Reformation

Reformation

Zum Reformationstag

Das Herz im Herzen

Von Burkhard Budde

Das Herz im Herzen 

Kann Gott das Herz eines Menschen zum Schlagen bringen? 

Hat das reformatorische Erbe eine Chance, die Gegenwart zu verändern und eine Zukunft im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe zu eröffnen? 

Wird der reformatorische Schlachtruf „Allein“ überhaupt noch gehört? 

 „Allein die Schrift“ („Sola scriptura“) kann einen Zugang zur Quelle neuen Lebens schaffen.

Die Botschaft der Bibel ist geistliche Quelle, aber auch ethischer Kompass und normative Instanz christlicher und kirchlicher Existenz. 

„Allein durch Gnade“ („Sola gratia“) kann die geistliche Quelle entdeckt werden.

Es ist ein Geschenk des Geistes Gottes, sich in dem mitleidenden und selbstleidenden Gott geborgen zu wissen, sich vor dem freien und freimachenden Gott verantworten zu müssen und durch den gnädigen Gott auf Erlösung und Vollendung zu hoffen. 

„Allein durch den Glauben“ („Sola fide“) können leere Hände durch das Schöpfen aus der geistlichen Quelle mit neuer Gewissheit gefüllt werden.

Der Glaube an Jesus Christus ist das lebendige Gefäß, um aus der unsichtbaren Quelle zu schöpfen und ein christliches Leben und eine kirchliche Gemeinschaft zu suchen und zu finden. 

 „Allein Christus“ („Solus christus“) kann das Wasser neuen Leben, die grenzenlose und bedingungslose Liebe erfahrbar machen, die Gott ist und durch die Gott wirkt.

Jesus Christus ist selbst das Wasser des Lebens, das erhält und erneuert sowie im Meer des Lebens aus der Tiefe Kreise zieht. 

„Allein aus Liebe“ („Sola caritatis“) wird neues Leben mitten im Alltag möglich – in Dankbarkeit und Demut, im Vertrauen und in Vernunft, in Verantwortung und Leidenschaft. 

Dieser unverdienbare Herzschlag kennt am Ende eines sichtbaren Lebens  nur einen neuen schöpferischen Anfang. Nicht Verlogenheit, Trickserei, Neid, Gier, Angst, Unvernunft, Gleichgültigkeit oder der Unglaube haben das letzte Wort, sondern das Herz im Herzen  – Gott, der frei und souverän ist sowie als Urheber, Begleiter und Sinngeber allen Lebens letzte Geborgenheit und letztes Ziel schenkt, den Herzschlag ewigen Lebens. 

Burkhard Budde

 

Toleranz

Toleranz

Auf ein Wort

Suche gute Tugend: Toleranz

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Suche gute Tugend: Toleranz 

Ist die Tugend Toleranz noch alltagstauglich und lebensdienlich?

„Was bedeutet überhaupt Toleranz?“ fragt ein liebenswürdiger Igel, der bei Streitereien nicht gleich unter die Decke gehen, sondern besonnen und gelassen bleiben will.

Bei der Suche nach einer toleranten Haltung trifft der Igel im Wald auf eine Schlange, die ihm ins Ohr flüstert: „Wenn du deine Ruhe und wenig Stress haben willst, dann musst du deine Meinung verschweigen und deine Stacheln ablegen, da sie nur provozieren.“ Aber das will der Igel nicht und läuft weiter. Seine Stacheln gehören zu ihm wie die Luft zum Atmen.

Auf dem Weg durch den Wald sieht er einen farbenprächtigen Vogel auf einem Baum sitzen, der stolz und laut zwitschert: „In meinem Reich erlaube ich dir, deine Meinung zu sagen, solange du dich nach meinen Melodien bewegst.“ Aber das empfindet der Igel als beleidigend und verschwindet hinter dem nächsten Baum. Er möchte auch seine eigene Melodie anstimmen dürfen.

Da begegnet dem Igel ein Fuchs, der Klartext redet: „Deine Meinung interessiert mich nicht. Nur wenn du meiner Meinung zustimmst, wirst du überleben“. Aber sein eigenes Wissen und Gewissen auf dem Altar einer totalitären Herrschaft eines Fuchses zu opfern, widerspricht dem freiheitsliebenden Igel, der schnell das Weite sucht.

