Lachen befreit

Lachen befreit

Moment mal

Lachen befreit

Von Burkhard Budde

Clowns können auf kostenbare Rettungsringe hinweisen

Moment mal

Kostbare Rettungsringe 

Darf ich Ihnen „kostbare Rettungsringe“ vorstellen – Menschen, die begeistern können?

Da ist beispielsweise der „dumme August“ mit einer Perücke, einem auffälligen Kostüm, übergroßen Schuhen und einer roten Knollennase. Er erinnert an ein liebenswertes, jedoch ahnungsloses Kind, das durch seine Tollpatschigkeit verblüfft, „dummes Zeug“ macht, stolpert – und viele spontan zum Lachen bringt.

Oder der „Weißclown“ mit einer kegelförmigen Kopfbedeckung, einem Kostüm aus Samt und Seide, eleganten Schuhen, vor allem mit einem weiß geschminkten Gesicht, das seine Mimik versteckt. Er erinnert durch seine Besserwisserei und Vornehmheit an eine selbstverliebte Elite, die durch eitles Naserümpfen auf die Nase fällt – und viele zum befreienden Lachen bringt.

Oder der „lüttche Bengel“, Till Eulenspiegel, der gegen Ende des 13. Jahrhunderts im Dorf Kneitlingen im Landkreis Wolfenbüttel das Licht der Welt erblickte und in Mölln im Kreis Herzogtum Lauenburg starb. Er mochte keine kleinlichen Menschen, keine humorlosen „Korinthenkacker“, die zwar mit verdrießlichem Mund viel „quarkten“, aber die Abgründe der eigenen Dummheit und der leichtsinnigen Rede nicht wahrnahmen. Durch seine verzerrenden Narreteien hielt „Ulenspeigel“ den Moralpredigern und Mächtigen den Spiegel ihrer Unvollkommenheit, Vergänglichkeit und Allmachtsphantasien vor, konnte dadurch  „krummes Holz“ ein wenig gerade biegen – und viele zum ungeschminkten Lachen bringen, auch über sich selbst.

Ein menschliches Lachen – nicht ein Lachen, das nur zu Lasten oder auf Kosten anderer geht und  nicht einfach ein hämisches und billiges Auslachen ist – muss nicht im Halse stecken bleiben, wenn ein Mensch nichts zu lachen hat. „Trotzdem und mit dem Herzen lachen können“ kann wie ein Rettungsring im Strom trauriger Gefühle und Gedanken sein: Wer ihn ergreift, kann ein belastetes Leben leichter entlasten und neu annehmen lernen, um zum rettenden Ufer zu gelangen, wo das Leben mit Abstand zu den Sorgen entkrampft, die Sprachlosigkeit überwunden werden und neues Vertrauen wachsen kann.

Vielleicht auch neues Vertrauen auf Gottes froh- und neumachendes Wirken durch die biblische Botschaft, dass Gott jedem Menschen mitten in seinem Leiden zwischen Zweifel und Hoffnung Freude schenken will. Und der Humor, der wie ein Rettungsring  in jedem Menschen vorhanden ist, kann ein seliges Lächeln auf sein Gesicht zaubern.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 26.2.2022

in der Kolumne „Moment mal“

„Moment mal“

Journalistische Werte

Journalistische Werte

Moment mal

Werte im Journalismus

Von Burkhard Budde

Werte – Kompass der Fairness – Florett der Vernunft – Quelle der Kraft

Werte im Journalismus

Von Dr. Burkhard Budde

  1. Sind Werte eine Spaßbremse im Journalismus? Gibt es nicht andere Themen wie die Fragen nach der Struktur, dem Geld, der Macht, des Einflusses, die wichtiger und dringender sind?

