Abenteuer Demokratie

Abenteuer Demokratie

Vortrag

Abenteuer Demokratie

Von Burkhard Budde

„Abenteuer Demokratie“ 

Zusammenfassung des Vortrags zum Thema „Abenteuer Demokratie“ mit Vorstellung des gleichnamigen Buches von Dr. Burkhard Budde

bei der Hiller Gesellschaft in Braunschweig am 27.9 2025

Mein Herz schlägt – trotz aller Kritik, die berechtigt sein kann – für die Demokratie. Es gibt keine reale Alternative zu dieser Herrschafts- und Lebensform.

Mein Buch „Abenteuer Demokratie“ (2025) ist eine persönliche Liebeserklärung im Blick auf die freiheitliche Demokratie – jenseits von Jammern und (An-)Klagen, Träumereien, Schwärmereien und Spielereien, aber auch begründeten Forderungen nach Erneuerung.

Liebe zur realen Demokratie bedeutet:

Vertrauen – kein blindes, sondern begründetes Vertrauen in Demokraten und demokratische Institutionen, das durch Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit wachsen kann, aber auch ständig herausgefordert ist, um es nicht zu verlieren.

Verantwortung – keine abstrakte, sondern eine persönliche Haltung des Wissen und des Gewissens in einer konkreten Situation, die sich im Alltag nicht hinter einer Institution, Moral oder Religion versteckt, sich in einer Krise nicht wie Zucker im Tee auflöst, sondern durch Mut, Klarheit und Einsatzbereitschaft bewährt.

Leidenschaft – keine überschäumende und unvernünftige Emotionalität, sondern besonnenes Zupacken und vernünftiges Kümmern um das Gemeinwohl und Gemeinwesen, die Eigen- und Partikularinteressen zurückstellen kann, um das Ganze nicht aus den Augen zu verlieren.

Individuelles Erleben –kein Schulbuch- oder Universitätswissen, sondern das Entdecken und Lernen demokratischen Verhaltens zum Beispiel in der Familie, in der Schule, in einer Partei, in der Politik und Zivilgesellschaft. Und Freude und Sinn in der und für die Demokratie findet.

Mein Buch spiegelt persönliche demokratische Lern- und Erfahrungsräume wider, aber auch grundsätzliche Möglichkeiten, aus geistigen und ethischen Quellen demokratische Werte, Normen, Grundsätze und Regeln zu schöpfen sowie einen christlichen Horizont kennen- und schätzen zu lernen.

Mir hat in dieser Woche die Braunschweiger Künstlerin Marie-Luise Schulz eine Geburtstagskarte mit einem Spruch von Kurt Tucholsky (1890-1935) geschenkt:

Tanzt, ich sage euch tanzt, vor allem aber aus der Reihe.

„Vor allem aber aus der Reihe“ – ist das eine Aufforderung, zum Außenseiter oder Sonderling zu werden? Zum Moralapostel oder Friedensengel? Zum Sittenwächter oder Pazifisten? Oder mit der Faust auf den Tisch zu hauen, wenn das Durcheinander zerstörerisch wirkt? Den moralischen Finger erheben, die Bösen ermahnen und die Guten loben? Mit gespaltener Zunge mal so, mal so zu reden, je nach Situation? Sich schnell vom Acker machen, wenn es brenzlig wird?

Der erste Teil der Botschaft sollte nicht überhört werden: „Tanzt“ – nach Regeln, nehmt auf der Tanzfläche des Lebens Rücksicht, habt Acht und Achtung, Respekt und Wertschätzung im Blick auf andere Tänzer.

Aber was sagt mir  – ganz persönlich – die ganze Botschaft des Spruches von Kurt Tucholsky, der wie Kurt Hiller in der Weimarer Republik vor allem gegen Militarismus und nationalistische Scheuklappen gekämpft hat?