Schließlich kommen auf den Igel Wölfe im Schafsfell zugelaufen, die ihn überreden wollen, einen Mantel der Toleranz zu tragen, um andere Geschöpf leichter täuschen, ausbooten und vernichten zu können. Aber das kommt für den Igel überhaupt nicht in Frage. Er will sich selbst auf einer Wasseroberfläche erkennen können; er will kein Schaf, kein Wolf sein. Er läuft und läuft weiter.

Eines Tages erreicht er eine Lichtung, die mitten im Wald liegt. Der Igel hält inne und fragt sich: „Bin ich nur dann tolerant, wenn ich alles erdulde, ertrage, erlaube, akzeptiere? Gibt es nicht auch Grenzen der Toleranz?“ Auf dieser Lichtung lernt er einen neuen Geist kennen. Er stellt fest, dass es einen realen Traum gibt: kein Kuscheltier sein zu müssen, das zu allem Möglichen und Unmöglichen Ja und Amen sagt; kein Raubtier, das andere frisst, bevor es selbst gefressen wird; kein Gewohnheitstier, in dem viel Trägheit und feste Vorurteile wohnen; kein Faultier, das keine Lust auf Bewegung und geistigen Austausch hat; kein Anpassungskünstler, der nur am eigenen Überleben und Vorteil interessiert ist; sich nicht einigeln zu müssen, sondern selbstbewusst den Weg der Freiheit zu wagen, auch wenn er anstrengend ist.

Dass Toleranz für alle eine aktive Haltung bedeutet – die Achtung der Würde und Freiheit des Andersdenkenden; das Ertragen von unterschiedlichen Meinungen auch der Anderslebenden.

Denn Toleranz, so seine Erfahrung, bedeutet auch eine mutige Provokation – keine Akzeptanz oder Gleichgültigkeit gegenüber Intoleranz, die die Würde mit Füßen tritt oder durch Schläge unter die Gürtellinie verletzt, die Feindseligkeit und Gehässigkeit unter den Teppich zu kehren versucht oder die vor Doppelmoral und Ungerechtigkeit ängstlich die Augen verschließt.

Auf der Lichtung scheint für alle die Sonne und für alle regnet es. Und alle können ihre Verantwortung für die Lichtung wahrnehmen, auf der Koexistenz, Zusammenarbeit und Zusammenleben möglich sind. Wenn, ja wenn sich möglichst viele wie der Igel mit seinem Stachelkleid verhalten – wehrhaft und mit stacheligem Rückgrat, damit die Lichtung frei bleibt, alle die Wahrheit im fairen Wettstreit der Meinungen suchen, Meinungsverschiedenheiten aushalten sowie tragfähige, nicht faule Kompromisse finden können. Damit die Macht der Finsternis des Waldes nicht übermächtig wird und die Macht der Lichtung mit ihrer Toleranz, Freiheit und Vielfalt nicht ohnmächtig, sondern eine reale und nachhaltige Zukunft behält.

Burkhard Budde

Säkularer Staat

Säkularer Staat

Auf ein Wort

Säkularer Staat mit christlichen Wurzeln

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort 

Säkularer Baum mit christlichen Wurzeln 

Kann der säkulare Staat, in dem wir leben, mit einem Baum verglichen werden, dessen Krone mit unterschiedlichen und vielfältigen Ästen, Blättern, Blüten sowie Früchten wächst?

Manche Früchte sind schmackhaft, andere faul – je nach Sichtweise und Geschmack. Dicke Äste, die noch härter werden, können von morschen Ästen unterschieden werden, die gar nicht so recht zum Baum passen. Attraktive Blüten welken und werden bedeutungslos; neue Blüten bringen viel Frucht. In der Krone gibt es viele flatterhafte und launische Blätter, die vom Wind der Zeit zu Boden fallen, vergehen und vergessen werden, da sie keiner stabilen Gemeinschaft oder Institution (mehr) angehören. Und der Sturm der Gleichgültigkeit und Gedankenlosigkeit gegenüber dem Wohl des ganzen Baumes verstärkt die Atomisierung und Autonomisierung der Krone: Viele „Geschöpfe“ und „Besucher“ des Baumes wollen einfach nur „Chefs“ ihrer eigenen „Wohlfühloase“ sein, zwar solidarisch, aber nur mit Gleichgesinnten – ohne Austausch, ohne Auseinandersetzung, möglichst ohne „schwierige Nachbarn“ in der Krone des Lebens.