Als Schüler und Student war ich freier Mitarbeiter einer Lokalredaktion in meiner Heimatstadt Bünde in Westfalen. Werte, die mich vor allem durch das Elternhaus, den Kindergarten, die Schule, den Konfirmandenunterricht, die kirchliche Jugendarbeit, aber auch durch den Freundeskreis und den Medienkonsum geprägt hatten, brachte ich mit. Alte Werte wie Toleranz und Vorurteilslosigkeit  wurden in der journalistischen Praxis ganz neu erlebbar, wenn ich zum Beispiel  über Veranstaltungen berichten sollte, die mir bislang unbekannt waren oder als „nicht so wichtig“ erschienen. Ich lernte beispielsweise die Faszination der Blasmusik auf Menschen kennen, die Freude anderer, die beim Züchten von Tauben und Kaninchen aufkam oder die anziehende und ausstrahlende Welt der Frömmigkeit mit vollmächtigen Predigten beim damaligen Bünder Missionsfest.

Werte wie Toleranz und Vorurteilslosigkeit können Türen zu unbekannten Lebensbereichen öffnen.

  1. Sind Werte mit einem schönen Abendkleid zu vergleichen, das man nur bei Festveranstaltungen trägt, das aber sonst im Kleiderschrank hängt?

Während meiner Semesterferien – ich studierte in Münster Ev. Theologie, Publizistik und Philosophie – hatte ich die Möglichkeit, ein Teilzeitvolontariat beim Herforder Kreisblatt und ein Kurzvolontariat beim Deutschlandfunk in Köln zu absolvieren. Ich erlebte keinen „Praxisschock“, aber eine Konfrontation von Werten mit der Praxis. Nach welchen Kriterien sollten beispielsweise eine Reportage oder eine Presseschau angefertigt werden? Nach der Aktualität? Nach der Bedeutsamkeit? Nach der Bekanntheit? Nach Auflagenhöhe? Nach Tendenz? Nach Sympathie? Und wieviel Zeit und Raum ist angesichts von „Sachzwängen“ für eine gründliche Recherche und „umfassende“ Berichterstattung nötig und möglich? Was kann – vor wem? – verantwortet werden? Immer häufiger verspürte ich die Subjektivität bei der Auswahl, Gewichtung, Interpretation und Gestaltung der „Stoffe“ und „Personen“, die ich zitierte bzw. die zu Wort kommen sollten.

Werte müssen im journalistischen Alltag immer wieder neu verstanden, interpretiert, priorisiert und umgesetzt werden, damit sie persönlich verantwortet werden können.

  1. Können Werte wie ein Korsett die journalistische Arbeit einbinden, behindern oder verhindern oder zur Moralisierung der Meinungsfreiheit sowie zur Doppelmoral führen?

Als Pressevikar bei einem kirchlichen Verband konnte ich erleben, dass es „vorgegebene Werte“ eines Arbeitgebers gibt und ein Mitarbeiter loyal zu sein hat. Ich fragte mich: Darf in einem Artikel nur mit Zustimmung des Chefredakteurs Kritik geäußert werden, selbst wenn sie gründlich recherchiert, sachlich belegbar, allgemein nachvollziehbar ist und der Wahrheitsfindung dient? Ist konstruktive Kritik, die informieren, erklären, aufklären und erneuern will, eine Majestätsbeleidigung, wenn es um Gesinnungsfreunde geht eine journalistische Selbstverständlichkeit, wenn es um Gesinnungsgegner geht? Sollte ich in Zukunft beim Anfertigen von „kritischen Berichten“ lieber die Schere im Kopf bemühen, vorauseilenden Gehorsam leisten, mich den vorgegebenen Werten des „mächtigen“ Chefredakteurs, der in Sonntagsreden gerne von „Meinungs- und Pressefreiheitfreiheit“ spricht, beugen, um mehr Erfolg oder wenigstens meine „Ruhe“ zu haben?

Werte der Kritik und der Vernunft können zu Konflikten mit einer Wertehierarchie führen, die von „Mächtigen“, von Institutionen oder Unternehmen vorgegeben ist, als Deckmantel inszeniert, aber auch als Zwangsjacke instrumentalisiert werden kann.

