhard Budde 

Leserbrief zum Kommentar „Erosion der öffentlichen Sache“ von Reinhard Müller

(F.A.Z. 16.8.2023); erschienen am 26.8.2023

 

Geburtstag

Geburtstag

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Mit Botschaft gratulieren

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Mit Botschaft gratulieren

Berechtigtes Anliegen? Das Telefon klingelte. Ein Mann fragte vorwurfsvoll: „Wie können sie nur ihren Geburtstag feiern?“ Hoppla! Sprach da eine Spaßbremse, die Spaßvögeln das Feiern madig machen will? Oder hatte der Anrufer berechtige Sorgen – zum Beispiel wegen der Gesundheit des Jubilars, geringer finanzieller Mittel oder sozialer Konflikte?

Doch beim Anrufer spielten andere Motive eine Rolle: Bei einer Geburtstagsparty ginge es ums Essen und Trinken sowie um das Ich. Ein Christ sollte jedoch die Heilige Schrift zum Maßstab seines Handelns machen. Und die kenne keine Geburtstagsfeiern von Christen. Der Angerufene konterte: „Was nicht in der Bibel steht, kann ich als Christ dennoch verantworten – zum Beispiel die Existenz des Telefons,  mit dem sie mich anrufen und meine Zeit stehlen.“ Das war zu viel für den Anrufer. Er legte einfach auf.

Was beide nicht wussten war, dass das Thema „Geburtstagsfeier“ eine Geschichte hat.

Die Griechen feierten diesen Tag nicht jährlich, sondern einmal im Monat mit Freunden, die am selben Tag des Monats das Licht der Welt erblickt hatten. Es war wohl ein Trinkgelage – allerdings nicht zu Ehren der „Geburtstagskinder“, sondern vor allem zu Ehren des Daimon, der als schützender Lebensbegleiter zugleich eine moralische Instanz darstellte und zwischen den Göttern und Menschen vermittelte.

Auch die Römer kannten ausufernde Feiern mit Freunden, häufig auch öffentlich. Dabei hatte das konkrete Geburtsdatum wenig Bedeutung, da man die Jahre nicht zählte. Vor allem wurde nicht die Geburt eines Menschen, sondern die Geburt des Schutzgottes Genius gefeiert, dem zum Beispiel Weihrauchharz geopfert wurde. Götter waren den Kindern der antiken Zeit wichtig – vor allem Anlass auch zu regelmäßigen Geburtstagsfeiern.

Die ersten Christen hatten da ihre Schwierigkeiten. War die Sünde nicht mit der Geburt eines Menschen in die Welt gekommen? Feierten nicht Sünder wie der Pharao ihren Geburtstag? Und hatte Hiob nicht während einer Geburtstagsfeier seine Söhne verloren? Wieso soll ein Geburtstag wichtiger als ein Todestag sein, wenn die unsterbliche Seele, die aus der Ewigkeit kommend in die Ewigkeit zurückkehrt, keine Zeit kennt?

Es dauerte viele Jahre, bis Geburtstagsfeiern üblich wurden. Vor der Aufklärung, die um 1700 begann, waren Geburtstagsfeiern in Adelskreisen häufig eine Inszenierung der eigenen Macht und des Ichs; nach der Aufklärung wurden sie auch in anderen Gesellschaftskreisen sowie bei Christen beliebter, die seit dem späten 4. Jahrhundert die Geburtstagsfeier Jesu – das Weihnachtsfest – kannten. Denn die Seele vieler, die in der Reformationszeit käuflich, aber dadurch auch zum Rechtssubjekt geworden war – „wenn du zahlst, werden dir deine Sünden erlassen“ – , hatte in der Aufklärungszeit ein selbstbewusstes und mutiges Ich entwickelt, sich selbst zu feiern.

Heute liegt es in der Hand des aufgeklärten Ichs, ob es dankbar an das Geschenk seiner Geburt, an Menschen oder an seinen Schöpfer denkt, ob er fröhlich feiert, im kleinen oder großen Rahmen – vielleicht nicht mit Genius oder Dämon, wohl aber mit einem sichtbar unsichtbaren Engel, der mit Wertschätzung sowie der Botschaft der Liebe gratuliert.

Burkhard Budde

Veröffentlicht am 3.9.2023 in der Kolumne „Auf ein Wort“ im Wolfenbütteler Schaufenster in der Region Wolfenbüttel

Schätze wachgeküsst

Schätze wachgeküsst

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Schätze wachgeküsst

Von Burkhard Budde

Steinerne Schätze durch Artikel wachgeküsst 

Zur GZ-Serie „Mauern und Türme erzählen Geschichte(n)“ von Jörg Kleine 

Die Harzregion war etwa 300 Jahre lang ein machtpolitischer Schauplatz des Heiligen Römischen Reiches. Am Beginn stand der Ottone Heinrich I, der ab 912 Herzog von Sachsen und von 919 bis 936 König des Ostfrankenreiches war; am Ende der Welfe Otto IV von Braunschweig, der 1218 als Kaiser auf der Harzburg starb. 

Es ist dem GZ-Chefredakteur und seiner Serie zu verdanken, dass am Beispiel der Mauern und Türme der Kaiserstadt Goslar steinerne Zeugnisse einer vergangenen Zeit erneut wahrgenommen werden und ihre ehemalige und gegenwärtige Bedeutung verstehbar wird, dass sie vor allem durch die Erinnerungen an Personen und Geschehnisse anfangen zu faszinieren und zu sprechen. 

