Muttertag

Muttertag

Moment mal

Muttertag

Von Burkhard Budde

Familie am Muttertag unterwegs

Mehr wissen – besser verstehen

Mütter achten und ehren

Zum Namen:

Der Muttertag am 2. Maisonntag erinnert an besondere Frauen, an eine Feministin und Frauen der Frauenbewegung, aber auch an die Lebensleistung der eigenen Mutter sowie an alle Frauen, die sich für ein soziales Miteinander und Versöhnung einsetzen.

Zur Geschichte:

Anna Jarvis (1864-1948), eine unverheiratete und kinderlose Lehrerin und Tochter eines Methodisten Pfarrers aus West Virginia, setzte sich für politische Ziele der Frauenbewegung wie das Frauenwahlrecht ein.

Als ihre ebenfalls politisch aktive Mutter am 9. Mai 1905 starb, warb sie für ein jährliches Gedenken an die Lebensleistung ihrer Mutter, die 1858 „Mother`s Work Days“ für den Kampf gegen hohe Kindersterblichkeit und für bessere sanitäre Anlagen gegründet hatte.

Mit dem ersten Muttertag 1908 – Anna Jaris verteilte nach einem Gottesdienst 500 Nelken, die Lieblingsblume der Mutter – sollte an die „Werke aller Mütter“ gedacht werden, besonders an die soziale und politische Rolle von Frauen in der Gesellschaft. Der Muttertag sollte ein Gedenktag sein, kein Geschenktag.

1914 wurde der Muttertag zum amerikanischen Feiertag erklärt (die Mütter Amerikas als „zärtliche Armee“).

Ab 1922 engagierte sich der Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber für die Feier zu Ehren „der stillen Heldinnen unseres Volkes“.

1933 wurde der Muttertag von den Nationalsozialisten mit ihrem NS-Mutterkult missbraucht (für „Führer, Volk und Vaterland“ Kinder bekommen).

Nach 1945 wurde der Muttertag zunächst abgeschafft; in den fünfziger Jahren in der Bundesrepublik wiederbelebt.

Zur Bedeutung:

Als Gedenktag ist der Muttertag für viele Menschen zugleich ein Tag des Dankes sowie der Ehrung im Blick auf das Lebenswerk der eigenen Mutter. Dieser Dank kann zum Beispiel besonders begründet sein, wenn eine Mutter nicht nur an die eigene Karriere und nicht nur an die des Kindes gedacht hat, sondern zugleich und vor allem an die Förderung der individuellen Persönlichkeitsentwicklung ihres Kindes:

Wenn Mutter und Vater mit Hilfe eines ethischen Kompasses wie Verantwortung und Mitmenschlichkeit sowie im Wissen um Sinn- und Kraftquellen die Erziehung ihres Kindes gemeinsam ernst- und wahrnehmen konnten.

Wenn sie ihre Lebenszeit teilten, auf Ego-Trips verzichteten und bei der Bewältigung von Problemen mit gutem Beispiel vorangegangen sind sowie geholfen haben, dass das Kind immer selbstständiger und eigenverantwortlicher werden konnte.

Der Muttertag kann darüber hinaus auch zum Versöhnungstag werden, wenn keine Noten verteilt werden wie „ungerechte Mutter“ oder „undankbares Kind“, auch keine Gefühle mit goldenen Worten vorgespielt werden, sondern von beiden Seiten Herz gezeigt wird, Verstehen, Verständnis und Verständigung eine Rolle spielen, um durch die wertschätzende Erinnerung an die gemeinsame Vergangenheit eine gemeinsame Zukunft zu gewinnen.

Die Mutter bleibt für ein Kind stets eine Identifikations- und Leitfigur, die zur eigenen Reifung und zur eigenen Mündigkeit beiträgt, weil in jeder Mutter mit widersprüchlichen Mütterbildern eine Frau steckt – mit weiblichen Spezifika, menschlichen Ambivalenzen, sozialen Spannungen sowie mit individuellen Anziehungs- und Ausstrahlungskräften, eben ein einmaliger und unverwechselbarer Mensch mit einer unverlierbaren Würde.