Will Marie-Luise Schulz, die ich über 30 Jahre lang kenne, mich anlässlich meines Geburtstages ermutigen: Burkhard, bleib auf deinem weiteren Lebensweg ein kritischer und aufgeklärter Geist – ein Demokrat?! Und tanze, wenn es aus demokratischer Grundüberzeugung sein muss, aus der Reihe?!

Eine Botschaft, die für alle Demokraten wichtig bleibt. Denn die freiheitliche und plurale  Demokratie braucht überzeugte und überzeugende Demokraten – in unserem Land und weltweit, in Schönwetterzeiten, vor allem in stürmischen Zeiten.

Ein dreifaches schleichendes Gift gefährdet die freiheitliche Demokratie, die ohne wehrhaften Rechtsstaat nicht denkbar ist.

  1. Ein obrigkeitshöriger Personenkult: Es sind Autokraten, Diktatoren, Populisten im demokratischen Gewand, politische Erlöser und Blender, die das Gift verbreiten, indem sie keinen Widerspruch ertragen und keine Halbgötter neben sich dulden, vor allem von ihren Anhängern erwarten, dass sie ihren schnellen und einfachen Lösungen und leeren Versprechungen auf den Leim gehen, dass sie ihnen huldigen und ihre Kritik- und Urteilsfähigkeit auf dem Altar einer blinden Gefolgschaft opfern, dass sie nach ihrer Pfeife tanzen.
  2. Ein ideologiehöriges Hören, Denken und Fühlen: Die Melodie der totalitären Ideologie oder auch das Gebrüll des Hasses kennt keine Zwischentöne, keine Offenheit, keine Lernprozesse, nur eine Wahrheit, die eigene Wahrheit, nur die Schubfächer Freund oder Feind, nur die Zugehörigkeit zu der eigenen Gruppe.
  3. Ein intolerantes und diskriminierendes Verhalten: Das Motto lautet „Willst du nicht mein Tanzpartner sein, dann verbanne ich dich von der Tanzfläche, mache dich still und mundtot. Es werden nur Tänzer geduldet oder gefördert, die die eigene ideologische, religiöse oder kulturelle Meinung vertreten. Die Regeln, die für alle Tänzer gelten sollten, werden ausgehöhlt und neue Regeln zu Lasten der Freiheit und Vielfalt von oben herab verkündet.

Im Haus der Demokratie mit vielen Wohnungen und Tanzflächen liegen viele spitze und verletzende Steine. Demokraten sind herausgefordert, diese Steine und das schleichende Gift beim Namen zu nennen, zu entlarven und sich für den Erhalt des Hauses durch ständige Erneuerung mit Kopf und Herz einzusetzen:

Insbesondere für eine unabhängige Justiz, da zu einer Mehrheitsdemokratie untrennbar der Rechtsstaat gehört, um den Schutz der Freiheit des einzelnen vor dem Staat zu gewährleisten; für freie Medien, die sonst mit Scheren im Kopf ihre Aufklärungsarbeit und Kontrollfunktion nicht wahrnehmen können;

für legitimierte Regierungen, die die Macht nur auf Zeit innehaben und abgewählt werden können, um sich nicht vom Boden der Demokratie abzuheben und sich als Feudalherren ohne Rechenschaftspflichten zu verstehen;

vom Volk gewählte Parlamente mit Mandatsträgern, die letztlich nur ihrem Gewissen und ihrem Wähler verantwortlich sind, um Regierungen kontrollieren und selbst politisch gestalten zu können.

Alle demokratischen Institutionen und alle demokratischen Akteure, die sich mit der freiheitlichen Demokratie identifizieren können, „tanzen“ bewusst und engagiert nach der Grundmelodie des Grundgesetzes – vor allem mit seinem Würdeversprechen, den Menschen- und Freiheitsrechten, der Gewaltenteilung, der Trennung von Staat und Kirche, dem Föderalismus-, Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip.

