Machtkampf

Machtkampf

Moment mal

Machtkampf

Von Burkhard Budde

Ein Löwe symbolisiert Macht und Kraft.

Die Macht der Mächtigen

Wie mächtig sind Mächtige? Wer hat im Machtspiel das Sagen? Wer setzt sich wie durch? Wer bekommt den meisten Applaus?

Der König der Tiere – ein Löwe – beeindruckt durch Stärke. Wenn er brüllt, um seine Ansprüche hörbar zu machen, flößt er Ehrfurcht ein. Indem er Spuren seines Vorgängers gnadenlos zerstört, verbreitet er Angst und Schrecken. Um Beute zu machen, duckt er sich, pirscht sich an sein Opfer heran und wartet zum Sprung auf den richtigen Augenblick.

Der König des Waldes – ein Hirsch – punktet mit Kopfschmuck. Früher war er ein „Spießer“, jetzt zeigt er stolz sein prächtiges Geweih. Wenn er schreit, um sein Revier abzugrenzen und Nebenbuhler zu vertreiben, fordert er gleichzeitig blinde Gefolgschaft von seinem Gefolge. Er bleibt jedoch scheu und versteckt seine eigentlichen Absichten lieber im Dickicht.

Der König der Lüfte – ein Adler – fasziniert durch Flugkünste. Elegant schraubt er sich in die Höhe und zieht majestätisch seine Kreise. Wenn er mit seinen messerscharfen Augen blickt, ist Vorsicht geboten. Mit scharfen Klauen jagt er seine Beute, um sie zu vernichten. Er fühlt sich wie ein Mittler zwischen Himmel und Erde, unverwundbar und unerreichbar.

Der König der Meere – ein Hai – lässt den Atem stocken, wenn er auftaucht. In der Tiefe und Weite des Meeres bewegt er sich mit großer Schnelligkeit. Er hat sich angepasst und spezialisiert. In einer Begegnung mit ihm mischen sich pure Faszination und panische Furcht.

Der König der Könige – ein Mensch – ist ein Mischwesen. Seine unantastbare Würde verliert er nicht. Selbst in wilden Stürmen des Lebens kann er vernünftig und verantwortungsbewusst bleiben. Aber im unbändigen Streben nach Macht um jeden Preis ist Scheitern vorprogrammiert: Als Löwe im Kampf um immer größere Beute zahnlos zu enden. Als Hirsch im Dickicht der sich ausbreitenden Grauzonen entdeckt zu werden. Als Adler auf der Höhe seiner Macht ohne Bodenhaftung abzustürzen. Als Hai in der Tiefe seines Kampfes ohne Selbstkritik zum Gejagten zu werden.

Muss ein Machtmensch so enden? Ein Mensch muss kein Gutmensch werden. Aber er kann mutig und zugleich demütig sein, heiter gelassen und zugleich vernünftig besonnen, eigenverantwortlich und zugleich rücksichtsvoll.

Manche gehen vor Gott auf die Knie, der Menschen selbst in ihrer Ohnmacht Kraft und Zuversicht schenkt, indem er sie aufrichtet, damit sie aufrecht gehen und auf Augenhöhe mit „Königen“ stehen können. Sie wissen: Macht ist nötig, um gestalten, steuern und führen zu können; dass sie jedoch vorläufig, zerbrechlich und vergänglich bleibt. Macht braucht Legitimation und Kontrolle; ist in der liberalen Demokratie stets verliehene Verantwortung auf Zeit – im Bewusstsein „vor Gott und den Menschen“(Grundgesetz).

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe

am 17.4.2021 in der Rubrik Moment mal

Gelebte Sprache

Gelebte Sprache

Moment mal

Gelebte Sprache

Von Burkhard Budde

Sprache in vielfältiger Einheit

Sprache gehört den Sprechenden

Sprache kann sprachlos machen, wenn sie die Würde eines Menschen verletzt. Zum Beispiel durch Verniedlichung: „Omi, öffne deine Äugelein.“ Durch einen Griff ins Klo: „Er ist ein Arschloch!“ Oder durch eine persönliche Beleidigung: „Du redest Quatsch.“ Solche Worte sind respektlos und würdelos.