  1. Sind Werte der Freiheit und der Vielfalt der Horizont journalistischer Arbeit, der aber eine strukturelle und rechtliche Verankerung braucht?

Im Jahre 1981 habe ich an einem Volontärskurs für angehende Journalisten im Ruhrgebiet teilgenommen. Heftig wurde  über ein „duales Rundfunksystem“ mit sowohl privaten als auch öffentlich-rechtlichen Anbietern diskutiert. Grundlage war der Artikel 5 „Meinungs- und Pressefreiheit“ des Grundgesetzes: „(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“  Konsens war, dass die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit als „eines der vornehmsten Menschenrechte“ (Bundesverfassungsgericht) grundlegend für einen freiheitlichen Staat ist.  Aber sollten die „Öffentlich-Rechtlichen“ demnächst eine rechtlich institutionalisierte Konkurrenz mit den „Privaten“ bekommen?  Mir wurde immer deutlicher:

Es gibt einen Meinungskerker durch Meinungs- und Deutungshoheit. Die offene Gesellschaft als liberale und pluralistische Demokratie braucht jedoch Gewaltenteilung: Judikative, Exekutive, Legislative, aber auch eine „Vierte Gewalt“ in Freiheit und Wettbewerb sowie mit einer Vielfalt freier und unabhängiger Medien. Die Meinungsfreiheit führt zu einer Vielfalt. Und durch institutionalisierte Vielfalt wird offene Meinungsfreiheit ermöglicht und gesichert.

Allerdings schließt dieses Denken Kritik an gegenwärtigen Strukturveränderungen nicht aus: Das Eigenleben sowie der Expansionsdrang der öffentlich-rechtlichen Anbieter zu Lasten der privaten Anbieter gefährdet gerade die Vielfalt. Und das Zusammenspiel beider findet auch nicht im fairen Wettbewerb statt, da das öffentlich-rechtliche System (u.a. 21 Fernsehsender, 74 Radiosender) mit 8 Milliarden Euro Gebühren finanziert wird; die „Privaten“ ihre Mittel erst erwirtschaften müssen. Auch öffentlich-rechtliche Angebote müssen Kritik vertragen können, wenn sie Vertrauen erhalten oder gewinnen wollen, aber der begründete Eindruck aufkommt, dass nicht immer Qualitätsjournalismus stattfindet, sondern Tugendwächter, Erzieher, Schiedsrichter oder Meinungsmacher auf leisen Sohlen oder auf offener Bühne unterwegs sind. Meinungsfreiheit bedeutet eben nicht Willkürfreiheit oder Moralisierung des öffentlichen Dialoges der „ÖRR-Mächtigen“ im Bündnis mit Nichtregierungsorganisationen, anderen „befreundeten“ Medien oder Parteien. Und Meinungsfreiheit ist kein Freibrief, andere Meinungen zu verschweigen, Meinungen in „gute“ und „böse“ Meinungen zu sortieren, mit ideologischen Parolen aus der Öffentlichkeit auszusortieren, die eigene Meinung als absolute Wahrheit anzubeten und sie als „Freiheit“ zu etikettieren.

Wenn immer mehr Bürger meinen, ihre Meinung nicht mehr frei äußern zu können, wird die Schweigespirale gestärkt und die Lautesten werden immer mächtiger.

Die liberale Demokratie braucht deshalb zugleich „Libertas“ als Hüterin der Meinungsfreiheit und „Justitia“ als Hüterin des Rechts, die mit Hilfe der Leuchttürme Würde und Menschenrechte allgemeingültige und anerkannte Werte schützen und verteidigen sowie um- und durchzusetzen.