Aber wie kann die Vielzahl und Vielfalt in der bunten Krone zusammengehalten werden? Wie können Unterschiede ertragen und vielleicht auch ausgetragen werden, damit sie für das eigene Denken und Verhalten sowie für den ganzen Baum konstruktiv und produktiv wirken? Oder reicht es, wenn die Vielfalt einfach unverbunden nebeneinander existiert?

Um diese Fragen beantworten zu können, braucht der säkulare Baum zunächst eine Selbstvergewisserung, damit der gemeinsame Stamm Halt und Orientierung, Schutz und Leben für alle bieten kann. Und ohne Stamm können die unterschiedlichen Äste auch nicht interagieren, wenn sie es denn überhaupt wollen.

Zur pluralen Krone des säkularen Baumes gehört ein gemeinsamer Stamm, der historisch gewachsen ist:

Die Menschenwürde, die unantastbar, unverlierbar, unverfügbar und unteilbar ist. Sie schließt zum Beispiel Folter und Todesstrafe aus, aber auch Judenhass und Verherrlichung von Gewalt. Die Würde gilt allen Menschen – zum Beispiel geborenen und ungeborenen Menschen; Menschen mit Beeinträchtigungen und Krankheiten, aber auch Sterbenden und strahlt sogar durch eine würdige Abschieds- und Bestattungskultur über den Tod hinaus.

Die Religionsfreiheit, die das öffentliche Bekenntnis, die freie Wahl, die Abwahl, den Wechsel einer Religion umfasst, aber auch die Ignoranz gegenüber einer Religion. Der säkulare Staat respektiert und schützt religiöse Traditionen wie Sonntagsruhe und christliche Feiertage, die er als sein kulturelles Gut wahrnimmt. Er behandelt die Religionen und Weltanschauungen gleich; er ist überparteilich, aber nicht wertneutral. Sonntagsruhe und christliche Feiertage gehören zu seinem kulturellen Erbe.

Die Trennung von Staat und Kirche/Religion, die historisch gewachsen ist und im kooperativen Trennungsmodell („Körperschaft des öffentlichen Rechts“, Zusammenarbeit z.B. im Blick auf diakonische und caritative Angebote der Kirchen) zum Ausdruck kommt, bedeutet grundsätzlich beispielsweise den staatlichen Verzicht auf die Bestimmung von religiösen Inhalten des Religionsunterrichtes (RU) im Rahmen der Werte des Grundgesetzes, wohl aber die organisatorische Ermöglichung des RU.

Ferner gehören Gleichberechtigung, Gewaltenteilung, Gewaltmonopol des Staates, unabhängige Justiz, freie Medien und Föderalismus zum „gemeinsamen Stamm“ – um weitere wichtige Themen zu nennen.

Entscheidend ist jedoch, dass der Stamm Wurzeln hat, eine Kraft- und Energiezufuhr aus der Tiefe des Erdbodens, die der ganze Baum mit seiner bunten Krone braucht, um zu (über-)leben:

Die Würde, die in der Gottesebenbildlichkeit wurzelt, damit sie unverfügbar bleibt.

Ein Bewusstsein, das in der Verantwortung vor Gott wurzelt, damit es zu keiner Vergöttlichung, zu keinen totalitären Absolutheitsansprüchen kommt.

Eine Politik, die im Boden christlicher Werte wurzelt, damit die Freiheit zur Vernunft und zur Liebe, zur Solidarität und Gerechtigkeit eine reale Chance behalten.     

