Israel

Israel

Braucht Israel eine Verfassung?

Einzigartiges und vielfältiges Land

Mit großem Interesse habe ich den Artikel von Christian Meier in der F.A.Z. vom 27.2.2023 über die „klaffende Lücke“ im Blick auf die fehlende Verfassung Israels gelesen, da ich gerade von einer Studienreise nach Israel zurückgekehrt bin und mich mit unterschiedlichen Sichtweisen auseinandersetzen konnte.

Israel ist ein einzigartig vielfältiges Land mit religiösen Quellen und Traditionen, historischen Spuren und Prägungen, politischen Positionen, Spannungen und Widersprüchen, die eine regionale und globale Bedeutung haben. In den Vorträgen und Gesprächen, die die Haltung der israelischen Regierung, der Siedler, der Palästinenser und der deutschen Kirche in Jerusalem verdeutlichten, sind mir die vielen politischen Sprengsätze und tiefen Gräben deutlich geworden, die den „sicheren Zufluchtsort für Juden aus aller Welt“, der vor 75 Jahren geschaffen wurde, unsicher machen, bedrohen und gefährden.

Mit vielen Fragen sowie einer gewissen Aporie bin ich von der Studienreise zurückgekehrt, da es keine schnellen und nachhaltigen Lösungen der komplexen und – insbesondere vom Iran geschürten – Konflikte gibt. Auch die Visionen „Zweistaatenlösung“ mit zwei souveränen und unabhängigen Staaten Israel und Palästina und „Einstaatenlösung“ mit gleichen Rechten für alle scheinen im Augenblick politische Wunschvorstellungen zu sein.

Für mich ist jedoch die Überzeugung gereift, dass Israel als ein dynamisches Einwanderungsland eine Verfassung braucht. Damit eine offene und vielfältige Mosaikgesellschaft nicht zu einer polarisierenden und verfeindeten Gruppen- und Chaosgesellschaft wird, ist ein gemeinsamer rechtlicher Verfassungsrahmen existentiell, der den demokratischen und jüdischen Charakter des Landes mit Gewaltenteilung und Gleichberechtigung bewahrt und Minderheitenrechte sowie die Würde aller schützt. Die pragmatische Kraft des Faktischen wie Familie, Sprache und Heimat reicht als ein gemeinsames Einheitsband nicht aus. Auch Institutionen wie das Militär, die Knesset, das Oberste Gericht sowie Bedrohungsängste und Sicherheitsbedürfnisse ermöglichen keine nachhaltige Zukunft eines Landes. Israelische „Basisgesetze“ bzw. „Grundgesetze“ sind vielleicht ein Grundstock für eine anzustrebende Verfassung, aber kein Ersatz für ein gemeinsames Fundament, das politischen, ideologischen und religiösen Treibsand verhindert und eine konstruktive Wirkmacht in der Realität entwickeln kann.

Pulsierende Vielfalt braucht in jedem Land eine konstitutionelle Einheit, damit Vielfalt im Geist der gewaltfreien Konfliktbewältigung, der friedlichen Koexistenz sowie der Freiheit in Sicherheit, Solidarität und Verantwortung möglich wird.

Nichtsdestotrotz gibt es keine wirklich „klugen“ Ratschläge von außen, wohl aber die Notwendigkeit, israelische, palästinensische und arabische Freunde auf dem steinigen und langen Weg vertrauensbildender Maßnahmen ohne Heuchelei und Besserwisserei mit dem Ziel einer gemeinsamen Verfassung verantwortungsbewusst zu stärken.

Das 75. Bestehen des Staates Israel könnte ein neuer Versuch einer „richtigen Verfassung“ wert sein, damit die „klaffende Lücke“ geschlossen wird. Und in Israel die Menschen – Juden, Muslime, Christen, Säkulare, Atheisten und Agnostiker – einen neuen Grund zum Feiern haben, auf dem sie sich alle miteinander friedlich und sicher, frei und menschlich „bewegen“ können.