Das gilt auch im Blick auf die „Fünfte Gewalt“, für das Internet. Es bietet Möglichkeiten, die Demokratie zu demokratisieren, wenn es auf Deutungsmonopolansprüche der öffentlich- rechtlichen oder der privaten Anbieter antwortet. Und Online- Angebote der etablierten Medien können dem geänderten Nutzerverhalten vieler Bürger gerechter werden, Freiheit und Vielfalt stärken. Auch können On-Demand- Angebote mit individueller Zusammenstellung sowie digitale Inhalte eine Bereicherung sein, wenn die „User“ zugleich produzieren und konsumieren. Das Internet birgt aber auch Gefahren, wenn Medienkompetenz und Medienbildung fehlen oder nur schwach ausgebildet sind. Wenn Nutzer sich nur noch in Filterblasen und Echokammern bewegen, dann fehlt darüber hinaus der kritische und kontroverse Austausch mit anderen Meinungen, der jedoch zur eigenen Meinungsbildung notwendig ist. Dann kann der Nutzer zum Spielball von Algorithmen werden, die die Verbreitung bestimmter Inhalte steuern, von Social Bots, die die Tagesordnung beeinflussen und von Fake News, die manipulieren und instrumentalisieren wollen. Hass und Hetze, Aufrufe zur Gewalt oder Selbstjustiz, Demütigungen und Diskriminierungen überschreiten die Grenzen der Meinungsfreiheit, sind strafbare und boshafte Handlungen, die von unabhängigen Gerichten auf der Grundlage von Recht und Gesetz geahndet werden müssen.

Wenn die Schwestern „Libertas“ und „Justitia“ zusammenwirken, können demokratische Werte von Journalisten, die ein Ethos gemäßes Ermessen vertreten, leichter  verwirklicht werden. Der Wert Fairness beispielsweise wird dann zur Norm „Alle sind vor dem Gesetz gleich und sollen fair behandelt werden“; die Norm zum Grundsatz „Auch die andere Seite ist zu hören“ („Audiator et altera pars“) und im Zweifelsfall „In dubio pro lex“ (Vorrang des Gesetzes), ohne dass die Menschlichkeit oder die Persönlichkeitsrechte in Spannung zum „Öffentlichen Interesse“ einfach  unter die Räder geraten; der Grundsatz zur Regel „Jeder soll als Beschuldigter vor der Veröffentlichung eines Verdachts die Möglichkeit zur Stellungnahme haben“.

Eine Berichterstattung geschieht im Einklang mit den Schwestern „Libertas“ und „Justitia“ bei allen „Sachzwängen“ wie Zeitnot fair, ohne Ansehen der Person – Augenbinde von Justitia! -, unabhängig von der eigenen oder herrschenden Meinung, ausgewogen, möglichst umfassend, aber stets differenziert abwägend – Waagschale von Justitia! -, wahrhaftig, gründlich und sorgsam recherchiert sowie im anschließenden Kommentar klar – Schwert von Justitia! -, erklärend und aufklärend, nicht verklärend oder manipulierend, sondern befähigend zur eigenständigen und eigenverantwortlichen Meinungsbildung im Kontext der journalistischen Kontrollfunktion.

Der Journalist als Person der Freiheit ist die Freiheit in Person, wenn er mit seinem journalistischen Florett scheiden und unterscheiden kann, zum Beispiel Person und Sache, einen Bericht von einem Kommentar und bei Mischungen die eigene Meinung erkennbar macht. Und dabei stets selbstkritisch und offen für eigene Lernprozesse bleibt und die Würde aller beachtet und achtet.

Als Türöffner ermöglicht er unterschiedliche Perspektiven, kann andere Sichtweisen zu verstehen versuchen, sie untereinander in Beziehung setzen sowie Zusammenhänge, Wechselwirkungen und Folgen erklären.

Als Raumöffner versucht er, möglichst die ganze, komplexe und komplizierte Lebenswirklichkeit abzubilden, die ständig im Fluss ist.

Als Brückenbauer wird er seine Mündigkeit und seinen eigenen Kopf nicht über Bord werfen, damit er nicht ins Schwimmen der Beliebigkeit gerät oder instrumentalisiert wird.

Ohne Werte dreht sich jeder Mensch sehr schnell im Kreis, tritt auf der Stelle, geht in die falsche Richtung, ist ein Getriebener seiner Gefühle, Weltanschauungen oder fremder Mächte.