Burkhard Budde

Gerechtigkeit

Gerechtigkeit

Auf ein Wort

Suche gute Tugend: Gerechtigkeit

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Suche gute Tugend: Gerechtigkeit 

Ist die alte Tugend Gerechtigkeit heute noch alltagstauglich und lebensdienlich? Oder ist „Gerechtigkeit“ zu einem allgemeinen Containerwort geworden, in das jeder seine Vorstellungen von einem gerechteren Leben füllen kann? Zu einer politischen Seifenblase, die in der Luft bzw. in der Theorie in allen Farben schillert, aber bei der Berührung mit den harten und komplexen Realitäten platzt? Zu einem warmen Kleid, dass bei sozialer Kälte angezogen, aber in der Hitze des Gefechts je nach Mehrheits- und Machtoptionen ausgezogen wird? Oder ist Gerechtigkeit zu einem Deckmantel geworden, um im Namen von Gerechtigkeit keine Krümel, sondern möglichst die leckeren Rosinen vom öffentlichen Kuchen zu ergattern?

Die Nerven vieler liegen blank, wenn das Gespenst Ungerechtigkeit auftaucht: Die zu schlechte Note, das zu geringe Gehalt, das zu kleine Erbe, die ausbleibende Karriere, die fehlende Wertschätzung, die angebliche Bevorzugung anderer sowie vieles mehr – alles Schikane, alles ungerecht?!

Die alte Tugend der Gerechtigkeit, die sowohl die ausgleichende Gerechtigkeit als auch die austeilende Gerechtigkeit umfasst, also eine gleiche Behandlung etwa beim Tausch von Gütern fordert und jedem das Seine zuteilen will, scheint aktueller denn je zu sein.

Diese Tugend ist wie ein Mosaik aus vielen Facetten, das nie fertig, sondern stets bearbeitet werden muss, da sich ihre Teile im Laufe der Zeit verändern, Risse und Brüche bekommen können und stets aktualisiert, d. h. in einer neuen Situation neu bedacht werden müssen:

Zum Mosaik gehört eine faire Behandlung. Ein fleißiger und leistungsstarker Schüler beispielsweise hat eine bessere Note verdient als ein Mitschüler, der sich auf die faule Haut legt. Wenn ein Lehrer in der Notengebung alle Schüler gleich behandeln würde, würde er keinem Schüler mehr gerecht, Lern- und Entwicklungsleistungen bestrafen und die „Leistung“ ohne Anstrengung oder Gleichgültigkeit belohnen.

Ein weiterer Mosaikstein sind gleiche Bedingungen und reale Möglichkeiten. Neben der Gleichheit aller vor dem Gesetz muss es in einer fairen Leistungsgesellschaft im Gegensatz zur Feudalherrschaft oder Gruppengesellschaft gleiche Chancen geben aufzusteigen, gleiche Bildungsangebote zu bekommen, einen gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern zu erhalten und in der medizinischen Versorgung gleich behandelt zu werden, d.h. zu bekommen, was der Patient zu seiner Genesung wirklich braucht.

Zudem sind angemessene Beiträge des einzelnen für das Gemeinwohl und die allgemeine Infrastruktur sowie die Mit- und Nachwelt untrennbare Teile des Mosaiks, da sonst (weitere) Gerechtigkeitslücken entstehen würden und das ganze Mosaik auseinanderbräche. Ohne eine echte Leistungs-, Chancen-, Generationen- und Verteilungsgerechtigkeit könnte es keine solidarische Bedarfs- und Befähigungsgerechtigkeit geben, die den wirklich Bedürftigen hilft.

Bei der Suche nach einem gerechten Ausgleich der unterschiedlichen Mosaiksteine spielen individuelle Freiheit und Eigenverantwortung sowie die gemeinsame Verantwortung  für das ganze Mosaik eine zentrale Rolle. Und auch im Alltag bleiben Fairness, Verhältnismäßigkeit sowie eine konstruktive und solidarische Grundhaltung ein Balanceakt mit Priorisierungen bei der Bearbeitung der einzelnen Steine wichtig. Aber ohne diese ständige Suche nach Gerechtigkeit gäbe es keinen Frieden in Freiheit und Sicherheit, keine gerechte Einheit in Vielfalt – kein humanes und soziales Mosaik, das ausgleichend und austeilend wirkt.

