Ehre

Ehre

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Menschen ehren?

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Menschen ehren?

Wer oder was wird geehrt? Und warum, wozu?

Zum Beispiel am Muttertag: Eine „gute Mutter“ wird vom „dankbaren Kind“ geehrt, weil die Mutter nicht nur an sich selbst gedacht hat, sondern auch ihre Lebenszeit mit ihm teilte. Das erwachsen gewordene Kind verteilt keine Noten oder nur goldene Worte, sondern bedankt sich aufrichtig für das „vorbildliche Beispiel“ der Mutter. Als Identifikations- und Leitfigur hat die Mutter zur eigenen Reifung und Mündigkeit beigetragen – trotz aller menschlichen Widersprüchlichkeiten und sozialen Spannungen. Und bleibt als Gesprächspartner und Wegbegleiter des Kindes in Rufweite.

Oder bei einer Ordensverleihung: Ein Bürger wird mit einem Orden vom Staat geehrt, weil er kein kopf- oder herzloser Zuschauer ist, auch kein knirschender und zerstörerischer Sand im Getriebe des sozialen, kulturellen oder wirtschaftlichen Geschehens, sondern bewegendes Schmieröl der Menschlichkeit, der Nächstenliebe und des Fortschritts. Durch den persönlichen Einsatz des Bürgers ist keine Sahne geschlagen oder oberflächliche Mittelmäßigkeit geschaffen worden, wohl aber konnten sich ein sozialer Zusammenhalt und geistige Einheitsbänder entwickeln. Und ansteckende Perspektiven – ein Gewinn für (fast) alle.

Doch was ist mit den vielen Nicht-Müttern oder mit den unbekannten Namen, die ebenfalls Respekt und Wertschätzung verdienen?

Nicht alle können öffentlich geehrt werden. Und überhaupt: Nicht alle Menschen wollen öffentlich geehrt werden. Manche möchten ohne öffentliche Geräuschkulisse hilfsbereit sein und mit gutem Beispiel vorangehen. Und ohne selbstbezogenes Vorteilsdenken („Was hab ich davon?“) und ohne soziales Genussdenken („Ich verteile gerne, solange ich selbst kein Opfer erbringen muss.“) der Allgemeinheit mit Freude dienen. Und verlassen deshalb ihre Kuschelecke der Selbstzufriedenheit und das Jammertal der Unzufriedenheit; suchen nicht ehrgeizig den Gipfel der Eitelkeiten oder die Wiese der Ehrsucht, sondern tun auf leisen Sohlen und unauffällig, ohne Hintergedanken, aber mit Rückgrat – wie selbstverständlich – ihre Menschen- und Bürgerpflicht.

Doch was ist mit den Nichtgeehrten, die eine verdiente öffentliche Ehrung als Triebfeder guter Taten und der Zivilcourage vermissen?

Eine Frau sagte mir: „Ein Zeichen des Dankes von meinem Kind hätte meine traurige Seele gut getan.“ Eine andere Frau, die sich ein Leben lang ehrenamtlich für eine Organisation eingesetzt hat, verriet mir. „Undank scheint mein Lohn gewesen zu sein.“ Ein Bürger, der sich in seiner Ehre verletzt fühlte, weil er trotz seines Einsatzes keinen Orden erhielt, vermutete: „‘Ehre, dem Ehre gebührt‘, scheint nur für Gleichgesinnte zu gelten.“ Und er dachte vielleicht dabei an die „Ehre“, die in der Geschichte an eine soziale Gruppe wie den Adel gebunden war und erst im 16. Jahrhundert zur Tugend einer ruhmreichen Tat des Einzelnen wurde. Allerdings auch bei Feigheit und Skandal wieder verloren werden konnte. Und bei kleinlichen „Beleidigungen“ zur Rache oder zum Duell führte.

Heute hat es jedenfalls kein selbstbewusster und aufgeklärter Mensch unbedingt nötig, öffentlich geehrt zu werden: Weil eigentlich Gott (allein) die Ehre gebührt, der dem Menschen seine unverlierbare Würde geschenkt hat. Wobei der Mensch öffentliche Anerkennung verdiente, der sich vorbildlich und beispielhaft für die Menschenwürde und die Menschenrechte einsetzt. Denn seine herausragende Leistung könnte durch eine demonstrative sowie würdige Ehrung Kreise ziehen. 