Burkhard Budde

Veröffentlicht auch im Wolfenbütteler Schaufenster am 9.5.2021

Nichts hören

Nichts hören

Moment mal

Nichts hören…

Von Burkhard Budde

Affen. die nichts hören, sehen, sagen

Nichts hören,

nichts sehen,

nichts sagen

Jörg Kleine, Chefredakteur der Goslarschen Zeitung (GZ) hat zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Meinungs- und Pressefreiheit in seiner Rubrik „NACHGEDACHT“ (GZ vom 30.4.2021) Stellung bezogen.

Dazu ein Leserbrief, der in der GZ am 4. Mai 2021 veröffentlicht wurde:

Wer Augen verschließt,

läuft gegen die Wand

Quälender Frust, durch die Coronazeit verursacht oder verstärkt, sucht sich häufig ein Ventil und einen Sündenbock – bei bekannten und privilegierten Bürgern wie einzelnen Schauspielern, aber auch bei unbekannten und „normalen“ Bürgern, um aufgestauten Dampf sowie eigene Verantwortung loszuwerden. Ein frustrierter Mann, den ich zufällig vor Monaten im Kurpark traf, sagte mir: „Wenn ich abends die Nachrichtensendung im TV sehe, habe ich nachts Alpträume“. Und dann schimpfte er noch pauschal auf die Medien.

Seine Reaktion auf „Corona“ mag in seiner persönlichen Situation verständlich sein. Aber sie ist kein Rezept für alle anderen, um bewusst mitdenken, begründet mitreden und sich verantwortungsbewusst verhalten zu können. Geeignetere Instrumente sind dann schon eher unabhängige Quellen der Information und Aufklärung, aber auch Unterhaltung mit Ironie und Satire oder bissigem Humor, die allen den Spiegel vorhält.

Allerdings wer ständig aus Angst oder Bequemlichkeit seinen Kopf in den Sand steckt, um nichts sehen, hören, sagen oder sich „bewegen“ zu müssen, braucht sich nicht zu wundern, dass große Teile seines Lebens angreifbar werden. Und wer mit geschlossenen Augen und einem sturen Kopf gegen eine Wand läuft, sollte sich über Blessuren nicht beschweren.

Veränderung, um ein Leben in Freiheit, Verantwortung und Würde zu führen, beginnt mit der Wahrnehmung der sichtbaren und unsichtbaren Realitäten.

Burkhard Budde

 

Feindesliebe

Feindesliebe

Moment mal

Feindesliebe

Von Burkhard Budde

Eine Rose spricht

Aus Feinden Partner oder sogar Freunde machen?

Kompass Feindesliebe

Was bedeutet für Sie „Freundesliebe“? „Viel“, antwortet eine Person, „ich mag meinen Freund, weil er gut zu mir ist.“ Ihr Freund sei freundlich und höflich, anständig und taktvoll. Mit einem feindseligen, groben, rücksichtlosen und geschmacklosen Menschen könne sie nicht befreundet sein. Ihre Freundschaft lebe vor allem vom gegenseitigen Vertrauen und von Ehrlichkeit. Beide könnten sich in Notsituationen aufeinander verlassen. Und sie wisse, dass sie von ihrem Freund verteidigt werde, wenn sie hinter ihrem Rücken schlechtgemacht werde.

Und was halten Sie von „Nächstenliebe“? wird die Person weiter gefragt. Sie überlegt einen Augenblick. Dann sagt sie: „Wenn diese Liebe nicht nur im Schaufenster steht, sondern auch gelebt wird – viel“. „Und was verstehen Sie unter Nächstenliebe?“ Wieder folgt eine Denkpause; dann ihre Antwort: „Wenn ich einem Menschen ohne Vorurteile begegne und ihn so behandle, wie ich selbst in einer solchen Situation behandelt werden möchte.“ Und sie erzählt noch, dass Nächstenliebe für sie nicht Abhängigkeit, sondern Hilfe zur Selbsthilfe bedeute.