Aber da jede Politik begrenzt, vergänglich, unvollkommen, also Menschenwerk ist und bleibt, sollten alle Verantwortlichen „aus der Reihe tanzen“, wenn der Geist des Grundgesetzes gefährdet erscheint, wenn der demokratische Staat zum Beispiel auf dem Spiel steht oder er selbst totalitär werden wollte.

Das offene Haus der Demokratie hat mit dem Grundgesetz nicht nur ein tragendes und nachhaltiges Fundament, das Freiheit und Vielfalt trägt, aber keine Freiheit ohne Recht und Gesetz und keine Vielfalt ohne rechtlichen Rahmen zulässt. Denn die Würde des Menschen muss unantastbar, unteilbar und unverlierbar bleiben. Und die christlichen Wurzeln der Würde, die Gottebenbildlichkeit des Menschen, können verhindern, dass der Staat zum Ersatzgott wird, dass er vielmehr positive und negative Religionsfreiheit ermöglicht, aber nicht selbst zur Religion wird.

Die Zukunft der Demokratie entscheidet sich offensichtlich vor Ort, auf der Tanzfläche der Kommunalpolitik. Die kommunale Selbstverwaltung ist keine Nische im Haus der Demokratie, sondern als eine Form der Gewaltenteilung und der Gewaltengliederung der Eingangsbereich des Hauses.

Hier habe ich die Schule der Demokratie als jüngster Ratsherr der Stadt Bünde – 22 Jahre alt -von 1975 bis 1979 kennen- und schätzen gelernt, ihre Sach- und Ortsnähe sowie Lösungskompetenz. Vor Ort kann das Vertrauen der Bürger in die Demokratie besonders gut wachsen, wenn Politiker ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte haben, ein faires Gespräch auf Augenhöhe suchen und sich um die Anliegen der Bürger kümmern – als Gestalter, nicht als Verwalter der Demokratie. Hier zeigen sich die Vorzüge des demokratischen Werkzeugkastens, der autoritäre Holzhammermethoden, moralische und politische Keulen und Scheren im Kopf überflüssig macht und einen konstruktiven Pragmatismus mit dem Kompass demokratischer Werte sowie der Integration und des Zusammenhalts ermöglicht.

Und wie ich Demokrat geworden bin? Auf Grund der vorgegebenen Zeit kann ich nur noch Hinweise geben:

Mit 15 Jahren war ich 1968 beim Deutschen Turnfest in Berlin und habe eine Großdemonstration – „Straßendemokratie“ – erlebt, von der ich auf Seite 1 meines Buches „Abenteuer Demokratie“ berichte.

Und wie ich über Pazifismus denke, kann jeder auf Seite 31 nachlesen; über Wehrhaftigkeit auf Seite 34 (eine Parabel).

Ich hoffe, dass ich viele auf mein neues Buch neugierig gemacht habe. Danke! Ich freue mich auf die Diskussion!

Burkhard Budde

Abenteuer Demokratie

Lernorte und Quellen

Verlag Books on Demand (2025)

ISBN: 978-3-7693-2678-9 / 9.99 Euro

 

Dankbarkeit

Dankbarkeit

Auf ein Wort

Suche gute Tugend: Dankbarkeit

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Suche gute Tugend: Dankbarkeit 

Ist die alte Tugend Dankbarkeit heute noch alltagstauglich und lebensdienlich?

Oder sind schlechte Laune und Gedankenlosigkeit salonfähig geworden; dominiert eine ständige Unzufriedenheit und Gedankenfaulheit am vollgedeckten Tisch?

Dankbarkeit erscheint manchmal einen tiefen Schlaf zu halten. Ihre Bedeutung, zum Beispiel eine Beziehung zu pflegen oder zu erneuern, eine gute Tat anzuerkennen und zu weiteren guten Taten zu ermutigen, wird verkannt oder verschlafen.