Burkhard Budde

Prävention

Prävention

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Mündiger Bürger

Von Burkhard Budde

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Schöne Gesichter

Schöne Gesichter

Moment mal

Schöne Gesichter

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Schöne Gesichter 

Menschen entdecken die schönen Gesichter des Lebens. Diese Gesichter sind keine leuchtenden Masken, die hässliche Fratzen  verstecken und täuschen, keine schützenden Masken, die man tragen oder ertragen muss, obgleich sie nicht risikofrei sind, auch bedeuten sie kein Dauerlächeln, um die eigene Unsicherheit zu überspielen oder dem Nächsten seine Zähne zu zeigen. Diese Antlitze sind vielmehr unmittelbar berührende Augenblicke zärtlichen Glücks, die die Augen und das Herz der Seele öffnen.

Zum Beispiel hat dieses schöne Gesicht ein Mensch im Wald entdeckt, wo er Ruhe und Stille sucht, um sich zu erholen, zu entspannen und neue Kräfte zu sammeln. Bewusst atmet er ein, aus und durch, verspürt seinen ganzen Körper, lauscht den unbekannten Liedern der Vögel, die scheinbar um die Wette zwitschern, hört dem leisen Gespräch der Bäume zu, die untereinander in geheimnisvoller Weise sprechen. Unbekannte Kräfte durchströmen ihn und bewegen seine Schritte. Er erlebt die Einheit mit der Natur, vor allem beflügelnde Gefühle wohliger Dankbarkeit, dass er lebt – neu, befreit und gestärkt leben darf.

Nach einer Bergbesteigung berichtet ein anderer Mensch Ähnliches. Was er vom Gipfel aus sieht, hat sein Herz geöffnet und zum Schlagen gebracht: Die wilde Schönheit, die wahre Erhabenheit, die unendliche Weite und die grenzenlose Freiheit sind nach der körperlichen Anstrengung ein ganz besonderes Geschenk – ein Gefühl des Glücks, das er mit den Naturgewalten teilt, weil er mit ihnen verschmolzen ist. Er ahnt, dass er selbst nur ein kleines begrenztes Rädchen eines großen offenen Systems ist, aber dass es dennoch oder gerade deshalb Sinn in seinem Leben gibt, einen unsichtbaren roten Faden. Dass angesichts dieses Glücks all die Probleme in den Tälern des Lebens winzig klein sind –  auf ihn warten können, weil er sie mit dieser Erfahrung leichter, gelassener meistern kann.

Auch das Meer mit seinen Wellen, die kommen und gehen, spielen und verführen, erfrischen und in Schwung bringen, Schätze enthüllen und verhüllen; mit seinen Urgewalten, die sich manchmal rächen, aber auch versöhnlich stimmen, die zerstören, aber auch Neues ermöglichen, spricht mehrere Sprachen, die mit der menschlichen Sprache nur bruchstückhaft und in Bildern zum Ausdruck gebracht werden können. Ist das Meer nicht wie eine  unerschöpfliche Urquelle des Lebens, eine sprudelnde Quelle der Faszination über die Tiefe und Weite, Grenzenlosigkeit und Unberechenbarkeit des Meeres, das Himmel und Erde zugleich verbindet und trennt? Oder wie ein unbekannter Zauberer, der verzaubert und entzaubert, neugierig auf seine Künste macht, wenn man in seine Welt eintaucht und sich immer wieder neu inspirieren lässt? Und der dann zahlreiche Wunder, etwas Unerwartetes, aber heimlich Erhofftes aus seinem Hut zaubert?

Solche oder ähnliche Gesichter schöner Glücksgefühle können helfen, hässliche Gesichter auszuhalten oder in Vernunft und mit Einsatz zu bekämpfen – angesichts toter Wälder, die wie Mondlandschaften wirken, schmelzender Gletscher, die wie nackte Ruinen um Hilfe rufen, oder vermüllter Strände, die als Müllkippe missbraucht werden.

Gefühle schöner Gesichter wecken das Nachdenken und beflügeln die Verantwortung. Und können sogar die Tür zum Raum der Hoffnung öffnen, dass der Schöpfer allen Lebens seine Geschöpfe als Teil seiner Schöpfung nicht im Stich lässt. Denn diese aktivierende und solidarische Hoffnung, ist selbst in der Ohnmacht und im Leiden gegenwärtig. Und bleibt im Gott- und Christusvertrauen sowie in der Glückseligkeit wirkmächtig.

Burkhard Budde

 

Kleiner Wurm

Kleiner Wurm

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Kleiner Wurm

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Der kleine Wurm 

„Bin ich fähig zur großen Liebe?“ fragte sich der kleine Wurm in einer ruhigen Minute. Da es ihn wurmte, im Nebel zu stochern, kroch er los, um eine Antwort irgendwo und irgendwie zu finden.