Und wer die Gerechtigkeit Gottes sucht, muss nicht mit gefüllten und starken Händen, mit korrektem Denken und selbstgerechter Haltung vor Gott treten, sondern kann in Dankbarkeit und Demut seine entleerten und leeren Händen von Gott mit bedingungsloser Liebe füllen lassen.                                                                        

Burkhard Budde

Liebe

Liebe

Auf ein Wort

Suche gute Tugend: Liebe

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Suche gute Tugend: Liebe 

Ist die alte Tugend Liebe heute noch alltagstauglich und lebensdienlich? Oder ist Liebe zu einem Schein-Wort geworden, das das Glück zweier Menschen nur vortäuscht und deshalb enttäuschen muss – vielleicht am Anfang ein Feuer des Glücks entfacht, aber sehr schnell als Strohfeuer endet?

Kann Liebe trotz Frustration das Glück neu herbeizaubern? Bleibt echte Liebe ein Schlüsselwort für eine glückliche Beziehung, vielleicht sogar ein Generalschlüssel, der neue und weite Räume des Glücks aufschließt? Und aus der engen Gefangenschaft einer kühlen Vernunft und heißer Gefühle herausführt? Ist wahre Liebe ein ewiger Jungbrunnen, aus dem immer wieder neu wahres Glück geschöpft werden kann?

Zur Liebe, sagt die „allgemeine Erfahrung“, gehören Vertrauen und Verantwortung, Leidenschaft und Vernunft. Doch die individuelle Erfahrung kann ganz unterschiedlich sein: Was den einen Partner sehr schnell verletzt, kann für den anderen eine unbedachte Lappalie sein. Deshalb empfiehlt der „gesunde Menschenverstand“, miteinander über Probleme zu sprechen: Probleme nicht ständig zu unterdrücken, herunterzuschlucken oder wegzulächeln, damit Ungesagtes nicht plötzlich explodiert oder die Liebe in Flammen aufgeht. Nicht jede Gefühlsregung muss heiß auf einem goldenen Teller serviert werden. Nicht jedes Wort muss übergenau auf die Goldwaage gelegt werden. Aber spätestens wenn immer wieder undifferenziert alte Kamellen aufgetischt werden, Konkurrenz- und Neidgefühle sowie Rachegedanken Risse im eigenen Selbstwertgefühl hervorrufen, hilft kein Schweigen mehr, sondern nur ein offenes und ehrliches Gespräch im gegenseitigen Respekt.

Zum Geheimnis christlicher Liebe zählt zudem das Verzeihen lernen, indem zum Beispiel – nach einer Phase der emotionalen Abkühlung – bei der aufrichtigen Bitte um Entschuldigung im gegenseitigen Austausch der Gefühle und Gedanken die Sichtweise des anderen leichter verstanden wird. Um dann das Zerstörerische, das in der Seele Angst und Panik verbreitet, loszulassen, wobei Platz geschaffen wird für einen Neuanfang auf Augenhöhe – als Voraussetzung für einen gemeinsamen Neuanfang oder wenigstens für einen stabilen Kompromiss.

Der Glaube an die vorauseilende Liebe Gottes, die allen Menschen gilt, ist kein Für-wahr-halten leerer Versprechungen; kein Glauben an einen Oldtimer, der eigentlich überflüssig ist, auf jeden Fall wenig alltagstauglich; auch kein Glauben an eine Geisterfahrt, indem blind einer Moral, die bevormundet, einem Dogma, das lebensfern ist, einer Tradition, die leblos ist, gehuldigt wird.

Der Glaube an Jesus Christus – deshalb „christlicher“ Glaube – verspricht zwar keinen leid- und konfliktfreien Königsweg, wohl aber erschließt er z. B. im Gebet eine Energiequelle, die kostenlos Kraft im Leben und für das Leben schenkt. Er wirkt wie ein Beziehungsmoto, der z. B. im aktiven Hören auf das Wort Gottes eine unsichtbare, aber erfahrbare Gemeinschaft zwischen Gott und Gottgläubigen ermöglicht.

Und in allen Beziehungskrisen von Liebenden, aber auch in allen anderen Konflikten von Menschen eine kluge Herzensbildung empfiehlt, den Vorrang der inneren Freiheit zur Liebe in persönlicher Verantwortung vor Gott und dem Nächsten – in jeder Lebenslage. 

Burkhard Budde