Moment mal

Mit Botschaft gratulieren

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Mit Botschaft gratulieren

Berechtigtes Anliegen? Das Telefon klingelte. Ein Mann fragte vorwurfsvoll: „Wie können sie nur ihren Geburtstag feiern?“ Hoppla! Sprach da eine Spaßbremse, die Spaßvögeln das Feiern madig machen will? Oder hatte der Anrufer berechtige Sorgen – zum Beispiel wegen der Gesundheit des Jubilars, geringer finanzieller Mittel oder sozialer Konflikte?

Doch beim Anrufer spielten andere Motive eine Rolle: Bei einer Geburtstagsparty ginge es ums Essen und Trinken sowie um das Ich. Ein Christ sollte jedoch die Heilige Schrift zum Maßstab seines Handelns machen. Und die kenne keine Geburtstagsfeiern von Christen. Der Angerufene konterte: „Was nicht in der Bibel steht, kann ich als Christ dennoch verantworten – zum Beispiel die Existenz des Telefons,  mit dem sie mich anrufen und meine Zeit stehlen.“ Das war zu viel für den Anrufer. Er legte einfach auf.

Was beide nicht wussten war, dass das Thema „Geburtstagsfeier“ eine Geschichte hat.

Die Griechen feierten diesen Tag nicht jährlich, sondern einmal im Monat mit Freunden, die am selben Tag des Monats das Licht der Welt erblickt hatten. Es war wohl ein Trinkgelage – allerdings nicht zu Ehren der „Geburtstagskinder“, sondern vor allem zu Ehren des Daimon, der als schützender Lebensbegleiter zugleich eine moralische Instanz darstellte und zwischen den Göttern und Menschen vermittelte.

Auch die Römer kannten ausufernde Feiern mit Freunden, häufig auch öffentlich. Dabei hatte das konkrete Geburtsdatum wenig Bedeutung, da man die Jahre nicht zählte. Vor allem wurde nicht die Geburt eines Menschen, sondern die Geburt des Schutzgottes Genius gefeiert, dem zum Beispiel Weihrauchharz geopfert wurde. Götter waren den Kindern der antiken Zeit wichtig – vor allem Anlass auch zu regelmäßigen Geburtstagsfeiern.

Die ersten Christen hatten da ihre Schwierigkeiten. War die Sünde nicht mit der Geburt eines Menschen in die Welt gekommen? Feierten nicht Sünder wie der Pharao ihren Geburtstag? Und hatte Hiob nicht während einer Geburtstagsfeier seine Söhne verloren? Wieso soll ein Geburtstag wichtiger als ein Todestag sein, wenn die unsterbliche Seele, die aus der Ewigkeit kommend in die Ewigkeit zurückkehrt, keine Zeit kennt?

Es dauerte viele Jahre, bis Geburtstagsfeiern üblich wurden. Vor der Aufklärung, die um 1700 begann, waren Geburtstagsfeiern in Adelskreisen häufig eine Inszenierung der eigenen Macht und des Ichs; nach der Aufklärung wurden sie auch in anderen Gesellschaftskreisen sowie bei Christen beliebter, die seit dem späten 4. Jahrhundert die Geburtstagsfeier Jesu – das Weihnachtsfest – kannten. Denn die Seele vieler, die in der Reformationszeit käuflich, aber dadurch auch zum Rechtssubjekt geworden war – „wenn du zahlst, werden dir deine Sünden erlassen“ – , hatte in der Aufklärungszeit ein selbstbewusstes und mutiges Ich entwickelt, sich selbst zu feiern.

Heute liegt es in der Hand des aufgeklärten Ichs, ob es dankbar an das Geschenk seiner Geburt, an Menschen oder an seinen Schöpfer denkt, ob er fröhlich feiert, im kleinen oder großen Rahmen – vielleicht nicht mit Genius oder Dämon, wohl aber mit einem sichtbar unsichtbaren Engel, der mit Wertschätzung sowie der Botschaft der Liebe gratuliert.

Burkhard Budde

Veröffentlicht am 3.9.2023 in der Kolumne „Auf ein Wort“ im Wolfenbütteler Schaufenster in der Region Wolfenbüttel