
Ein guter Arzt
Moment mal
Ein guter Arzt
Von Burkhard Budde

Hippokrates nennt Merkmale eines „guten Arztes“
Moment mal
Ein guter Arzt
Ein Mensch will ein guter Arzt werden. Im Traum sieht er wie durch einen Türspalt „kluge Köpfe“.
Einer von ihnen ist Asklepios, der griechische Gott der Ärzte, der stets einen von einer Schlange umwundenen Stab mit sich führt. Asklepios erzählt ihm, dass er im Tempel Eingebungen bekomme und deshalb schon vielen Kranken helfen konnte. Sein besonderer Stab gebe ihm Halt und Orientierung und stärke das Zusammengehörigkeitsgefühl der Ärzte. Und die Bedeutung der Schlange? Die Schlange kenne das doppelbödige und mehrdeutige Leben – sowohl Bedrohungen und Zerstörungen als auch Fürsorge und Schutz, Hilfe und Heilung. Sie verkörpere sein Anliegen: Das verborgene Wissen der Erdkräfte mit der unsterblichen Weisheit der Himmelskräfte zu verbinden.
Eine anderer „kluger Kopf“ erscheint im nächtlichen Film. „Ich bin Arzt“, stellt sich Hippokrates vor, der wohl um 460 vor Christus auf der griechischen Insel Kos geboren ist. Ihm sei das ärztliche Handeln, das Beobachten und Beschreiben von Krankheitssymptomen, Menschlichkeit und Empathie wichtiger als priesterliche Worte und Göttersprüche.
Und was einen guten Arzt ausmache? Hippokrates nennt Merkmale, die auch in dem nach ihm genannten Eid sowie später im Genfer Ärztegelöbnis von 1948 vorkommen; zum Beispiel:
Die Verordnungen des Arztes sollen zum Nutzen und nicht zum Schaden des Patienten getroffen werden. – Der Arzt soll mit Ehrfurcht und den Geboten der Menschlichkeit dem Leben und nicht dem Tod dienen; vor allem der Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit der Patienten. – Der Arzt soll Intimität und Privatheit seiner Patienten unbedingt achten sowie verschwiegen sein. – Der Arzt soll an seine Verantwortung denken, alle Patienten medizinisch gleich zu behandeln.
Der Mensch nickt zustimmend. Doch da geschieht im Traum eine unerwartete und unbekannte Katastrophe, die gar nicht aufzuhören scheint. Er sieht, wie Menschen vor einem gläsernen Haus mit klugen Köpfen Hilfe suchen. Manche werden vor der Tür abgewiesen. Andere, die es ins Haus geschafft haben, bleiben in ihren Betten auf dem Flur liegen. Maschinen, die mit Menschen verbunden sind, werden abgestellt. Menschen sterben. Er selbst steht vor der Tür und bittet eindringlich um Einlass. Doch er hört nur „Im Nachhinein werden wir klüger sein.“
Schweißgebadet wird er wach. War das nur ein Albtraum? Reichen Gelöbnisse im Ernstfall aus? Muss es nicht neue Gesetze und Berufspflichten für eine solche Katastrophe geben? Damit ein guter Arzt mit möglichen Tragödien und notwendigen Priorisierungen nicht als ohnmächtiger Halbgott alleingelassen wird? Sondern gemeinschaftlich menschlich, verantwortlich, klug und „gut“ handeln kann?
Burkhard Budde
Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 22.1.2022 in der Kolumne „Moment mal“