Mit Werten jedoch hat ein Mensch – und wer bestreitet, dass auch ein Journalist ein Mensch ist?! – einen inneren und äußeren Kompass insbesondere der Fairness, der Unabhängigkeit und Wahrhaftigkeit. Mit seinem Florett der Kritik und der Vernunft ist er flexibel und resilient, kann Abstand und Nähe in der jeweiligen Situation ausbalancieren.

Um ein solches journalistisches Leben erfolgreich, sinnerfüllt und mit Freude zu meistern, braucht er eine geistig-geistliche Quelle, aus der er Selbst- und Fremdvertrauen, Kraft und Sinn, Mut und Leidenschaft schöpfen kann.

Alle Werte jedoch können die persönliche Verantwortung  – das Ethos gemäße Ermessen im Sinne der Goldenen Regel Jesu „Alles nun, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen.“ Mt.7,12  –  nicht ersetzen. Werte können von neuen Wirklichkeiten und nicht vorhersehbaren Entwicklungen überrascht werden. Dann gilt es, das aktuell Gebotene zu erkennen, indem das von freien und unabhängigen Journalisten als das richtig Erkannte nach bestem Wissen und Gewissen geschieht.

Burkhard Budde, Bad Harzburg, 18.2.2022

Über eine Resonanz würde ich mich freuen: E-Mail burkhard-budde@t-online.de

Der Essay spiegelt auch Aussagen von Vorträgen wider, die der Autor auf einer Veranstaltung der Journalistischen Nachwuchsförderung (Jona) der Konrad-Adenauer-Stiftung, auf einer Landestagung des Niedersächsischen Evangelischen Arbeitskreises sowie auf politischen Bildungsveranstaltungen in Niedersachsen gehalten hat.

 

Wahre Größe

Wahre Größe

Moment mal

Wahre Größe

Von Burkhard Budde

Wer ist der Größte?

Moment mal

Wahre Größe zeigen

Wer ist der Größte? Wer hat das Sagen  – auf offener Bühne oder hinter den Kulissen? Wer bestimmt das Gesetz des Handelns – im Kampf um Macht und Einfluss, Geld und Status, Wertschätzung und Anerkennung?

Sind die Größten schillernde Persönlichkeiten, faszinierende Halbgötter oder scheinheilige Schauspieler? Erklimmen vor allem Ja-Sager, die keine Haltung zeigen, aber diszipliniert und gehorsam abwarten können, die Karriereleiter ganz nach oben? Oder Nein-Sager, die zu viel Haltung haben, immer und überall alles besser wissen? Ist der Königsweg nach ganz oben etwa eine Mischung aus Anpassung und Aufbegehren – je nach Zeit und Situation?

Stellen wir uns einmal vor, wir fragen einen gemeinsamen Freund: „Wer ist der Größte in unserer Gruppe?“  Und unser Freund würde antworten: „Wenn einer unter euch der Erste sein will, der soll der Letzte von allen und aller Diener sein.“ Verdrehen wir jetzt die Augen? Schütteln wir bei so viel Realitätsferne den Kopf? Oder schauen wir etwas mitleidig auf ihn herab?

Doch unseren Freund kümmert‘s nicht. Er stellt vielmehr ein Kind in die Mitte der Gruppe und sagt: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie ein Kind, dann könnt ihr keine Gemeinschaft mit Gott haben.“ Was will uns der Freund – der biblische Jesus  – sagen? Vielleicht folgendes: Jeder Mensch – auch der mächtige oder ohnmächtige – ist vor Gott so klein wie ein hilfsbedürftiges Kind. Jeder Mensch, ob  gläubig oder nichtgläubig, ist wie ein Kind auf Vertrauen angewiesen. Und das vorbildliche Vertrauen des Kindes ist der Schlüssel zu einem gelingenden Leben mit Gott.

