Tapferkeit

Tapferkeit

Auf ein Wort

Suche gute Tugend: Tapferkeit

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Suche gute Tugend: Tapferkeit 

Ist die alte Tugend der Tapferkeit heute noch alltags- und lebenstauglich? 

Ist es tapfer, mit den Wölfen zu heulen? Oder nur Feigheit? Die Kohlen aus dem Feuer zu holen? Oder nur Dummheit? Den Kopf in den Sand zu stecken? Oder nur Gleichgültigkeit? Aus sicherer Entfernung die Tugend der Tapferkeit zu fordern? Oder nur Heuchelei? Mit den Engeln zu singen, aber keine Verantwortung zu übernehmen? 

In jedem Fall brauchen zivilisierte Gesellschaften und wehrhafte Demokratien wahrhaft tapfere Menschen, die weder katzbuckeln noch kopflos sind, auch nicht die Hände in den Schoß legen oder sich nur raffiniert tarnen: 

Zum Beispiel Soldaten, die gegen einen brutalen Aggressor für die Souveränität ihres Landes kämpfen. Polizisten, die sich für Recht und Ordnung sowie den öffentlichen Frieden einsetzen. Vertreter freier Medien und einer unabhängigen Justiz, die Vetternwirtschaft – Bevorzugung von „Vettern“ ohne Qualifikation für eine Aufgabe – , Klientelismus – gegenseitige Abhängigkeit in einem Netzwerk zu Lasten anderer – , Korruption – Ämtermissbrauch zum eigenen Vorteil – aufdecken und vor Gericht bringen. Bürger, die Zivilcourage zeigen, indem sie sich gegen Ausgrenzung und Benachteiligung, Judenhass und Feindschaft engagieren, aber auch für die Meinungsfreiheit Andersdenkender eintreten, die anders denken als sie selbst. 

Und vergessen wir nicht die tapferen Helden des Alltags, die das Tal der Tränen und Schmerzen, der Krisen und Konflikte im eigenen Umfeld als Herausforderung annehmen oder ihrem Nächsten aufopferungsvoll helfen. Oder dem Neid, der Bosheit, der üblen Nachrede sowie der Ungerechtigkeit die rote Karte zeigen.   

All diese tapferen Mitmenschen sind keine Exoten, sondern vorbildliche Ritter der Freiheit zur Liebe in persönlicher Verantwortung. Sie haben eine innere Stärke, weil sie ihren Nächsten, ihr Land und ihre Demokratie mit einem menschlichen und sozialen Gesicht  lieben. Sie zeigen Rückgrat und Haltung, indem sie in einer konkreten Situation sowohl konflikt- als auch kompromissfähig sind. 

Ein tapferes Leben beginnt mit dem Mut, den ersten Schritt zu wagen, auch wenn auf dem Weg viele Steine liegen. Und tapfer ist es, den steinigen Weg weiterzugehen, auch wenn man mit Steinen beworfen wird. Ohne dauerhaften Sinn jedoch ist es menschlich und kann sogar klug sein, wenn ein Tapferer auch neue Wege geht, zum Selbstschutz seinen eigenen Weg sucht, um Hilfe für andere anbieten oder ermöglichen zu können. 

Entscheidend ist es, das Richtige im richtigen Augenblick zu tun – ohne falsches Heldentum, Überheblichkeit, Selbsterhöhung oder Dummheit. Den jeweils richtigen Weg zu finden, braucht wachsende Mündigkeit, gereifte Weisheit, einen langen Atem und starke Nerven sowie effektive Mittel. Und eine zeitgemäße und menschengerechte Tapferkeit, die sich in der Gnade Gottes sowie der persönlichen Verantwortung vor dem Gott der Liebe und Freiheit geborgen weiß.

Burkhard Budde

Gutes Auto

Gutes Auto

Auf ein Wort

Suche gutes Auto

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Suche gutes Auto 

Manchmal wird es geliebt; häufiger ist es jedoch beliebt. Um von A nach B zu kommen, wird es gerne der Bahn vorgezogen. Denn wenn es um zuverlässige Zeitplanung und Sparsamkeit geht, kann das Auto als Transport- und Fortbewegungsmittel der Bahn überlegen sein.