Sprache kann jedoch auch einem Menschen Würde verleihen. Sie ist dann Türöffner, um den Raum zum Mitmenschen zu öffnen. Brücke, auf der sich Menschen begegnen und austauschen. Spiegel des eigenen Denkens und zugleich der Zeit. Kitt gelebter vielfältiger Kultur und gemeinsamer Identität. Königsweg zur Bildung einer Persönlichkeit und zur Integration unterschiedlicher Menschen.

Wird Sprache zu einem politischen Instrument, wenn erwachsene Bürger erzogen werden sollen?

Eine Person beispielsweise spricht von „Mutter“ und wird prompt korrigiert: „Du meinst wohl das Elternteil, das dich geboren hat.“ Oder eine Präsidentin einer Universität, die sich für geschlechtsneutrale Formulierungen einsetzt, will als „Herr Professorin“ angeredet werden.

Natürlich wandelt sich die Sprache mit der Zeit. Und mehr mitfühlendes Fingerspitzengefühl, soziale Sensibilität, sprachliche Bildung und der Einsatz für Gleichberechtigung sind für das Miteinander immer wichtig und notwendig. Aber darf man deshalb der natürlichen Entwicklung einer Sprache sowie ihrem Lesefluss und ihrer Ästhetik von oben herab Gewalt antun? Und versuchen, sprachliche Benimmregeln für alle anzuordnen, zum Beispiel mit dem sogenannten Binnen-I („die Verbraucher/Innen“) oder dem Sternchen inmitten eines Wortes („Trans*Autoren“)?

Wer die neuen Sprachweisen, die häufig dem Kästchendenken huldigen und ein Deutungsmonopol beanspruchen, kritisiert, wird schnell gerüffelt, persönlich geringeschätzt und sozial ausgegrenzt. Die Sprache wird dann zu einem Einfallstor von Intoleranz im Namen der Toleranz, von Einfalt im Namen der Vielfalt, von Spaltung im Namen von Integration.

Der Schriftsteller und Freidenker Reiner Kunze hat auf die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache hingewiesen: Es gibt ein grammatisches Geschlecht des Wortes (Genus) und ein natürliches Geschlecht von Lebewesen (Sexus). Es gibt maskuline Wörter wie der „Gast“, die nicht nur männliche Personen und feminine Wörter wie die „Majestät“, die nicht nur weibliche Personen bezeichnen – sowie geschlechtsübergreifende Neutra wie das „Kind“, die männliche und weibliche Personen bezeichnen. Dient diese Vielfalt nicht der Freiheit des Denkens, Schreibens und Redens?

Sprachliche Trophäen des Zeitgeistes sollen Zeichen des Besonderen und der Erhabenheit sein sowie Hoheitszeichen für alle. Doch einer selbsternannten Sprachelite gehört nicht die Sprache, sondern allen Sprechenden, die nicht bevormundet werden möchten – und Haltung zeigen, um die Wirklichkeit gerechter und menschlicher zu gestalten.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 10.4.2021

in der Rubrik „Moment mal“

Osterhasen

Osterhasen

Moment mal

Osterhasen

Von Burkhard Budde

 

Drei Hasen – eine zentrale Botschaft

Der Hasenkreis

Leben auf dem Sprung

Im Werden und Vergehen, ohne Anfang und Ende.

Ein Hase richtet sich auf und blickt zurück.

Wird er verfolgt und getrieben von Ängsten?

Ein anderer ruht sich aus und wartet ab.

Hat er Angst vor einer neuen Krise?

Wieder einer löst sich und setzt zum Sprung an.

Springt er in eine ungewisse Zukunft?

Alle Hasen sind mit ihren Ohren untereinander verbunden.

Alle können die Stimme des Lebens hören:

„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst;

ich habe dich bei deinem Namen gerufen;

du bist mein!“ (Jesaja 43,1)

Burkhard Budde

Der Zauber entzaubert.

Hasenzauber

Possierlich, putzig.

Naiv, einfältig.

Ängstlich, rastlos.

Zwielichtig, wechselhaft.

Zahlreich, zu fruchtbar.

Oder verbergen die Löffel seinen Stolz?

Hat er es faustdick hinter den Ohren?

Flüchtet er aus guten Gründen ins Gebüsch?

Ist das Schlagen eines Hakens notwendig?

