Moment mal
Mehr Gesichter
Von Burkhard Budde
Auf ein Wort
Lernorte der Demokratie VIII
Demokratie braucht mehr Gesichter
Unsere demokratische Gesellschaft lebt von Freiheit, nicht von Sklaverei; von Verantwortung; nicht von Ichsucht; von Leidenschaft, nicht von Gleichgültigkeit; von Besonnenheit, nicht von Schwärmerei; von Vielfalt, nicht von Gleichmacherei; von Gleichheit, nicht von Sonderrechten; von Gerechtigkeit, nicht von Willkür; von Barmherzigkeit, nicht von Hass; von Wehrhaftigkeit, nicht von Rache; Wahrhaftigkeit, nicht von Verlogenheit; von Glaubwürdigkeit, nicht von Scheinheiligkeit; von Fairness, nicht von Täuschung; von Kompromissbereitschaft, nicht von Unbelehrbarkeit; von Öffentlichkeit, nicht von Geheimniskrämerei; von der Achtung und Verteidigung der Würde aller Menschen im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und dem Nächsten sowie vor der Geschichte, der Mit- und Nachwelt.
Aber wie können diese Werte in einer offenen Gesellschaft Wirklichkeit werden und bleiben, immer wieder neu gelernt und konkretisiert, wehrhaft und konsequent gelebt werden?
Helfen können verschiedene Lernorte der Demokratie wie Familie, Schule und Parteien. Jeder Einzelne wird gebraucht, sich in der Demokratie für die Demokratie einzusetzen. Und die Demokratie braucht jeden Einzelnen.
Der Autor schrieb am 17. Januar 1981 im Herforder Kreisblatt in einem Gastkommentar:
„Unsere Demokratie braucht mehr Gesichter, mit denen man sich identifizieren kann…Es fehlt (in den Parteien) ein Überschuss an profilierten Gesichtern, die sagen, was sie meinen, die heilsame Unruhe schaffen, indem sie auch unbequeme Kritik äußern, die nicht nur nach einem Pöstchen oder nach Applaus schielen und die sich nicht als Nörgler oder Nestbeschmutzer beschimpfen lassen.
Es fehlt auch ein Überschuss an politischen Persönlichkeiten mit natürlicher Autorität, die bereit sind, qualifizierte Mitstreiter und qualifizierten Nachwuchs zu akzeptieren und zu fördern, die nicht ängstlich alle potentiellen Konkurrenten mit Ellenbogenmethoden und gehässiger Mund-zu-Mund-Propaganda ausschalten, die lernfähig und bereit sind, die die Kontroverse in der Sache lieben…
Zur Glaubwürdigkeit der Politik gehört gerade für Jugendliche…die spannungsvolle Einheit von vorurteilsfreiem Zuhören, fairem und offenen Diskutieren und konsequentem Handeln, eben nicht die schulmeisterliche Belehrung, der einseitige Monolog und bloße Versprechungen…Unsere Demokratie braucht weniger Hochmut, Hochglanz und Perfektionismus und mehr Menschlichkeit und solidarische Festigkeit. Arrogante und blendende Politiker sind keine Visitenkarten für unsere Demokratie. Dies ist für Eingeweihte ein Greul: Nach „oben“ und „unten“ wird entweder geschickt geschmeichelt oder möglichst unauffällig getreten – wie es jeweils „angemessen“ ist…
Mutige und profilierte Politiker, die sich nicht anbiedern oder sich als autoritäre Respektpersonen Geltung verschaffen, sondern solidarische Festigkeit zeigen, sind die richtigen Gesprächspartner.“
Man sollte heute die kulturelle Eintrittskarte in den politischen Raum oder in eine Partei nicht zu teuer und damit unattraktiv machen, weil Menschen nie perfekt sein werden und es immer menscheln wird. Wohl aber besteht ein demokratisches Zukunftsmodell darin, eine demokratische Kultur mit ihren faszinierenden Werten und Idealen so zu gestalten, dass junge Menschen sich mit Interesse und Freude in das politische Geschehen hereinholen lassen und sich mit der lernenden Demokratie identifizieren – durch politische und historische Bildung, vor allem durch Befähigung, Beteiligung und Repräsentation. Um den Geist der Demokratie jedoch zu wecken, braucht man Leuchttürme von Werten, die leuchten und strahlen, Halt und Orientierung geben, indem sie keine leeren Begriffe bleiben, sondern glaubwürdig vorgelebt werden.
Burkhard Budde