Burkhard Budde

Leserbrief zum Artikel „Eine klaffende Lücke seit 1948“ von Christian Meier (F.A.Z. vom 27.2.2023); noch nicht veröffentlicht

Faden nach oben

Faden nach oben

Moment mal

Faden nach oben

Von Burkhard Budde

Moment mal

Faden nach oben 

Kann ein Vogel im Käfig am Himmel fliegen? Ein Fisch im Aquarium das Meer erkunden? Ein Löwe im Zoo die Steppe erleben?

Vielleicht will ein Vogel seinen Käfig gar nicht verlassen, weil er ihm Sicherheit gibt. Ein Fisch nicht sein Aquarium, weil er zufrieden ist. Ein Löwe nicht seinen Zoo, weil er sich eine andere Welt nicht vorstellen kann oder will.

Aber wenn im goldenen Käfig, im überschaubaren Aquarium, im freundlichen Zoo die Neugierde nach Freiheit geweckt wird, die Sehnsucht nach Höhe, Tiefe und Weite wächst?!

Weil Geschöpfe entdeckt haben, dass ihr Leben mehr ist als Prägungen und Gewohnheiten, Kulturen und Traditionen? Mehr als Höhen des Glücks, Tiefen des Unglücks und Weiten des Glücks im Unglück? Weil sie in allen Fortschritten und Rückschritten, in allen Hoffnungen und Ängsten sich auf die Suche nach dem Sinn machen, nach dem roten Faden im Leben?

Wozu lebe ich? Warum lebe ich hier und heute? Woher komme ich? Wohin führt mein Leben? Und wenn es ein Leben außerhalb meines Lebens geben sollte? Kann ich es durch die Gitterstäbe und Scheiben meiner Existenz erahnen und entdecken –  oder erst im Rückblick den Durchblick gewinnen?

Es gibt die Erfahrung von Neuanfängen, die mehr sind als die Fortsetzung des Alten: Wer sein altes Leben loslässt, bricht zu neuen Ufern auf. Wer sein Leben mit seinem Nächsten teilen lernt, bei dem kann es wie Schuppen von den Augen fallen: Im Du wird das erneuerte Ich erlebbar. Und wer sich auf die biblischen Spuren „Siehe, ich mache alles neu!“ (Offb.21,5) begibt, kann selbst in der Ohnmacht eine neue Macht erfahren: Die Hoffnung auf Gottes Wirken, bis sich neuer Sinn einstellt.

Es lohnt sich, mehr souveräne Freiheit durch Gottvertrauen und weniger Angst vor Raubtieren zu haben, die wirklich in Käfige gehören. Im Lebenskampf um Freiheit in Sicherheit sowie Frieden in Gerechtigkeit kann ein Faden nach oben aufleuchten, der das ganze Netz seidener Fäden in Zeit und Ewigkeit hält. Und letzten Sinn schenkt.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 4.3.2023 in der Kolumne „Moment mal“

 

Blick hinter den Kopf

Blick hinter den Kopf

Moment mal

Hinter dem Kopf

Von Burkhard Budde

Moment mal

Blick hinter den Kopf 

Ein Mensch schaut immer nur vor den Kopf einer Person. Seine Denke steht niemandem auf der Stirn geschrieben. Aber was und wer steckt hinter einem Kopf?

Ein „Angelos“? Ein Engel ohne Flügel und ohne Heiligenschein muss kein Herzensbrecher sein, der den siebten Himmel vorgaukelt, aber die Vorhölle durch falsche Abhängigkeiten schafft. Bei einem Grenzgänger zwischen Himmel und Erde wird jedoch erwartet, dass er einen Menschen nicht vor den Kopf stößt. Dass der Bote einer liebenden Botschaft vielmehr ein mitfühlender Wegbegleiter, kraftvoller Wegbereiter, vielleicht sogar ein Augenöffner für die ganze Realität ist, ein Türöffner für neue Räume sowie ein Retter in der Not.