Dient die Vermehrung seiner Würde?

Keiner kann ihn einfach aus dem Hut zaubern

Aber er selbst zaubert, wenn er entzaubert ist,

durch Schnelligkeit und langen Atem

die Weite und Tiefe des Lebens.

Und schenkt neuen Sinn.

Burkhard Budde

 

 

Osterbotschaft

Osterbotschaft

Moment mal

Osterbotschaft

Von Burkhard Budde

Ostern als Tag der Hoffnung auf neues Leben

Dem Ostergeheimnis auf der Spur

Eine Botschaft, die alles auf den Kopf stellt: Ist sie nur heiße Luft, etwas zum Kuscheln, nur eine intellektuelle Nuss, etwa eine Zumutung? Die Osterbotschaft geht nicht automatisch durch den Kopf unter die Haut. Sie kann auf trockenen Boden der Gleichgültigkeit fallen, aber auch auf steinigen Boden der Ungläubigkeit.

Ob dennoch Bedeutsames, Spannendes, vielleicht sogar Einzigartiges in der Botschaft vom auferstandenen Gekreuzigten steckt – was vielleicht bislang nicht bekannt gewesen oder erkannt worden ist?

Doch der Reihe nach: Der Wanderprediger Jesus, der das Reich Gottes verkündet hatte, wurde gefoltert, starb qualvoll und wurde begraben. Seine Anhänger waren verängstigt und verzweifelt. Das ist sicher. Aber dann begann eine überraschende Wende, die nicht einfach nachvollziehbar war. Frauen entdeckten das leere Grab Jesu. Sie hörten die Engelsbotschaft, dass Jesus von Gott auferweckt worden sei. Diese Botschaft sollten sie den Jüngern und Petrus sagen. Und dass Jesus ihnen auf dem Weg nach Galiläa begegnen würde. Nach Markus flohen die Frauen vom Grab „mit Entsetzen“ und schwiegen über das Erlebte; nach Matthäus gingen die Frauen vom Grab „mit großer Freude und Furcht“ und sagten es den Jüngern.

Kein Mensch hat die Auferweckung Jesu – offensichtlich die alleinige Tat Gottes – miterlebt. Doch der Auferstandene erschien Zeugen – so der Apostel Paulus in einem seiner Briefe – wie dem Petrus, dem ganzen Jüngerkreis, 500 Brüdern, Jakobus, allen Aposteln und Paulus selbst. Alle konnten bezeugen: „Der Herr ist wirklich auferstanden.“ (Lukas 24,34)

Bei Begegnungen in Jerusalem und Umgebung muss Jesus – wie die Evangelien berichten – seinen Jüngern selbst die Augen für seine Auferweckung geöffnet, die Gemeinschaft mit ihm erneuert sowie sie beauftragt haben, das Zeugnis vom Auferstandenen weltweit zu verbreiten. Ohne diese Selbstoffenbarungen des Auferstandenen hätte es wohl keine bewegten Zeugen und auch keine bekennende Bewegung glaubwürdiger Christen gegeben.

In der Folgezeit gab es viele Versuche, die Osterbotschaft verstehbar oder belegbar zu machen, aber sie auch zu hinterfragen oder zu widerlegen; zum Beispiel: Jesus habe als Wiederbelebter das Reich des Todes verlassen. Er sei nur scheintot gewesen. Sein Leichnam sei gestohlen worden. Seine Freunde hätten etwas Außergewöhnliches mit ihm erlebt, es weitererzählt, ohne nach historischen Zusammenhängen zu fragen. Die Botschaft müsse einfach nach dem Motto „Vogel, friss oder stirb“ blind geglaubt werden. Aber könnte Gott nicht wie ein Sämann gehandelt haben, der ein Weizenkorn in die Erde legt und sterben lässt, damit neues Leben, ein Halm mit Ähren entsteht, mit viel Frucht?

Ein wichtiger Schlüssel, sich dem Geheimnis von Ostern heute zu nähern, liegt in dem Verständnis von Wirklichkeit. „Wirklich“ ist nicht nur das, was in einem historischen Protokoll oder in einer wissenschaftlichen Expertise steht. Und „unwirklich“ muss nicht das sein, was nicht im Protokoll oder in einer Expertise steht. Es gibt auch eine Beziehungswirklichkeit, die kein Betrug oder keine Täuschung sein muss. Zum Beispiel wird die „wahre Liebe“ erst im Vollzug – bei allem Risiko des Scheiterns – wirklich und erlebbar, schenkt Glück und Sinn – mitten in den Realitäten, die sie beseelt und verändert.