Der Fragesteller nickt; dann eine überraschende Frage: Ist „Feindesliebe“ für Sie ein Thema? Jetzt reagiert der Gefragte spontan: „Einen Wolf im Schafsfell, der sich tarnt, um mich über den Tisch zu ziehen; einen Neidhammel, der mir Steine in den Weg legt; einen Fiesling, der mich bloßstellt; einen Moralisten, der nur an sich denkt – solche Figuren soll ich lieben?!“

Der Fragesteller erläutert: Es gehe um Feindesliebe, wie Jesus sie in der Bergpredigt fordert. Und die Jesus u.a. damit begründet, dass der „Vater im Himmel“ seine Sonne über allen Menschen aufgehen lässt.

Die Person beendet das Gespräch, weil es ihr „zu fromm“ geworden ist. Doch später denkt sie über die Forderung Jesu nach: Sind seine Worte über die Feindesliebe nicht doch realistisch, weil sie Feindschaft voraussetzen und sie nicht verharmlosen; zumutbar, weil sie keinen zur Selbstaufgabe oder zur Sympathie mit dem Feind auffordern; kritisch, weil sie Feindschaft verurteilen, dem Feind aber seine von Gott geschenkte Würde lassen; ehrlich, weil die Suche nach einem schöpferischen Neuanfang ohne Gleiches mit Gleichem zu vergelten ein Wagnis bleibt, nicht im Alleingang oder mit Zwang gelingen kann und der Teufel im Detail steckt?

Vielleicht sollte der erste Schritt gewagt werden, indem man seinen Groll und seine Verletzungen loslässt, für den Feind betet und ein vernünftiges und differenziertes Gespräch sucht. Wohl wissend, dass kein Mensch einfach zum Friedensengel wird. Aber jeder seine gehässige Feindschaft, die ihn selbst vergiftet, überwinden kann, wenn er es denn will. Und dass mit Hilfe der Feindesliebe als Kompass aus Feinden Gegner, Partner, vielleicht sogar Freunde werden können.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe

in der Kolumne „Moment mal“ am 1.5.2021

sowie im Wolfenbütteler Schaufenster

in der Kolumne „Auf ein Wort“ am 2.5.2021

Ewiges Leben

Ewiges Leben

Moment mal

Ewiges Leben

Von Burkhard Budde

Christliche Botschaft glaubt an das ewige Leben

Hoffnung auf ewiges Leben

Einer horcht in die finstere Nacht hinein. Kein lauter Lärm stört die unheimliche Ruhe. Keine nervige Hektik überspielt die bedrückende Einsamkeit. Unbekannte Gefühle steigen aus der Tiefe empor. Seelische Kälte- und Hitzeausbrüche wechseln sich ab. Wut steigt in seinen Kopf. Seine Hand ballt sich zur Faust: Warum gerade ich? Warum gerade jetzt?

Ein Mann, der fast blind ist, liegt im Sterben. Er kämpft gegen den Tod. Und mit dem Tod ums Überleben. Verzweifelt versucht er, seine Angst vor dem Tod zu bezwingen. Seine Schmerzen, sein Aufbegehren und sein Kampf sind wie heiße Glut unter der kalten Asche seiner Ohnmachtserfahrungen. Gibt es denn keine Hoffnung auf eine kleine Flamme neuen Lebens?

Da reicht ihm eine Hand, die mitfühlt, ein schlichtes Kruzifix. Er öffnet seine Hand. Erst ein wenig erstaunt und flüchtig, dann langsam und immer intensiver berührt er mit seinen Händen den Christuskörper, dessen Hände und Füße von Nägeln durchbohrt sind. „Jesus“, stammelt der Mann plötzlich, „was hast du gelitten.“ Und je mehr er sich in die Gestalt des leidenden Mannes am Kreuz versenkt, desto häufiger scheint er gewisse Spuren seines eigenen Leidens zu entdecken. Er meint zu verspüren, mit seinem Leid nicht allein zu sein. Und erlebt, dass das tastende Mitleiden mit dem Gekreuzigten seine eigenen Leidenserfahrungen auf geheimnisvolle Art tröstet.

Er kann zwar seine neuen Erfahrungen nicht in klare Worte fassen und anderen einfach vermitteln. Aber eine unbekannte Kraft berührt ihn zärtlich, umarmt ihn vorsichtig, füllt sein Herz mit gewissem Vertrauen. Und durchflutet seinen Körper mit einem wärmenden Gefühl unbegreiflicher Geborgenheit.