Oder steckt hinter dem Kopf ein „Diabolos“? Der Widersacher des „Angelos“ muss kein Verführer sein, dem man seine Lügen auf der Nasenspitze ansieht oder der anderen erfahrbar den Kopf verdreht. Der machthungrige Verwirrer, fiese Faktenverdreher und eiskalte Durcheinanderbringer erscheint nämlich häufig im Gewand des Gutgemeinten sowie mit gespaltener Zunge. Und streut als „besserer Mensch“ gerne mit treuherzigem Augenaufschlag anderen Sand in die Augen, damit sie allein nach seinen Maßstäben tanzen.

Steckt in dem Kopf des „Homo sapiens“, der seinen Kopf hoch hängen, aber auch senken und schütteln kann, sowohl ein „Angelos“ als auch ein „Diabolos“? Führt der moderne Mensch wie du und ich ein abenteuerliches Leben mit gleichzeitig schönen und hässlichen Bildern im Kopf? Mal lebt er aus Selbstsucht auf dem Schlachtfeld der Rücksichtslosen. Mal versinkt er immer tiefer in der Sumpflandschaft der Nimmersatten. Mal hört er im Kuschelzoo der Dünnhäutigen die Flöhe husten und das Gras wachsen.

In allen Lebenslagen mit ihren Brüchen und Neuanfängen, Abgründen und Hochzeiten scheint letztlich der Zufall zu herrschen, gibt es Überraschendes, Unvorhersehbares, Unberechenbares, Unsteuerbares. Aber wenn das Glück des Zufalls selbst im Unglück ein Mittel Gottes wäre, damit sein Geschöpf sich weiterentwickelt? Und zwar wie ihn sein Schöpfer eigentlich gedacht hat: Mit einer unverlierbaren Würde ausgestattet, mit Vernunft begabt, verantwortlich vor dem Gott, den Jesus als Liebe gedeutet und mit „Abba, lieber Vater“ angeredet hat. Weil er Gott zutraute, Götzen- und Wirrköpfe zurechtzurücken sowie den Geist kluger Köpfe mit empathischen Herzen ständig zu erneuern.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe in der Kolumne „Moment mal“ am 25. Februar 2023 und im Wolfenbütteler Schaufenster in der Region Wolfenbüttel in der Kolumne „Auf ein Wort“ am 26.Februar 2023

Lebendiger Humor

Lebendiger Humor

Moment mal

Lebendiger Humor

Von Burkhard Budde

Moment mal

Humor als Rettungsring 

Verfügen wir (noch) über eine heitere Gelassenheit? Oder ist uns das Lachen gründlich vergangen?

Gründe dafür gäbe es ja reichlich – nicht nur die Erdbebenkatastrophe oder der brutale Krieg. Auch mitten im Alltag: Ein Lachen kann im Hals stecken bleiben – angesichts eines grimmigen Gesichtes, eines verlogenen Grinsens oder eines moralisierenden Zeigefingers. Oder bei Streitereien um des Kaisers Bart, bei kleinkarierter Rechthaberei, bei einem unbelehrbaren Bildungsverweigerer, bei freudlosen Benimmregeln, bei selbstverliebten Machtkämpfen. Dann wird selbst goldener Humor humorlos oder zum Galgenhumor.

Wahrer Humor bleibt dennoch eine (Über-)Lebensstrategie: Wenn der Ernst des Lebens zum Heulen ist, ein Mensch zu ertrinken droht, dann kann der Humor wie ein Rettungsring wirken: Er bietet Halt, damit ein Ertrinkender nicht untergeht. Ein hilfloses Auflachen wird angesichts einer bedrohlichen Situation entschärft, ein totaler Kontrollverlust verhindert und ein neuer seelischer Balanceakt möglich. Und überhaupt: Ein spontanes Mitlachen wirkt wie ein reinigendes Gewitter, wenn Eitelkeiten und Selbstgefälligkeiten auf den Kopf gestellt werden.