Doch es gibt unterschiedliche Erwartungen; hier einige Stimmen: „Mein Auto muss alltags- und freizeittauglich sein. Werktags möchte ich zuverlässig und sicher zu meiner Arbeitsstätte kommen; am Wochenende unabhängig und flexibel sein, Besuche oder Ausflüge machen.“ „Wichtig ist für mich als Normalverdiener, dass beim Autokauf die Kosten stimmen. Und die Sparsamkeit eines Autos angesichts teurer Kraftstoffe.“ „Ein Auto muss für mich keine Modepuppe auf vier hohen Rädern sein, wohl aber muss es mir gefallen. Und nicht wie eine Spaßbremse wirken, die zum Lachen in die Garage gefahren werden muss.“ „Beim Kauf habe ich auf Bequemlichkeit, aber auch auf die Technik geachtet, zum Beispiel auf Assistenzsysteme, Internetzugang und Navigation. Allerdings werde ich irritiert, wenn bei jeder Gelegenheit ein Piepen zu hören ist und ich das Gefühl habe, ich werde von einem unsichtbaren Schulmeister ermahnt“.

Was ein „gutes Auto“ ist, ist nicht nur Sache der persönlichen Erwartungen und des Geschmacks sowie des eigenen Geldbeutels, sondern auch des individuellen Gefühls, ausgerechnet mit diesem Auto – z.B. dem VW Golf als meistzugelassenes Auto in Deutschland – frei, unabhängig und mobil sein zu können, um aus dem Tal der Langeweile und Einsamkeit zügig herauszukommen und mit Freude beim Fahren sozusagen auf der Überholspur des Alltagslebens zu sein.

Das Auto ist mehr als ein beliebter Untersatz, der Freiheit atmet und sich fortbewegt; mehr als ein teures Statussymbol, das auf Erfolg und Wohlstand oder eine gesellschaftliche Position hinweist.

Es bleibt stets ein guter Diener des Menschen, der weder eine clevere Maschine noch ein algorithmisches System ist. Nur der Mensch kennt Wahrheiten, die formal nicht bewiesen werden können oder nicht berechenbar sind. Nur der Autofahrer selbst hat eine Intelligenz, die bestimmt, wohin er warum, wann und wie fährt – ob als Raser oder verantwortungsbewusster Fahrer, der die Straßenverkehrsordnung, die Straßenschilder oder die Straßenverhältnisse ignoriert oder sie achtet und verantwortungsbewusst – mit angemessener Geschwindigkeit – wahrnimmt. Selbst bei einem fahrerlosen Auto existiert im Hintergrund menschliche Verantwortung.

Das Auto kann zudem zu einem spirituellen Augenöffner werden, wenn ein Mensch die Autos auf der Autobahn beobachtet: Können sich hinter dem Geschehen auf der Autobahn Gesetzmäßigkeiten oder gar Naturgesetze verstecken? Er findet keine Antwort. „Muss alles Zufall sein!“ denkt er. Aber die Wahrheit ist: Jeder Autofahrer hat eine individuelle Intelligenz sowie einen persönlichen Willen und bestimmt das Ziel seiner Autofahrt.

Wenn der Mensch sogar ein Abglanz der absoluten Intelligenz und vollkommenen Weisheit Gottes sein sollte, dann wird jeder Mensch zu einem Träger einer unverlierbaren Würde und die Fähigkeit, Entscheidungen zu fällen und zu verantworten, nicht los. Als Teil der göttlichen Intelligenz kann er das Leben intelligent und verantwortungsvoll ins Rollen bringen – mal auf dem Fahrrad oder einem Motorrad, mal zu Fuß oder in einem für ihn guten Auto.

Burkhard Budde

Gute Musik

Gute Musik

Auf ein Wort

Suche gute Musik

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Suche gute Musik 

Lieder, besonders Ohrwürmer, werden gerne gehört, gesungen und mitgesungen. Musik, zum Beispiel zeitlose Klassiker oder Trendsongs, vermitteln häufig ein individuelles oder gemeinschaftliches Hörerlebnis. Und als Therapie kann Musik zum Königsweg der Kommunikation mit Menschen werden, die unter einer Demenz leiden.

Manche Zeitgefährten genießen „ihre“ Musik mit versteinerter oder bitterernster Miene. Und scheinen dennoch ihrer Alltagswelt wie verzaubert entrückt, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Andere sind von ihren Gesängen so begeistert, dass sie kein Halten und keine Rücksicht mehr kennen. Und produzieren ein ohrenbetäubendes, aber für manche auch mitreißendes Grölen.

Erfahrungen mit und durch Musik sind vielfältig: Musik kann Menschen berieseln und zum Einkaufen oder Konsumieren animieren. Oder einen würdevollen Rahmen einer Feier bilden, ihr Glanz und einen Kick geben. Als Türöffner der Seele vertreibt sie Trauergeister und Liebeskummer, aber auch Überheblichkeit und Aggressionen. Sie weckt bei vielen tiefe Gefühle, die die Seele verschrecken oder massieren können. Musik kann Motor der Veränderung sein: Der Ängstliche verliert das Zerstörerische seiner Angst; der Gestresste seinen selbst gemachten Zwang; der Grübler das lähmende Gift seiner Gedanken.