Er schwärmt nicht, verklärt nicht seine Situation. Aber er muss sich nicht länger auflehnen, sich auch nicht einfach mit seinem Schicksal abfinden. Er darf weinen, weil Gott selbst wohl seine Tränen trocknet. Er kann seine Schwächen zeigen, weil Gott doch die Schwächsten der Schwachen am meisten liebt. Er kann kämpfen als kämpfte er nicht, weil Gott ganz gewiss Jesus in der Hölle, die er am Kreuz erlitten hat, die Tür zum Himmel öffnete. Und die in der Hoffnung auf die liebende und heilende Kraft Gottes geöffnet bleibt.

Ein tiefes Leuchten steht in seinen Augen. Als wenn in seinem Innersten eine Morgenröte aufgegangen ist, die die Sehnsucht nach der Sonne ewigen Lebens stillt. In der Nacht seiner Ohnmacht legt er seine Hand in unsichtbare, aber offene Hände.

Burkhard Budde

Veröffentlicht auch am 24.4.2021 im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe

in der Kolumne „Moment mal“

sowie am 25.4.2021 im Wolfenbütteler Schaufenster

in der Kolumne „Auf ein Wort“

 

Soziale Marktwirtschaft

Soziale Marktwirtschaft

Moment mal

Marktwirtschaft

Von Burkhard Budde

Statt Deckel mehr Freiheit und Verantwortung

Zukunftsmodell Soziale Marktwirtschaft

Verantwortungsträger statt sozialistische Gartenzwerge oder kapitalistische Riesen 

Chefredakteur Dr. Ulf Poschardt hat in die WELT den vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig erklärten „Mietpreisdeckel“ des Berliner Senats als „Gartenzwergsozialismus“ kommentiert (DW vom 16.April 2021). Dazu der Leserbrief „Weichenstellung“ in ungekürzter Fassung, der in gekürzter Fassung in die WELT am 20.April 2021 veröffentlicht wurde:

„Der Berliner Senat hat sich mit seinem Prestigeprojekt „Mietpreisdeckel“, das jetzt vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden ist, rechtlich blamiert, vor allem ordnungs- und sozialpolitisch disqualifiziert. CDU und CSU sollten ihre politischen Macht- und Boxkämpfe in den eigenen Reihen beenden, das Berliner Beispiel ideologischer Selbstverliebtheit und Realitätsferne zu Lasten des Normalbürgers zum Anlass nehmen, sich auf die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner zu konzentrieren. 

Ulf Poschardt hat die Bedeutung des Berliner Vorganges für die politische Entwicklung der Bundespolitik auf den Punkt gebracht: Bei der Bundestagswahl im Herbst geht es um eine Weichenstellung: „Freiheit oder Sozialismus“. 

Der Kompass der sozialen Marktwirtschaft bleibt attraktiv, weil er einen Weg zwischen sozialistischer Planwirtschaft und zügellosem Kapitalismus darstellt, der mit Hilfe staatlicher Rahmenbedingungen, einer fairen Eigentums- und Wettbewerbsordnung sowie eines offenen Entdeckungsverfahrens gefunden werden kann. 

Wer sich das Motto „So wenig Staat wie möglich, so viel Staat wie nötig“ politisch zu Herzen nimmt, gewinnt auch die Köpfe und Herzen derer, die keine Gleichmacherei und Mangelverwaltung, aber auch keine Maßlosigkeit und Ellenbogen erleben wollen. Die unsichtbare Hand des Marktes im Rahmen des Rechtsstaates darf nicht durch bürokratische Hände und ideologische Köpfet gelähmt werden, sondern muss eine dynamische und rationale Kraft bleiben, damit Macht- und Machtmissbrauch durch Monopole und Oligopole verhindert werden kann.

Soziale Marktwirtschaft, die Ökonomisches, Ökologisches und Soziales verbindet, ist ein Zukunftsmodell: Faire Chancengleichheit, Wahlfreiheit und Vielfalt, Innovation und Fortschritt, Wohlstandes für alle und soziale Sicherheit sind nötig. Und werden möglich. 