Manche jedoch sind hellwach und denken: Weshalb sollte ich mich für mein gutes Recht und für meine berechtigten Ansprüche bedanken?! Und vergessen dabei, dass Selbstverständlichkeiten wie Hilfsbereitschaft nicht automatisch selbstverständlich bleiben, sondern auf Dauer besonders in schwierigen Zeiten ein emotionales Fundament brauchen.

Natürlich kann ein „dankbares Verhalten“ missverstanden werden, wenn der Dankbare sich verpflichtet und abhängig fühlt. Oder missbraucht werden, wenn der Dankbare mit einer dankbaren Floskel nicht ehrlich, sondern berechnend und kalkulierend ist oder eine wechselseitige Abhängigkeit anstrebt.

Aber viele – zum Beispiel engagierte Ehrenamtliche, aber auch verdienstvolle Profis – erwarten zu Recht „wenigstens ein Dankeschön“, wenn sie ihre Tätigkeiten beenden. Und fühlen sich verletzt, wenn der „offizielle Dank“ ausbleibt oder vergessen wird.

Undankbarkeit kann ein Programm sein, aber sie ist nicht der Welt Lohn für ein souveränes Leben. Vielmehr ist die Dankbarkeit ein lohnendes Echo des Herzens, da eine innere Freiheit erlebbar wird:

Trotz berechtigter und mitgeteilter (!) Unzufriedenheit mit der Leistung einer Gaststätte wird ein Trinkgeld zu einer freiwilligen und reinen Gabe, überwindet dadurch eine verlogene „Dankesschuld“, eine übliche „Zwangsabgabe“, macht den Weg frei für bessere Leistungen der Gaststätte in der Zukunft und teilt etwas Wichtiges über den Geber der Gabe selbst mit, seine menschliche Großzügigkeit, die Erneuertes ermöglicht.

Ehrliche Dankbarkeit ist kein Luxusgut, das in ein Schaufenster gestellt wird oder ein Zauberwort, um ein weiteres Stück Schokolade zu erhalten.

Dankbarkeit ist vielmehr ein Schlüssel zu einer inneren Haltung, die Zufriedenheit ermöglicht, vor allem in Frieden mit sich selbst sowie mit seinem Nächsten zu leben.

Der Dankbare kann leichter abgeben, sogar vergeben, loslassen, um Neues zu empfangen, anerkennen, auch wenn er selbst verkannt wird, anderen auf die Beine helfen, wenn sie gestürzt sind, damit sie wieder selbstständig laufen lernen.

Dankbare können auch weit und tief genug denken: Wer hat sich schon selbst gezeugt, geschaffen und geboren? Wer lebt ewig? Wer kann Liebe, Vertrauen und Gesundheit einfordern, einklagen, herstellen oder erwerben? Wer hat seine einmalige Lebenszeit in alleiniger Hand? Und ist Gott als der Geber aller guten Gaben nicht auch in seinen Gaben gegenwärtig, die – bedacht und durchdacht – dankbar angenommen werden können, damit sie Frucht bringen – in Verantwortung vor Gott sowie in der Freiheit zur Liebe? Und eben zur Dankbarkeit?!

Burkhard Budde

Hoffnung

Hoffnung

Auf ein Wort

Hoffnung

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Suche gute Tugend: Hoffnung 

Ist die alte christliche Tugend Hoffnung heute noch alltagstauglich und lebensdienlich?

Christliche Hoffnung? Einer winkt ab: „Brauche ich nicht. Ich lebe zwischen Lust und Frust, Freude und Enttäuschung. Das reicht mir.“ Die Hoffnung auf ein Jenseits sei ein frommer Wunsch, der auf ein Jenseits vertröste, aber keine Bedeutung für das Diesseits habe. Ein anderer stimmt ihm zu: „Ich bin lieber Chef meines eigenen Lebens ohne ein religiöses Täuschungsmanöver, das nur von den eigentlichen Problemen ablenkt.“ Doch ist christliche Hoffnung wirklich ein Selbstbetrug, eine Wahnidee?