Jesus fügt dann noch etwas Brisantes hinzu: „Wer diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, dem wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt wird…“ Jetzt ist Schluss mit Machtspielen, überschätzter Selbsterhöhung und inszenierter Selbsterniedrigung: Kinder sind keine Gegenstände oder Spielbälle. Wer ihre Würde missachtet, missachtet Gott. Wer sie aber im Namen Gottes liebt, der schützt und verteidigt ihre Würde.

Freunde  im Geiste Jesu kämpfen für die Würde aller Menschen.  Sie verstehen sich als Diener der von Gott geschenkten Würde  – nicht als Feudalherren oder Frühstücksdirektorinnen;  wollen auch nicht unselbstständig Dienern, süchtig nur ans Verdienen denken oder Herrschaft als „Dienst“ verkaufen. Als „Letzte und Diener aller“ zeigen sie vielmehr Größe – mit Rückgrat und persönlicher Verantwortung, damit der Himmel nicht verdunkelt, sondern die Dunkelheit erhellt wird.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 19.2.2022

in der Kolumne „Moment mal“

 

Mächtige Liebe

Mächtige Liebe

Moment mal

Mächtige Liebe

Von Burkhard Budde

Romantische Liebe in unromantischer Zeit

Moment mal

Die Macht der Liebe

Gibt es noch frisch verliebte Paare? Oder verschwindet die romantische Liebe langsam auf leisen Sohlen? In einer Zeit, in der es auf ein vorsichtiges Wechselspiel aus Nähe und Distanz ankommt? In der doch Abstandhalten wichtiger ist als der Traum vom Himmel auf Erden, der angesichts der Pandemie schnell zum Albtraum werden kann.

Wie aus einer fernen Zeit sitzen zwei Liebende auf einer Bank im Park. Nur der Baum hinter ihnen ist ihr Zeuge. Wer aus der Ferne einen Blick auf das Paar riskiert, entdeckt ihre geröteten Gesichter. Ihre strahlenden Augen, die die Augen des anderen mit den großen Pupillen suchen und an den Lippen kleben. Die Hände, die sich „zufällig“ berühren. Ihr glückliches Lächeln, das den anderen zu spüren ahnt. Ob ihre Nasen versuchen, die Gerüche des anderen aufzunehmen? Ihre Münder zärtliche Worte der Sehnsucht flüstern? Ihre Herzen höher schlagen und sich vertrauensvoll ausliefern?

Beide erscheinen weder zugeknöpft noch verkopft. Vielmehr wirken sie zusammen wie ein mutiger Leuchtturm, der Hoffnung auf neues Glück schenkt – im Meer der Orientierungslosigkeit, Mutlosigkeit  und Angst. Wie eine einsame Insel, die Menschen Zuflucht gewährt – im Meer gereizter Ruppigkeit, mieser Stimmung und schlechter Laune.

Der 14. Februar, der traditionelle Valentinstag, kann angesichts eines frisch verliebten Paares mehr sein als ein Tag der  Geschenke, die als Zeichen der Wertschätzung und Liebe nicht unwichtig sind. Mehr sein als eine legendäre Erinnerung an einen Mönch aus dem dritten Jahrhundert im alten Rom, der Liebespaaren aus dem Klostergarten Blumen geschenkt hat, die noch heute ohne viele Worte sprechen können. Der als Bischof heimlich Paare christlich getraut hat – darunter auch Soldaten, die damals unter Kaiser Claudius II. nicht heiraten durften. Und als Märtyrer wohl am 14. Februar 269 hingerichtet wurde – einem Tag, der auch zu Ehren von Juno, der römischen Göttin der Geburt, Ehe und Fürsorge gewidmet war.

Warum sollte der Valentinstag nicht auch als ein Tag der „Macht der Liebe“ gefeiert werden, der auf den Alltag von Pärchen, aber auch von Singles ausstrahlt? Die „Macht der Liebe“  – recht verstanden –  moralisiert, zensiert, bevormundet, verurteilt nicht. Sie ist vielmehr eine Urquelle schöpferischer und bedingungsloser Liebe für alle, aus der auch Menschen mit Liebeskummer oder Verbitterung Trost und Zuversicht schöpfen können. Und die erfrischende Kraft geschenkt bekommen,  Gleichgültigkeit und Hochmut, Hass und Neid zu überwinden.