Humor ist jedoch zugleich wie ein Medikament mit Nebenwirkungen. Eine Überdosis führt zu Grenzüberschreitungen wie Schläge unter die Gürtellinie, ein Auslachen auf Kosten von Minderheiten oder Schwächeren. Es gibt ein demütigendes Lachen, das sich nicht einfach Weglachen lässt sowie ein künstliches Lachen auf intellektuellen Stelzen, das nur verkniffenes Mitgegröle erntet. Und es gibt einen billigen Humor zu Lasten des christlichen Glaubens, der bei anderen Religion wegen des hohen „Preises“ vorsichtshalber vermieden wird.

Einen besonderen Durchblick bietet ein Blick in den eigenen Spiegel: Mensch, nimm dich nicht so ernst. Du bist nicht der Nabel der Welt. Du bist geschaffen. Du kannst Gott spielen, aber nicht Gott sein. Du bist vergänglich. Du kannst dich selbst täuschen, aber dein Selbst ist zerbrechlich. Du bist unvollkommen. Du kannst versuchen, dein Leben zu perfektionieren, aber du bleibst auf Barmherzigkeit angewiesen.

Diese Gewissheit ermöglicht es, über eigene sowie fremde Absurditäten zu lachen. Um anschließend – von seelischer Schlacke befreit – Prioritäten zu setzen, mit Grenzen leben zu lernen und das Nötige im Möglichen zu tun. Den eigentlichen Sinn der Lebenskomik kann ein Mensch getrost Gott überlassen, der selbst auf krummen Linien gerade schreibt. Und auch im Leiden neue Lebensfreude und heitere Gelassenheit schenken kann.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe in der Kolumne „Moment mal“ am 18.2.2023 und im Wolfenbütteler Schaufenster in der Region Wolfenbüttel in der Kolumnhe „Auf ein Wort“ am 19.2.2023

Sprache der offenen Herzen

Sprache der offenen Herzen

Moment mal

Sprache der offenen Herzen

Von Burkhard Budde

Moment mal

Sprache der offenen Herzen 

Ist die uralte Sprache bedeutungslos geworden? Wird sie zwar noch geflüstert, aber nicht mehr verstanden, vor allem nur noch selten gelebt? Führt sie ein Nischendasein – wie ein Mauerblümchen? Sprechen vor allem zerstörerische Raketen brutaler Aggressoren? Haben laute Minderheiten, leise Strippenzieher, eiskalte Macher, heuchlerische Pharisäer und verlogene Moralapostel das Sagen? Ist die Stimme umfassender Liebe, an die der Valentinstag am 14. Februar erinnert, verstummt?

Im 3. Jahrhundert hat das Verhalten Valentins in Italien die Sprache der Liebe neu zum Sprechen gebracht: Als Mönch soll er Blumen an liebende Paare verschenkt, als Bischof trotz Verbot Paare getraut, einen jungen Menschen geheilt, den Kaiser durch seine Reden so provoziert haben, dass er den Märtyrertod erleiden musste. Als Heiliger ist er zum Schutzpatron der Liebenden geworden.

Am „Tag der offenen Herzen“ verschenken Menschen Blumen (vor allem in Deutschland) oder Schokolade (in Japan), schreiben Gedichte (in England) oder Liebesbriefe (in Italien). Manchmal wird aus einem Zeichen der persönlichen Wertschätzung, der fachlichen Anerkennung sowie der solidarischen Verbundenheit ein Juwel, eine versteckte Liebeserklärung – keine Schmeichelei, keine Trickserei, auch keine Erpressung, die Gefühle vereinnahmen will. Wohl aber hofft dieses Klopfen an eine Herzenstür auf das Echo, ein Herz und eine Seele zu werden. Die tiefe Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit wünscht sich den Einlass in den Raum aller Sinne, um gemeinsam Neues zu entdecken. Der Kopf deutet und dirigiert zwar das Gefühlsleben, aber er ist gleichzeitig im Herzen zu Hause. Denn leidenschaftlich Liebende wollen weder im kopflosen Gefühlstaumel enttäuscht werden noch im engen Moralkorsett zugeknöpft bleiben.