Als Brückenbauer zum Mitmenschen ist Musik in der Lage, Einsamkeit zu überwinden, eine Gemeinschaft zu stiften, mutig zu machen, die Reihen zu schließen sowie Gefahren und Angriffen zu widerstehen – man denke nur an das alte Kampflied der Reformation „Ein feste Burg ist unser Gott“.

Überhaupt ist Musik eine alltagstaugliche Energiequelle. Am frühen Morgen überwindet sie Müdigkeit und bringt manchen Hörer in Schwung. Am Abend hilft ein (Wiegen-)Lied, Stress abzubauen. Bei Konzerten oder anderen Musikveranstaltungen wird neue Kraft geschöpft, die Freude am Leben und im Leben vermittelt. Und sie hilft, unbekannte und unmessbare Quellen zu entdecken, die in einem Hörer selbst vorhanden sind, so dass er zum Klangkörper für andere wird.

Musik ist eben mehr als nur ein Produzent guter Laune oder als ein Ventil, um runtergeschlucktem Ärger Luft zu verschaffen. Musik sollte auch nicht als Instrument ideologischer Botschaften missbraucht werden. Musik muss auch kein überflüssiger Luxus sein. Sie ermöglicht vielmehr einen offenen und eigenen Weg zum Glück eines Menschen.

Aber was ist „gute“ Musik? Antworten fallen unterschiedlich aus, zum Beispiel: „Sie muss mir gefallen.“ „Mich in Stimmung bringen.“ „Meinen Kopf frei machen.“ „Mich froh und mutig machen.“ „Musik ist für mich zugleich Trostpflaster und sozialer Kitt.“ „Gute Musik“, so das Fazit, ist eine Sache des individuellen Geschmacks und frei interpretierbar. Aber wenn sie den ganzen Menschen in verschiedenen Situationen anspricht, positive Gefühle in ihm weckt, belastbare Brücken schlägt, neue Perspektiven und eine vertrauensvolle Gemeinschaft fördert – dann ist sie bestimmt „gut“. Auch wenn ein unmittelbares Hörerlebnis anstrengend sein kann, da manches „Gute“ erst durch die vorbehaltlose Begegnung mit der Musik offenbar wird. Und dann wie ein Schlüssel wirkt, der Räume des Glücks öffnet – wie religiöse Musik das Unsagbare zum Erlebnis macht und gleichzeitig die Räume der Musik entgrenzt. Denn der Gott, der das absolut Gute ist, ereignet sich im Wunder guter geistlicher Musik.

Burkhard Budde

Gute Richterin

Gute Richterin

Auf ein Wort

Suche gute Richterin

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Suche gute Richterin 

Viele Bürger versuchen, ihre Konflikte möglichst zeitnah sowie unter vier Augen oder im kleinen Kreis zu bewältigen. Bevor zum Beispiel bei Erb- oder Berufsstreitereien seelische Verletzungen passieren, setzen sie sich an einen Tisch, um sich friedlich und sachlich – ohne Hilfe von außen – zu einigen. „Wir sind ja erwachsen und schon groß“, erläuterte eine Konfliktpartei, „um im gegenseitigen Respekt und auf Augenhöhe Probleme zu benennen, zu besprechen und aus der Welt zu schaffen.“

Leider gelingt diese Lösung nicht immer.

Was tun, wenn Konflikte dramatisch eskalieren und alle Versuche mit Argumenten und Engelszungen gescheitert sind, eine Partei zum Beispiel eine andere über den Tisch ziehen will oder überhaupt nicht zum offenen und ehrlichen Gespräch bereit ist?

Kann die Justiz helfen? Und welche Erwartungen an die Justiz gibt es?

Fragen wir einmal „Justitia“, die Göttin der Gerechtigkeit, im Blick auf diese „Ultima-ratio“-Fälle, wenn alle Bemühungen um Klärung oder Ausgleich vergeblich waren oder sinnlos erscheinen?

Stolz und selbstbewusst erklärt Justitia ihr Selbstverständnis und ihre Aufgaben. „Ich bin unabhängig und neutral sowie unparteilich. Ich sorge für Fairness, indem ich beide Seiten zu Wort kommen lasse und – wenn es nötig ist – verschiedene Sachverständige oder Zeugen befrage, bevor ich mir ein unabhängiges Urteil erlaube“. Und dann weist sie auf ihre Augenbinde hin. „Die trage ich, um ohne Ansehen der Person urteilen zu können sowie stets die Gleichheit aller vor dem Gesetz zu beachten“. Die Verhandlung selbst sei ergebnisoffen. Wenn sie die Augenbinde absetze, wolle sie die Ungleichheit der Menschen und ihrer Situationen genau – ohne Scheuklappen und Schubfachdenken – erkennen und würdigen.