Wieder andere Menschen berichten, dass es „falsche Hoffnungen“ gebe, wenn zum Beispiel leere Versprechungen gemacht würden, auf schwärmerische Worte keine hilfreichen Taten folgten, sozusagen ungedeckte Schecks großzügig verschenkt würden. Aber gilt das auch für christliche Hoffnung?

Nicht ohne Grund jedenfalls gibt es auf Todesanzeigen immer seltener Zeichen oder Worte, die christliche Auferstehungshoffnung zum Ausdruck bringen.

Doch christliche Hoffnung ist mehr als eine Resthoffnung und auch mehr als ein zusätzlicher Optimismus. Ein Leben mit christlicher Hoffnung gründet auf der Zusage Gottes „Siehe, ich mache alles neu.“ (Offenbarung 21,5) Christen bekennen, dass die Hoffnung durch die Botschaft der Auferstehung Jesu, die zwar nicht beweisbar, aber auch nicht widerlegbar ist, eine aktivierende und mutige Lebenskraft selbst in einer hoffnungslosen Situation ist.

 „Wie das?!“ fragt der kritische Geist der Pusteblume, die ganz traurig ist und erzählt:

Als ich noch Löwenzahn war, waren meine Blüten kräftig und leuchtend gelb. Ich wurde anerkannt, aber auch häufig verkannt, wenn Neid und Missgunst oder Konkurrenzgefühle herrschten. Doch jetzt bin ich nur eine weiße Pusteblume, fragil, hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Furcht. Wird der nächste Sturm meine Existenz zerstören? War alles vergeblich und sinnlos? Oder enthält mein Samen, den der Wind der Zeit scheinbar ohne Halt und Ziel verweht, den Keim für neues Leben, das Sinn stiftet?

Ein Mensch, so biblische Zeugen, der wie eine Blume auf dem Felde zwar auch vergänglich, aber mehr als eine traurige und verunsicherte Pusteblume sei, könne dennoch und trotz aller Stürme auf Gottes Zusagen vertrauen. Denn diese göttlichen Zusagen seien unzerstörbar, sie gingen über alle irdischen Möglichkeiten sowie über alle menschlichen Vorstellungen hinaus. Sie ließen den Menschen nicht im tiefen Abgrund der Anonymität und Sinnlosigkeit enden.

Ein Mensch könne sein Leben im Hier und Jetzt in die eigene Hand nehmen und zugleich die Angst, den Boden unter den Füßen zu verlieren, vertrauensvoll in Gottes Hand legen, weil er mit Gottes Möglichkeiten in allen menschlichen Unmöglichkeiten rechne.

 „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt das Sprichwort. „Gott selbst wird Tränen trocknen. Und ganz neues Leben schenken“, sagt die christliche Hoffnung.

Es bleibt ein Wunder, dass staunend und dankbar angenommen, aber auch gedankenlos oder begründet abgelehnt werden kann, wenn der liebende und befreiende Geist Gottes für alle Neues und Unerwartetes ans Licht bringen will. Und ein aufgeklärter Mensch freiwillig und glaubwürdig, mit Freude und wie selbstverständlich die sichtbaren Früchte des unsichtbaren Glaubens als lebendige Verantwortung vor Gott und dem Nächsten wahrnimmt – würdevoll und in fester Zuversicht.

Burkhard Budde

Glaube

Glaube

Auf ein Wort

Suche gute Tugend: Glaube

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Suche gute Tugend: Glaube 

Ist die alte christliche Tugend Glaube heute noch alltagstauglich und lebensdienlich?