Auch die Auferweckung Jesu ist eine Beziehungswirklichkeit: Sie ereignet sich nicht in historischen Abhandlungen, theologischen Theorien, rationalen Erklärungen, erbaulichen Wunschprojektionen, im Fürwahr-halten frommer Sätze oder in lückenlosen Beweisketten. Diese Beziehungswirklichkeit wird vielmehr in den vielen Wirklichkeiten im Glauben an die österliche Botschaft gewiss und öffnet zugleich die Grenzen der „Realitäten“.

Wer der Osterbotschaft zutraut, dass es wirklich neues Leben bei und durch Gott gibt, dessen Hoffnung kann hier und jetzt beflügelt, dessen Liebe bewegt, dessen Verantwortung gestärkt werden. Der schöpferische Geist Gottes geht dann nicht mehr aus seinem Kopf; der wird gewiss, nicht übermütig, aber mutig, vor allem neu und froh.

Burkhard Budde

Osterwissen

Osterwissen

Moment mal

Osterwissen

Von Burkhard Budde

Das Kreuz ist mehr als ein dekoratives Schmuckstück…

Mehr wissen – besser verstehen

Ereignis neuen Lebens

Ostern, das älteste christliche Fest sowie das Hauptfest des Kirchenjahres, wird als Fest der Auferstehung Jesu am ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond gefeiert.

Zum Namen: Es gibt offene Fragen: Stammt der Name von einem altgermanischen Frühlingsfest ab? Wurde dieses Fest in vorchristlicher Zeit im ersten Frühlingsmonat zu Ehren der Licht- und Frühlingsgöttin mit Namen „Eostra“ gefeiert (altgermanisch „austro“, lateinisch „aurora“ = „die Morgenröte“)? Und im Zuge der Christianisierung mit dem christlichen Fest in Verbindung gebracht, weil das leere Grab Jesu „früh am Morgen, als eben die Sonne aufging“ (Markus 16,2) entdeckt worden war und später sich viele neue Christen „bei Sonnenaufgang“ am Ostermorgen taufen ließen?

Zum Ursprung: Zunächst wurde das Gedächtnis der Auferstehung Jesu jeden Sonntag am „Tag der Auferstehung Jesu“ gefeiert. In der jüdischen Pessachwoche – mit der Erinnerung an die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei – hatte Jesus, selbst Jude, mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl am 14. Nisan gefeiert. Es war der jüdische Rüsttag zum Passahfest mit Schlachtung der Lämmer (später wurde der Tag von den Christen „Gründonnerstag“ genannt, Tag der Einsetzung des Abendmahles). Einen Tag später war Jesus gestorben („Karfreitag“); er wurde begraben („Karsamstag“ als Tag der Grabesruhe) und bei Anbruch der neuen Woche, am „Ostersonntag“, am „dritten Tag gemäß der Schrift“, von den Toten auferweckt. (vergleiche 1.Kor 15,3-4). Zudem war Jesus am Abend des ersten Tages der Woche auch einigen seiner Jünger erschienen.

Zur Geschichte: Zur Jahresfeier entwickelte sich Ostern wohl im Zusammenhang mit dem jüdischen Pessach- oder Passahfest, das jährlich am 14. Nisan (= Monat im jüdischen Kalender) begangen wurde. Christen deuteten es offensichtlich als christliches Passahfest um: Christus – im Kontext seines Sühnetodes – wurde zum „Passahlamm“ (1.Kor.5, 7). Und in ihrer Eucharistiefeier vergegenwärtigten sich die Christen zugleich die Botschaft des christlichen Sonntages, die Auferstehung Jesu.