Wir brauchen weder sozialistische Gartenzwerge noch kapitalistische Riesen, wohl aber Hoffnungs- und Verantwortungsträger in der Politik, die vor allem einer Gesellschaft freier Bürger und dem Gemeinwohl dienen.“

Burkhard Budde

Genderstern

Genderstern

Moment mal

Genderstern

Von Burkhard Budde

Ein Stern triff auf verschiedene Türen, auch eine Drehtür.

Sternchen auf Reisen

Ein kleines Sternchen geht selbstbewusst auf große Reise.

Es findet offene Türen. Zum Beispiel bei Unternehmen, Organisationen, Institutionen und Parteien, die offensichtlich ihr Geschäftsmodell gefährdet sehen, wenn sie nicht das Sternchen in ihren Texten aufnehmen. Sie wollen ganz vorne im Zug der Zeit sitzen, um ihr modernes Image – „aufgeklärt, offen, lieb und nett“ – zu behalten oder zu polieren. Also heißt die Sprachregelung jetzt Kolleg*in, Mitarbeiter*in oder Direktor*in.

Aber das Sternchen trifft auch auf verschlossene Türen. Zum Beispiel bei aufgeklärten Menschen, die nicht hinter jedem Zug des Zeitgeistes herlaufen, aber sich auch nicht aufs Abstellgleis stellen lassen. Sie wissen, dass die Mode von heute der alte Zopf von morgen sein kann. Vor allem kennen sie erfolgreichere Wege, die realen Wirklichkeiten diskriminierungsfreier und gleichberechtigter zu gestalten als mit Sternchen, die glühen und aufglühen, aber auch wieder verglühen können. Sie gehen weiterhin zum Arzt oder zur Ärztin, nicht zur Ärzt*in oder zum Bäcker und nicht zur Bäcker*in.

Es gibt zudem Türen, die für das Sternchen nur einen Spalt geöffnet sind. Zum Beispiel bei kritischen Personen, die sich fragen, ob sie in den Zug der Zeit einsteigen bzw. aus dem Zug wieder aussteigen sollen, die irritiert und verunsichert sind. Einerseits sind sie für eine sensible und sensibilisierende Sprache, die menschengerecht ist und Würde verleiht. Andererseits soll diese Sprache auch verständlich, lesbar und vorlesbar bleiben, und nicht einem Genderdiktat unwürdig unterworfen werden. Der Atem dieser freien Bürger stockt, wenn eine Moderatorin einer Nachrichtensendung im Fernsehen das Sternchen mit kurzer Sprechpause „ausspricht“. Und sie fragen sich, ob das der Beginn eines schleichenden Erziehungsprogrammes eines sprachlichen Totalitarismus ist: Sollen am Ende das Grundgesetz, alle Gesetze, die gesamte Amtssprache, alte Klassiker umgeschrieben, bestimmte Kulturgüter zerlegt oder gar verbannt werden? Wird das Sternchen selbst, wenn es immer selbstverliebter und selbstgerechter geworden ist, zum Einfallstor einer Kultur der sprachlichen Einfalt statt Vielfalt, der autoritären Bevormundung statt der individuellen Freiheit in Würde und Verantwortung?

Manchmal erlebt das Sternchen auch Drehtüren. Es wird zunächst ins Haus der Alltagssprache aufgenommen, dann aber als Störenfried wieder verabschiedet. Zum Beispiel wenn die Sonne behauptet, ein geeigneteres Zeichen als das Sternchen zu sein, da sie nicht nur mehr Aufmerksamkeit erzeugt, sondern auch überzeugender für das diskriminierungsfreie Lebensrecht aller ist. Oder der Mond, der sich als Symbol ständiger Begleitung aller Menschen versteht. Oder die empathische Vernunft einem Menschen sagt, dass in einem Klima der Angst, etwas „Falsches“ zu sagen, und in einem Klima der Intoleranz, weil etwas anderes gesagt wird als verordnet, kein friedliches Miteinander und solidarisches Füreinander wachsen kann. Dass es überhaupt Wichtigeres gibt als Sonne, Mond und Sternchen, nämlich eine integrierende und identitätsstiftende Sprache, die sich wandeln kann, aber Menschen nicht unterwerfen, sondern dienen will, um in den gemeinsamen und vielfältigen Lebensraum mündiger Freiheit treten zu können.

Burkhard Budde