Nimmt der Kreis der Leugner Gottes, der Skeptiker Gottes, der Gegner Gottes, der Ignorierer Gottes zu? Haben sich Gottsucher und Gottdeuter aus der Öffentlichkeit verabschiedet? Fristet der lebendige Glaube an einen persönlichen Gott, der in einem Gläubigen wirkt und ihn prägt, trägt und erneuert, die Welt sogar verändert, ein Nischendasein? Ist der Glaube durch Vernunft und Wissenschaft sowie durch Kritik an kirchliche Autoritäten entzaubert worden? Oder kann christlicher Glaube als ein erneuertes und neues Angebot Menschen, die in der Moderne leben, wieder neu erreichen und „verzaubern“, eine Deutungshilfe, vielleicht sogar Lebenskraft sein?

Immer wieder fragen Kritiker Gottes angesichts großer und kleiner Katastrophen, von Kriegen und Konflikten, von Leid und Tod: Wo warst du, „allmächtiger Gott“?! Wie konntest du das zulassen, „barmherziger Gott“?! Warum bin gerade ich betroffen, „gerechter Gott“?!

Auf der Straße des Lebens gibt es viele überraschende Stolpersteine, die wachrütteln und die Balance gefährden, existenzielle Schlaglöcher, die Gewissheiten brüchig und rissig machen, aber auch tiefe Abgründe des Bösen, der Gewalt, des Hasses und der Grausamkeiten, die sich nicht selten als „notwendig“ und verführerisch, als „schöne und befahrbare Straßen“ tarnen.

Aber der gelebte Glaube an Jesus Christus ist keine blinde und ziellose oder wahnsinnige und zerstörerische Geisterfahrt einer Moral, die die Vernunft unvernünftig macht, eines Dogmas, das das eigene Denken verbietet, einer Tradition, die verkrustet und leer ist – keine Bevormundung, kein Zwang, keine Unmündigkeit.

Gelebter Glaube ist auch nicht mit einem Oldtimer zu vergleichen, der eigentlich überflüssig geworden ist, wenig alltagstauglich und bei Auseinandersetzung mit dem kritischen Denken wenig hilfreich.

Ein denkender Glaube, der weit genug denkt, ist zudem kein leichter Weg, kein Königsweg eines leid- und konfliktlosen Lebens ohne Widersprüche, Spannungen, Ohnmachtserfahrungen, Brüche und Rätsel. Denken wir nur an Jesus im Garten Gethsemane vor seiner Kreuzigung, der leidet, Angst hat, zweifelt, sich jedoch im Gebet hin zum Willen und in die Hand Gottes bewegt: „Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Und keine Erklärung, aber das Geschenk der letzten Geborgenheit, die unsichtbare und mittragende Hand Gottes, erfährt, Trost, Zuversicht und Kraft – trotz allem. Ohne den Glauben, ohne Gottvertrauen auf Sinn – wenn auch (noch) versteckt –  wäre nur nackte Verzweiflung geblieben, eine Absurdität des Leidens.

Gott kennt keinen absurden Unsinn. Wenn er dem Menschen, seinem geschaffenen „Partner“,  die Wahlfreiheit zwischen Verantwortung im Geist der Liebe und dem Bösen im Geist der Zerstörung geschenkt hat, sollte man ihn nicht zu einem Blitzableiter machen, wenn der Wagen des Friedens und der Freiheit zum Beispiel von Diktatoren vor die Wand gefahren wird. Denn Gott kann dem Menschen nicht gleichzeitig Freiheit geben und nehmen, wohl aber den Menschen eines Tages zur Rechenschaft ziehen.

Christlicher Glaube ist – siehe das Beispiel Jesu – zugleich ein spiritueller Energielieferant durch das Gebet und ein spiritueller Beziehungsmotor durch das Hören auf sein Wort. Seine Botschaft bietet zwar keine einfachen Lösungen in aktuellen Fragen, wohl aber ist sie ein Hinweisschild, eine Haltung, sich für die Würde aller Menschen sowie für ihre Freiheit in Sicherheit, für einen gerechten und stabilen Frieden einzusetzen – in der Welt und vor der eigenen Haustür.

Burkhard Budde