Doch welche Bedeutung hat die Balkenwaage in der linken Hand? „Bevor ich ein Urteil fälle“, erläutert Justitia, „muss ich abwägen, die Vorgeschichte, Bedingungen und Entwicklungen eines Streitfalls berücksichtigen, der häufig komplex, vielschichtig, mehrdeutig, dynamisch und kompliziert ist.“

Und warum steht Justitia mit einem Fuß auf einer Schlange? „Ich will verhindern, dass das Gift des Hasses und des Neides, der Gier und der Selbstsucht, der Doppelmoral und der Heuchelei das Gesetz des Denkens bestimmen“. Ganz allein die Werte und Normen sowie die Regeln und die Maßstäbe des Gesetzbuches – und darauf liegt die Schlange, die der Fuß der Justitia in Schach hält – bildeten das Fundament ihres Urteils, auch nicht ihre persönliche Meinung oder persönlichen Gefühle.

Und warum hält Justitia ein Schert in der rechten Hand? Ihre überraschende Antwort: „Im Rahmen der Gewaltenteilung einer Demokratie bin ich kein zahnloser Löwe. Mein Urteil bindet zum Beispiel die Gewalten, kann aber auch neue Freiheiten eröffnen“. Und mit dem Schwert der Urteilskraft könne sie selbst Unrecht und Recht leichter scheiden und unterscheiden sowie die Sach- und Gesetzeslage prüfen.

Allerdings brauche sie das Vertrauen aller. Und müsse sich deshalb vor einer Beauftragung zur Richterin und während der Zeit als Richterin in existentiellen Fragen und überhaupt mäßigen und in der Öffentlichkeit zurückhalten. Denn sonst verlöre sie als anerkannte und gute Richterin ihre Autorität.

Burkhard Budde

In Search of a Good Judge

Many citizens try to resolve their conflicts promptly and in private or small circles. Before emotional wounds occur in disputes over inheritance or the workplace, for example, they sit down together at a table to find a peaceful and reasonable solution – without outside help.
“We’re grown-ups,” explained one party in a dispute, “and mature enough to identify, discuss, and resolve problems respectfully and on equal footing.”
Unfortunately, such resolutions don’t always succeed.

So, what should be done when conflicts escalate dramatically, and all attempts at persuasion or reason have failed – when one party tries to take advantage of the other or is unwilling to engage in an open and honest conversation?
Can the justice system help? And what expectations do people have of it?

Let us ask “Justitia,” the goddess of justice, in reference to these “last resort” situations, when all efforts at clarification or reconciliation have failed or seem pointless.

Proud and confident, Justitia explains her self-image and her duties. “I am independent, neutral, and impartial. I ensure fairness by letting both sides speak and – if necessary – consult various experts or witnesses before forming an independent judgment.”
Then she points to the blindfold over her eyes. “I wear it so I can judge without bias and uphold the principle of equality before the law.”
The proceedings themselves are open-ended. When she removes the blindfold, she wants to recognize and acknowledge the inequality of people and their situations – with open eyes, free from prejudice or simplistic thinking.

But what is the meaning of the scales in her left hand?
“Before delivering a verdict,” Justitia explains, “I must weigh things carefully – take into account the history, circumstances, and development of a dispute, which is often complex, multi-layered, ambiguous, dynamic, and difficult.”

And why does she stand with one foot on a serpent?
“I want to prevent the poison of hatred and envy, greed and selfishness, double standards and hypocrisy from dominating human thought.”
Only the values and norms, the rules and standards of the law – and these are what the serpent lies upon, restrained under Justitia’s foot – form the foundation of her judgment. Not her personal opinions or emotions.

And why does Justitia hold a sword in her right hand?
Her surprising response: “As part of the separation of powers in a democracy, I am not a toothless lion. My judgment binds the other branches of power and can also open up new freedoms.”
With the sword of discernment, she can more clearly distinguish between right and wrong and examine the facts and the law.

However, she needs everyone’s trust. And that is why, before being appointed as a judge – and during her time in office – she must be moderate and reserved, especially in public and on fundamental issues.
Otherwise, she would lose her authority as a respected and good judge.