Manchmal können Liebende sowohl in ihrem Liebesglück als auch im Liebeskummer oder sogar im Scheitern ihrer Liebe die Liebe Gottes entdecken. Gottes Liebe ist eine unendliche sowie neuschaffende Urkraft, ein starkes und stärkendes Gefühl, vorauseilend sowie bedingungslos geliebt zu sein.

Gottes Liebe im Geiste Jesu Christi befreit zur souveränen Mündigkeit in Verantwortung vor Gott und dem Nächsten, aber auch zum neuen Vertrauen in allen Ängsten.

Diese Liebe spricht eine eindeutige Sprache, wenn die von Gott geschenkte Würde und die Rechte eines Menschen mit Füßen getreten werden. Und wird durch konkrete Taten eines klugen Kopfes und eines offenen Herzens auch heute noch hörbar und erlebbar.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 11.2.2023 in der Kolumne „Moment mal“

 

Alles nur Theater?!

Alles nur Theater?!

Moment mal

Alles nur Theater?!

Von Burkhard Budde

Moment mal

Alles nur Theater? 

Zuerst sah sie ihn mit großen Augen an. Dann rieb sie sich die Augen. Schließlich winkte sie mit einer Handbewegung dankend ab. Ihr Freund hatte sie zu einem Theaterbesuch eingeladen. Und beim Wort „Theater“ waren reflexartig und blitzschnell bunte Bilder in ihrem Kopf entstanden, die bei ihr viele Jahre verschüttet oder verdrängt worden waren.

Viele Bilder können im Kopfkino erscheinen. Ist das Theater nur ein Marktplatz freier Bürger, die beim Besuch auf ihre Kosten kommen und ihre seelischen Bedürfnisse befriedigen wollen? Und nicht selten ihr inneres Gähnen verbergen, weil ständige Wiederholungen sie langweilen? Oder ist das Theater auch ein Mitteilungsraum glücklicher Lebenskünstler, die mit ihrem Rollen- und Maskenspiel dem realen Überlebenskampf eine neue Perspektive geben und dem Zuschauer vermitteln können?

Nur ein Tollhaus für starke Nerven, wenn nicht nur Gruseliges und Brutales, sondern auch Ekeliges und Geschmackloses dargestellt werden? Oder auch ein Luftschloss für Träumer und Verträumte, die sich nach Liebe sehnen oder ihre Liebe befeuern wollen?

Nur ein Spielfeld für Regisseure, die sich nicht als mündige Diener eines Werkes, sondern zugleich als Rebell und Erzieher verstehen, um aus Zuschauern Verbündete ihrer Botschaft zu machen, die jedoch häufig mit den Füßen über absurde Aktualisierungen abstimmen? Oder auch eine künstlerische Kulturstätte, in der mit gespielten Wahrheiten inszenierte Unterhaltung und geistige Horizonterweiterung angeboten werden? Um vom negativen Geist befreite Bürger neu zusammenzuführen, damit sie jenseits der Vorführung in der Zivilgesellschaft verantwortungsbewusst zusammenhalten?

Um jedoch die Erlebniskraft eines ästhetisch und ethisch verschmolzenen Theaterstückes kennenzulernen – ein berauschendes Gemeinschaftsgefühl, einzigartige emotionale Berührungen der Seele, aufregende intellektuelle Entdeckungen – sind Offenheit sowie eine möglichst vorurteilslose Begegnung nötig. Wenn sich der Vorhang hebt, sollten alte Bilder zur Seite gelegt werden. Und wenn der Vorhang am Schluss gefallen ist, dann kann der Blick frei bleiben auf das neu Erlebte, das Unfertige, aber auch auf das Gelungene, den Erkenntnisgewinn. Und das Geschehen darf mit empathischer und kritischer Vernunft bedacht werden.

Das Leben selbst kann ein interpretiertes und christlich lesbares Schauspiel sein; man denke nur an die Passionsspiele. Aber nicht alles im Leben ist eine Mischung aus Tragödie und Drama. Manche ist auch eine anspruchsvolle Komödie, in der die Augen anfangen zu glänzen und zu strahlen.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 4.2.2023 in der Kolumne „Moment mal“