Da begegnete ihm ein schillernder Käfer. „Darf ich dich etwas fragen?“ sagte der Wurm. Aber der Käfer winkte ab. Er habe keine Zeit, raste weiter, ohne ihn auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, weiter als Mitgeschöpf zu beachten, geschweige denn mit seinem Anliegen zu achten.

Der kleine Wurm war zwar schüchtern, aber er suchte schon Gewissheit. Da tauchte plötzlich eine gefährliche Schlange mit einer gespaltenen Zunge auf. Der kleine Wurm erschrak. Er vergaß sehr schnell seine Frage, die ihn antrieb, wollte nicht gebissen werden und versuchte sich zu tarnen. Zum Glück hatte die anspruchsvolle Schlange überhaupt kein Interesse an dem kleinen Wurm, der nicht auf ihrem Speiseplan stand, ihr offensichtlich zu klein und zu unbedeutsam erschien.

Nach diesem Schrecken hatte der Überlebenskünstler eigentlich die Nase voll und wollte die Suche nach einer Antwort auf seine Frage aufgeben. Da sprach ihn ein Zwerg an, der von mächtigen Riesen zum Wurm gemacht worden war. „Du kommst gerade Recht. Kannst du nicht in die Herzen der Mächtigen kriechen?“ Aber der leicht verletzbare Wurm durchschaute, dass der Zwerg an Rachegefühlen oder vielleicht auch an Neidgefühlen nagte und ihn nur als Racheengel gebrauchen wollte. Und kroch weiter, weil er wusste, dass es auch Scheinriesen gibt, ein Zwerg auch giftig sein kann, vor allem jedoch, weil er immer noch an das Gute, an die große Liebe glaubte.

Der kleine Wurm verschwand in einem Apfel, der auf der Erde lag und ließ es sich schmecken. Da kam ein Tier auf zwei Beinen daher, hob den Apfel auf und warf ihn auf eine Wiese. Nein, der Wurm behauptete nicht, er könne jetzt fliegen, aber er zitterte an seinem ganzen weichen Körper.

Eigentlich hatte der Wurm in seinem Leben viel Glück gehabt. Ihm fehlten die Füße und doch kam er voran. Ihm fehlten die Fühler und doch konnte er Fingerspitzengefühl entwickeln. Ihm fehlte das Skelett und doch konnte er Rückgrat zeigen. In seinem Inneren herrschten jedoch Angst und Sorge, nicht zu überleben – vor allem vor den Vögeln aus der Höhe des Lebens, die seine Tiefe mit seinen Herausforderungen und Anforderungen selten nur kennenlernten, aber einen zusätzlichen Leckerbissen nicht verschmähten. Und vor den Anglern, die um ihres Erfolges und ihrer Anerkennung willen Würmer als schmackhafte Köder für wohlschmeckende Fische gebrauchten, als wären Würmer nur Mittel zum Zweck und hätten keinen Eigenwert.

Erst als der Wurm entdeckte, dass in jeder Beziehung und jedem Lebewesen – nicht nur in ihm selbst – der Wurm der Angst, nicht geliebt zu werden, stecken kann, fand er zu sich selbst und seiner Mitwelt. Und als er eines Tages schwer erkrankte und ein kleines Kind ihn von der Erde aufhob, zwischen seine Finger nahm, ohne ihn zu zerquetschen, ihn liebevoll ansah, fürsorglich ansprach und dann wieder ins Gras legte, ihm eine neue Chance zum Leben gab, verspürte er etwas von der schöpferischen und sinnstiftenden Liebe, die mehr als nur Überleben ist, und die er gesucht hatte. Die Gewissheit wuchs, dass er schon immer war, was er auch bleiben wird: Ein kleines Wesen mit angeborener und unverlierbarer Würde, weil unendlich geliebt, befähigt zur Besonnenheit und Vernunft – und zur Liebe.

Burkhard Budde

Menschlichkeit

Menschlichkeit

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Menschlichkeit

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort 

Menschlich bleiben

Amor, kein Unbekannter, begehrte Einlass. Doch die beiden Götter waren sich einig: „Den brauchen wir hier nicht“. Nur lernen, das dürfe er. Also hörte der kleine Gott der schalkhaften und überraschenden Liebe  den beiden Mächtigen zu.

Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, erklärte stolz ihre Aufgaben. „Ich bin unabhängig und sorge für Fairness. Schau dir diese Augenbinde an. Wenn ich sie trage, kann ich leichter ohne Ansehen der Person urteilen; wenn ich sie nicht trage,“ schmunzelte sie, „dann kann ich leichter in der Gleichheit aller vor dem Gesetz die Ungleichheit der Menschen entdecken“. Und welche Bedeutung hat die Balkenwaage? „Wenn ich jedem gerecht werden will, muss ich abwägen, Bedingungen und Entwicklungen berücksichtigen.“ Doch auch sie müsse sich dabei stets an Recht und Gesetz halten. „In diesen Büchern“ – und sie hielt Amor das Grundgesetz und Gesetzesbücher unter die Nase – „findest du Maßstäbe und Regeln, – den Rahmen, an den sich alle, auch ich selbst, halten müssen, damit  der Zusammenhalt bei aller Vielfalt und ein friedliches Miteinander möglich wird “.

Als Amor  versehentlich ihr Schwert, das sie in der rechten Hand hielt, berührte und dabei erschrak, sagte Justitia nachdenklich: „Ohne harte Strafen, die konsequent durchgesetzt werden, würde ich zum zahnlosen Löwen“. Doch mit dem Schwert der Urteilskraft gelinge es, leichter den Buchstaben vom Geist des Gesetzes sowie Recht und Unrecht  zu unterscheiden. Auch gehöre es zu ihren Aufgaben, die Schlange – Justitia stand mit einem Fuß auf ihr – daran zu hindern, ihr Gift des Neides, des Hasses und der Gier sowie des Gesetzesbruches zu verbreiten. Ungerechtigkeit und Unrecht zu überwinden und Gerechtigkeit, die ausgleicht und austeilt zu ermöglichen, sei ihr Ziel.

Jetzt erhob Libertas, die Göttin der Freiheit, ihre Stimme. „Ich vertrete ein natürliches Recht, das alle haben. Auch du, Amor, darfst deine Meinung unbefangen sagen, ohne Furcht vor Ersatzgöttern oder Halbgöttern, die keine anderen Götter neben sich oder sonstige Konkurrenz dulden. Setz diesen Hut auf als ein Zeichen, dass du kein unmündiger Sklave bist, auch kein unkritischer Mitläufer einer Religion, Moral, Weltanschauung oder einer Gruppe, sondern dass du ein aufgeklärter Sohn der Selbstbestimmung sein willst, der einen eigenen Mund hat und sein Leben eigenverantwortlich gestalten will.“ Wie eine Eule voller weiser Warnungen, ohne Eulen nach Athen tragen zu wollen, sprach Libertas noch von „Goldenen Zügeln“, „ideologischen Scheuklappen“, „Maulkörben“ und „Scheren im Kopf“, die es zu vermeiden gelte, um im Meinungskampf als Freier bestehen zu können.

Und dann reichte Libertas Amor noch ein Schwert, das dem Schwert der Justitia ähnelte, damit er frei von bevormundenden Lehren, leeren Normen, falschen Behauptungen  oder willkürlichem Handeln bleibe und im Kampf um die Freiheit gerüstet sei, Chancen-, Leistungs-, Bedarfs- und Generationengerechtigkeit zu suchen und umzusetzen. Als Amor irritiert wirkte, ergänzte Libertas: „Mit diesem Schwert der freien Vernunft kannst du Sachkritik von Schmähkritik unterscheiden, die Freiheit vor Beleidigungen, Hetze und Gewalt verteidigen sowie die Freiheit Andersdenkender sichern.“ Und dann kam ein weiser Satz: Vor allem solle Amor sein Selbst finden, wahren und entwickeln, stets die Freiheit im Respekt vor der Freiheit des anderen wählen.

Doch Armor, der genau zuhörte, trug eine Augenbinde. Als er sie abnahm, sah er keine Götter, sondern Menschen, die sich in ihrer Geschaffenheit, Unvollkommenheit und Begrenztheit nach einem Gott der Liebe sehnten. Und er traf mit zwei Pfeilen das Herz dieser Geschöpfe und Ebenbilder Gottes, damit sie mit hingebender Leidenschaft und persönlicher Verantwortung ihre Aufgaben wahrnehmen konnten. Denn nur mit coolem Kopf und brennendem Herzen werden aus Worten lebendige Taten.

Und auch ein Machtmensch bleibt ein Mensch.

Und Menschlichkeit ist keine Schwäche, sondern Stärke.

Burkhard Budde                       

Feindesliebe

Feindesliebe

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Feindesliebe?

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Den Feind lieben? 

