
Führung
Auf ein Wort
Führungspersonen gesucht
Von Burkhard Budde

Auf ein Wort
Führungspersonen gesucht
Welche Führungspersönlichkeiten brauchen wir? Und welche wünschen wir uns in Staat und Gesellschaft?
Die Beantwortung hängt sicherlich von der Aufgabe und der Situation ab. In einem Krankenhaus zum Beispiel sind im Operationsbereich andere Personen gefordert als in der Verwaltung. In einem Unternehmen trägt der Vorstand eine Gesamtverantwortung; jeder Mitarbeiter „nur“ eine Teilverantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg. In einem gemeinnützigen Verein gibt es zwar einen Vorstand, aber er kann keine ehrenamtlichen Mitstreiter „einfach“ verpflichten, bestimmte Tätigkeiten auf Dauer wahrzunehmen. Und wenn es brennt, kann sich keine Feuerwehrführung lange Diskussionen leisten; es muss vielmehr sofort gehandelt werden. In allen Lebensbereichen ist anzuerkennen, wenn Menschen Verantwortung übernehmen, Gesicht zeigen, ihren Kopf in brenzligen Situationen hinhalten, nicht einziehen und auch nicht ihre Verantwortung im Alltagsgeschäft wie Zucker im Tee verschwinden lassen.
Das gilt auch für Führungspersönlichkeiten in einer freiheitlichen und parlamentarischen Demokratie – in einer Staats- und Lebensform, in der politische Herrschaft durch freie Wahlen legitimiert und zeitlich befristet ist, Menschenrechte und Gemeinwohlverpflichtung sowie die Gleichheit aller vor dem Gesetz Maßstäbe für alle sind; in der die Gewaltenteilung sowie das Gewaltmonopol des Staates gelten, damit Schwache geschützt und Starke kontrolliert werden können.
Zur demokratischen Führung gehört ein besonderer Dienst. Politiker disqualifizieren sich als demokratische Diener (lat. „Minister“ = Diener) selbst, wenn sie sich hemmungslos überschätzen, weil sie sich überlegen fühlen, wenn sie rücksichtslos giftige Pfeile gegen Andersdenkende schießen, weil sie meinen, bessere Menschen zu sein; wenn sie geschichtslos übermütig werden, weil sie sich als der Nabel der Welt verstehen. Demokratische Führung braucht keine autoritären Führer, auch keine scheinheiligen Verführer, keine unkritischen Mitläufer, die mal die politische Brechstange, mal die Moralkeule schwingen.
Aber – auf der anderen Seite – braucht unsere lernende Demokratie auch kein ängstliches Aussitzen von Problemen, keine Suche nach einem Sündenbock, der von eigenen Versäumnissen ablenken soll, kein Waschen der Hände in Unschuld, wenn proaktives und entschiedenes, wehrhaftes und solidarisches Handeln angesagt ist.
Vielleicht wird am Wahltag ein demokratischer Traum wahr: Es werden vertrauenswürdige Führungspersonen gewählt, die aus dem Volk kommen und für das Volk arbeiten wollen, mit denen viele sich gerne identifizieren, die ein politisches Rückgrat ohne Schere im Kopf und einen ethischen Kompass ohne ideologische Scheuklappen haben, die vor allem nicht nur Interessen-, Macht-, Wahrnehmungs- und Beziehungskonflikte moderieren und ausgleichen, sondern insbesondere pragmatisch und mit Sachverstand führen können, indem sie begründete Entscheidungen treffen – souverän und leidenschaftlich, unabhängig vom Parteien-, Gruppen- oder Netzwerkwohl sowie von einer Expertengläubigkeit, kompetent und vorausschauend, jenseits lähmender Einmütigkeit oder zerstörerischer Zänkerei, vielmehr ganz im Geiste der Würde des Grundgesetzes, im menschen- und gemeinwohlfreundlichen Bewusstsein der „Verantwortung vor Gott und den Menschen.“
Burkhard Budde