– Burkhard Budde

Guter Streit

Guter Streit

Auf ein Wort

Suche guten Streit

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Suche guten Streit 

Manchmal – unerwartet und unheimlich, überall, auch in den besten Kreisen – taucht das Gespenst des Streites auf. Selbst unter den Anhängern Jesu, dem „Friedefürst“, der von Feindesliebe und Versöhnung sprach, stritten sich die „Friedensstifter“, wer von ihnen wohl „der Größte“ im Himmelreich sei (siehe Mt. 18,1-4) – vielleicht auch wer der Tüchtigste, der Einflussreichste, der Mächtigste sei, wer in der ersten Reihe der Gesellschaft sitzen oder einen Ehrenplatz auf der öffentlichen Bühne beanspruchen darf. Und auf jeden Fall wer besonders beachtet und geachtet, mit Namen und Funktion genannt und mit Applaus bedacht werden sollte.

Heute gibt es darüber hinaus die verstörende Erfahrung, dass Streitsüchtige nervig und stressig sind, da sie ständig das Haar in der Suppe suchen und Probleme finden, die sie groteskerweise selbst (mit-) verursacht haben oder die es in Wahrheit gar nicht gibt.

Und auch Harmoniesüchtige – das andere Extrem – können wie lästige Fliegen anstrengend sein, da sie ständig die Sahne in der Suppe suchen, das Süße, Schöne und Glättende und dabei ihre Augen vor existierenden Problemen verschließen.

Beim Streit um jeden Preis, der durch geringes und ängstliches Selbstwertgefühl sowie selbstsüchtiges und selbstgerechtes Denken angefeuert wird, können vertrauensvolle Beziehungen zerstört, attraktive Gemeinschaften vergiftet werden und in die selbst gewählte Einsamkeit führen. Denn wer will schon mit einem Streithammel seine Lebenszeit vergeuden?!

Bei der Harmoniesucht, die auch konstruktive Kritik scheut wie der Teufel das Weihwasser, alles Unterschiedliche und Gegensätzliche unter den Teppich zu kehren versucht, schwelen jedoch Konflikte unter dem Teppich weiter, bis sie sich aggressiv und unkontrolliert bemerkbar machen. Denn was nicht ausgetragen wird, wird nachgetragen und alte Kamellen werden später in einem ganz anderen Zusammenhang aufs Butterbrot geschmiert, sind ungenießbar und machen sprachlos.

Aber wie reagiert Jesus auf den Streit seiner Freunde? Steckt er den Kopf in den Sand oder schlägt er mit der Faust auf den Tisch? Belehrt oder moralisiert er? Nimmt er Partei für den Besten?

Jesus mischt sich zwar in der überlieferten Geschichte ein, aber ganz anders, als viele es wohl erwartet haben. Er wechselt die Perspektive und lädt ein, den Streit aus der Sicht eines Kindes zu sehen:

Das Himmelreich erlebt nur der, der klein wie ein Kind wird – nicht kindisch, sondern vertrauens- und erwartungsvoll; sich nicht zum Kind zurückentwickelt, sondern sich wie ein Kind neugierig und wissbegierig weiterentwickelt; sich spontan und fröhlich auf Neues einlässt und sich nicht in Vorurteile, Feindbilder oder Machtkämpfe verrennt.

Dann wird die Frage nach dem Größten im Himmelreich überflüssig.

Dann stellen sich vielmehr kritische Fragen: Ist die Lebenszeit nicht ein Geschenk – zu kurz, zu kostbar, zu wertvoll als streitsüchtig und harmoniesüchtig, verbittert und ohne Gesicht, ohne eigene (selbst-)kritische Meinung durchs Leben zu laufen, ohne Sinn und Verstand, ohne Liebe und Vernunft? Aber auch ohne Staunen und Dankbarkeit? Ohne Umkehr und Perspektivenwechsel, Verstehen und Verständnis, um Verständigung vorzubereiten?

Wer bedenkt, dass Gott alle seine Geschöpfe mit liebenden Augen betrachtet und die Sonne über alle scheinen lässt, öffnet Türen, um in Würde und auf Augenhöhe streiten zu lernen, nicht mit dem Holzhammer, aber auch nicht mit Samthandschuhen, vielmehrt mit dem Florett liebender Vernunft nach gemeinsam verabredeten Regeln. Ein dienendes Instrument, das klärt, erklärt und aufklärt, wer am besten für eine „große Aufgabe“ geeignet ist, das differenziert und sachlich sowie fair und ehrlich bleibt, stets die Würde und Freiheit aller achtet, um Wahrheiten und Lösungen zu finden, die wie tragfähige Brücken begehbar sind und eine gute Zukunft für alle im guten Streit verheißt.

Burkhard Budde