Bei einem eiskalten Engel bekommt man schnell eiskalte Füße. Verständlich, wenn sich viele vom Acker machen. Bei einem geistlosen Fanatiker, der sich auch nicht von der kritischen Vernunft begeistern lässt, erscheinen Gespräche zwecklos. Und bei gut getarnten Maskenträgern besteht stets die Gefahr, über den Tisch gezogen zu werden.

Die Ohren dieser „Typen“, die manchmal auch in ein und derselben Person wüten, bleiben bei Appellen, sich doch anständig und zivilisiert zu verhalten, verschlossen. Und auch Christen sind keine Unschuldslämmer, insbesondere wenn man an die Forderung Jesu denkt, den „Markenkern“ seiner Botschaft: Liebet auch eure Feinde. Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, was tut ihr Besonderes, das tun auch die Heiden“. (Mt 5,44ff)

Sind Christen und Nichtchristen, die sich von der „Feindesliebe“ bewegen lassen, naive Träumer, religiöse Sonderlinge, politische Außenseiter? Gehören sie zu einer weltfremden Illusionsgemeinschaft?

Man sollte Jesus, der vom Geist Gottes erfüllt war, nicht missverstehen. Seine Botschaft knüpft an Realitäten an, setzt Feindschaft voraus, kennt Hass, Neid und Gewalt, Unbelehrbarkeit, Verlogenheit und Heuchelei. Und zurzeit Jesu hätten seine Freunde sowieso keine Chance gehabt, rechtlich Gehör zu finden; sie saßen sozusagen zwischen den Stühlen des jüdischen und des römischen Rechts. Aber dennoch oder gerade deshalb erscheint es Jesus offenbar wichtig: Kein Mensch soll zu keiner Zeit und an keinem Ort zum Glauben an ihn und an Gott gezwungen werden – wohl auch nicht mit einer Moralkeule, einem religiösen Holzhammer oder einem militärischen Schwert. Seine Botschaft von der Liebe Gottes gilt vielmehr allen Menschen, sowohl Freunden als auch Feinden – wie die Sonne für alle scheint. Und kann als Geschenk nur freiwillig im Gottvertrauen ergriffen und als unantastbare Würde begriffen werden.

Aktuell gibt es viele taube Ohren: Hemmungslose Mörder und machthungrige Verbrecher, skrupellose Drogenbosse und menschenverachtende Mafiabosse verachten nicht nur Rechtsstaat und Menschenrechte, sondern lassen sich auch nicht von Lichterketten oder Gebetskreisen beeindrucken.  Scheinbar bärenstarke und aggressive  Machtmenschen, die nur das Gesetz des Stärkeren kennen, kein Mitleid mit ihren Opfern  haben, verstehen nur eine glaubhafte Abschreckung, eine starke und wehrhafte „Feuerwehr“. Und würden einen „Frieden durch Selbstaufgabe“ nur als Einladung missverstehen, weitere zerstörerische Brände zu legen.

Aber in einer demokratischen Gesellschaft kann die „Feindesliebe“ eine Relevanz bekommen – nicht als politisches Rezeptbuch, eher als ethischer Wegweiser, als realistischer Spiegel und als Quelle mutiger Kraft zum Widerspruch: Wenn z.B. gegen Andersdenkende, Andersgläubige, Anderslebende beleidigend gehetzt wird; Völkermord verharmlost oder Verbrechen verherrlicht werden; ein Mensch – auch ein „Feind“ – zu Unrecht benachteiligt oder unfair behandelt wird.

„Feindesliebe“ will das Miteinander oder Nebeneinander  weder „versalzen“ noch „salzlos“ lassen. Als ein Schwert des argumentativen Geistes kann es das ganze Leben erneuern – durch eine gewalt- und angstfreie Auseinandersetzung, durch die Unterscheidung von Sachkritik und Personenkritik, durch eine Kompromiss- und Verständigungsbereitschaft, durch den Vorrang des Rechts vor dem Gesetz des Dschungels. Auch durch die Möglichkeit, dass aus Feinden Freunde werden können. Oder dass die Boshaftigkeit der Feinde ausgehalten, vor allem in Grenzen im Rahmen von Recht und Gesetz gehalten wird. Die Macht der Bosheit soll nicht auch noch ein freies Leben vergiften, spalten und ungenießbar machen.

Und im Glauben behält Gott als letzte Verantwortungsinstanz durch den Horizont seiner schöpferischen Liebe, der keine Grenzen kennt,  das letzte Wort.

Burkhard Budde