Die ganze Harzregion ist voller Schätze, die entdeckt und gehoben werden können, manchmal auch aus ihrem Dornröschenschlaf durch solche Artikel „wachgeküsst“ werden müssen. Und die Vermittlung und Aktualisierung historischen Wissens stärkt zudem das Wir-Gefühl und den Zusammenhalt der Menschen in Region. 

Die Harzgeschichte hat eine bleibende Botschaft: Macht, Reichtum und Ruhm sind vergänglich und Stückwerk, manchmal auch eitel und vergeblich. Und als (Willkür-) Herrschaft ohne Aufklärung und Menschenrechte für die heutige Zeit und aus heutiger Sicht nicht vorbildlich. 

Aber stets stehen die Lebenden – gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst – auf den Schultern der längst Verstorbenen, damit sie selbst weitsichtiger sehen lernen und (Unterscheidungs-) Kraft zur neuen Verantwortung für die Vor-, Mit- und Nachwelt entwickeln können. 

Burkhard Budde 

Leserbrief in der Goslarschen Zeitung vom 23. 8.2023

Übertreibung

Übertreibung

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Wer übertreibt, treibt

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Wer übertreibt, treibt 

Man kann alles übertreiben. Bei manchen Dingen schwingt das Pendel von einem Extrem ins andere. Das gilt zum Beispiel für Schwärmer, die zunächst alles durch die rosarote Brille sehen und Sternchen in ihren Augen haben, sich aber eines Tages Scheuklappen aufsetzen, weil sie enttäuscht oder verführt worden sind, alles nur noch negativ betrachten und zu Dauernörglern werden.

Oder für Erbsenzähler, die aus einer kleinen Ungenauigkeit einen großen Wirbel machen und zu Pauschalurteilen neigen.

Übertreiber baden im Wechselbad ihrer Gefühle und werden von ihnen getrieben. Das Pendel wird mal laut, mal leise, mal verdeckt, mal sichtbar, mal schnell(er), mal langsam(er) hin- und hergeschwungen. Die Stimmung kann zwischen Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt schwanken, zwischen höchstem Glücksempfinden und tiefster Trauererfahrung.

Die Einseitigkeit und Parteilichkeit, die Borniertheit und das Schwarz-Weiß-Denken können auch seltsame politische Kapriolen erzeugen, vor allem auf der negativen Seite: Detail- und Kontrollvernarrt wird das Haar in der Suppe gesucht. Dabei wird vergessen, dass durch übertriebenes Kopfschütteln und selbstgerechte Besserwisserei eigene Haare in die Suppe gefallen sind und sie ungenießbar gemacht haben.

Wer es mit Verboten und Regulierungen übertreibt, von oben herab erwachsene Menschen erziehen und eine gesellschaftliche Entwicklung zugunsten von Gruppeninteressen erzwingen will, behindert Kreativität und Eigenverantwortung, verhindert Pioniergeist und Engagement, vertreibt kluge Köpfe und den Fortschritt, der eigentlich allen zu Gute kommen sollte.

Oder wer seinen Mitmenschen ständig Etiketten auf die Stirn klebt, nur weil sie eine andere Meinung als sie selbst vertreten, sie auszugrenzen versucht und zum Schweigen bringen will, um das eigene Süppchen ungestört kochen zu können, zerstört in der Demokratie den freien und offenen Meinungsbildungsprozess im Blick auf tragfähige und nachhaltige Lösungen für alle.

Das schwingende Pendel lässt sich nicht einfach anhalten; auch helfen keine unrealistischen Ziele, wenn ihre Folgen, die Möglichkeiten und Bedingungen nicht mitbedacht werden. Wohl aber können Kompromisse als Lebenselixier der Demokratie gesucht werden. Maßstäbe wie die Wahrung der Verhältnismäßigkeit, Menschen- und Sachgerechtigkeit, Klima- und Umweltverträglichkeit, Wirtschaftliches und Soziales sowie Verantwortung für zukünftige Generationen sind zugleich positive Antriebsfedern, um einen fairen Ausgleich unterschiedlicher Interessen und Überzeugungen zu erzielen.

Eine unsichtbare Feder der liebenden Vernunft kennt bei allen wechselnden Schwingungen und komplexen Verflechtungen ein hörendes Herz, das die Lebensfülle weitsichtig und zugleich konkret gestaltet, indem es mit den richtigen Mitteln die richtige Mitte im Möglichen entdecken hilft.

Wer diese Mitte sucht, wird eine gemeinsame Zukunft selbst in Zeiten wachsender Polarisierungen und Fragmentierungen finden – in Würde und Freiheit, in Sicherheit und Gerechtigkeit.

Und der Mensch mit seiner persönlichen Lernfähigkeit und Verantwortung, aus der er Zuversicht schöpfen kann, bleibt bei allen extremen Pendelschlägen stets Dreh- und Angelpunkt dieser dynamischen Mitte.

Burkhard Budde

Veröffentlicht am 27.8.2023 in der Kolumne „Auf ein Wort“ im Wolfenbütteler Schaufenster in der Region Wolfenbüttel