Seit dem 2. Jahrhundert – die Erwartung der Wiederkunft Christi, die „Parusie“, hatte nachgelassen – wurde Ostern in Rom als rein heidenchristliches Fest am Sonntag nach dem 14. Nisan gefeiert: Eine Osternachtfeier („Ostervigil“) mit u.a. Eucharistiefeier, Entzünden der Osterkerze, Taufen der Katchumenen gehörte dazu. Vorangegangen war eine (Vor-)Fastenzeit mit Karwoche; es folgte eine Freudenzeit mit Himmelfahrtsfest und dem Pfingstfest als Abschluss.

Christen in Kleinasien und Syrien feierten jedoch weiterhin Ostern am 14. Nisan. Das Konzil zu Nicäa im Jahre 325 fand in der strittigen Terminfrage einen Kompromiss: Einheitlich wurde Ostern auf den 1. Sonntag nach dem 1. Frühlingsvollmond gelegt, also frühestens am 22. März, spätestens am 25. April.

Zur Bedeutung: Ostern kann für Christen die Wende sein: Die Gewissheit der siegreichen Auferstehung Jesu, die Neuschöpfung Gottes, verändert auch das eigene Leben. Sie schenkt Licht in der Finsternis, Hoffnung in der Ohnmacht und Liebe im Tal der Angst. Das Leben kann angesichts des Todes dennoch, trotz allem und wider den Augenschein, mit Sinn und Freude gefüllt werden – im vertrauensvollen Rückblick auf den auferstandenen Gekreuzigten und durch glaubwürdige Gegenwartszeugen als Ereignis neuen Lebens.

Burkhard Budde

Veröffentlicht auch im Wolfenbütteler Schaufenster am 4.4.2021.

Wiederentdeckung

Wiederentdeckung

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Wiederentdeckung

Von Burkhard Budde

Martin Luther weist auf den Gekreuzigten hin.

Tag der Wiederentdeckung

Karfreitag – freier Feiertag, Rüsttag, Trauertag, guter Freitag?

Ein Mann, der fast blind ist, liegt im Sterben. Er kämpft gegen den Tod. Und mit dem Tod ums Überleben. Verzweifelt versucht er, seine Angst vor dem Tod zu bezwingen. Und schwitzt Blut, Schweiß und Tränen. Seine Schmerzen, sein Aufbegehren und sein Kampf sind die Glut unter der Asche seiner unheilbaren Krankheit.

Da reicht ihm einer ein Kruzifix. Erst ein wenig erstaunt und flüchtig, dann langsam und immer intensiver berührt er mit seinen Händen den Körper Jesu, der an ein Kreuz genagelt ist. „Jesus“, stammelt er plötzlich, „was hast du gelitten.“ Und je mehr er sich in die Gestalt des leidenden Mannes versenkt, desto häufiger entdeckt er Spuren seines eigenen Leidens. Er erkennt, dass er nicht allein mit seinem Leid ist. Und er erlebt, dass das Mitleiden mit Jesus sein Leiden tröstet.

Er kann zwar seine neuen Erfahrungen nicht in klare Worte fassen und anderen einfach vermitteln. Aber er verspürt, wie eine liebende Kraft ihn zärtlich berührt, vorsichtig umarmt, sein Herz mit Vertrauen füllt und seinen Körper mit Glückseligkeit warm durchflutet.

Er muss sich nicht länger auflehnen, auch sich nicht einfach mit seinem Schicksal abfinden. Er darf weinen, weil Gott selbst seine Tränen trocknet. Er kann seine Schwächen zeigen, weil Gott die Schwächsten der Schwachen am meisten liebt. Er kann kämpfen als kämpfte er nicht, weil Gott in der Hölle Jesu, die er am Kreuz erlitten hat, die Tür zum Himmel öffnete. Und die im festen Glauben an die befreiende und heilsame Kraft Gottes geöffnet bleibt.

Karfreitag ist nicht nur ein freier Feiertag. Er ist mehr als ein Rüsttag zum Osterfest (althochdeutsch „karen“ = „rüsten“), mehr als ein Trauertag wegen des Leidens und Sterbens Jesu Christi am Kreuz (althochdeutsch „kara“ = „Klage“, „Trauer“, „Kummer“), auch mehr als ein Guter Freitag im Sinne von Martin Luther (lateinisch „carus“ = „lieb“, „gut“, „teuer“).

Karfreitag kann dann ein Tag der Wiederentdeckung der Gemeinschaft mit Gott sein – im Leben wie im Sterben.

Burkhard Budde