Die Macht der Liebe, die für Christen die Macht des barmherzigen und frohmachenden Gottes ist und kein Haltbarkeitsdatum kennt, befähigt zur freien und liebenden Vernunft. Und kann – wie der Anblick eines frisch verliebten Paares – nachdenklich machen, aber auch das Herz berühren und begeistert begeistern.

Burkhard Budde

Veröffentlicht  im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe

am 12.2.2022 in der Kolumne „Moment mal“

Erinnerung – Schrittmacher

Erinnerung – Schrittmacher

Moment mal

Erinnerung – Schrittmacher

Von Burkhard Budde

Erinnerung an die Erweckungsbewegung berührt Kopf und Herz und öffnet Hände

Moment mal

Erinnerung als Schrittmacher

Bleibt nur eine Erinnerung? Mein Vater, der vor 20 Jahren gestorben ist, hatte einen liebenswerten „eigenen Kopf“. Als ein Kind der Minden-Ravensberger Erweckungsbewegung – eine evangelische Frömmigkeitsbewegung in Ostwestfalen-Lippe mit Wurzeln im 19. Jahrhundert – lag ihm der sonntägliche Gottesdienstbesuch besonders am Herzen. Wenn eines seiner sechs Kinder ihn begleitete und anschließend den Pastor wegen seiner „langweiligen“ oder „weltfremden“ Predigt kritisierte, pflegte er zu sagen: „Keiner geht doch wegen des Pastors in die Kirche, sondern um Gott die Ehre zu geben.“ Und schmunzelnd fügte er noch hinzu: „Dann nimm doch wenigstens einen zündenden Gedanken eines Liedes oder eines Gebetes mit, damit die Zeit nicht vergebens war.“

Die Erweckungsbewegung, von der mein 1926 geborener Vater geistig-geistliche Impulse erhielt,  war eine Glaubens– und Lebensbewegung, die sich stark an der Bibel orientierte, und die die persönliche Bekehrung des Einzelnen im Fokus hatte. Es ging um den „Ruf des Evangeliums zur Umkehr“ sowie – im 19. Jahrhundert! – um die Abkehr von weltlichen Werten wie Tanz und Kartenspiel, was ich als Jugendlicher schon nicht verstand, da ich von der „Freiheit eines Christenmenschen“, der seine Verantwortung vor Gott wahrnimmt, stets überzeugt war.

Die Bewegung war darüber hinaus eine Volks– und Kirchenbewegung, die auf Grund von Predigten und Missionstätigkeiten von Pastoren wie die des Jöllenbecker Pfarrers Johann Heinrich Volkening (1796 bis 1877) Menschen ansprechen und begeistern konnte. Sowohl innerhalb und am Rande als auch außerhalb der verfassten ev. Kirche wirkten zudem „erwecklich-erbaulich“ zum Beispiel Missionsfeste und Posaunenchöre sowie das Erbauungsschrifttum.

Schließlich war diese Bewegung eine Diakonie– und Sozialbewegung zur Gründung von „Rettungsanstalten“ für „verwahrloste Jugendliche“ und von „Siechenhäusern“ für alte und pflegebedürftige Menschen. Bekannte diakonische Einrichtungen verdanken ihr ihre Existenz, zum Beispiel Eben-Ezer in Lemgo (gegr. 1852), die Von Bodelschwinghschen Stiftungen in Bielefeld (1867) oder der Wittekindshof in Bad Qeynhausen- Volmerdingsen (1887).

Wenn der Zeitgeist auch andere Themen auf der Tagesordnung hat wie übertriebene Selbstbestimmung oder den radikalen Umbau der Gesellschaft, so bleibt doch die verborgene, aber immer noch anziehende und ausstrahlende Kraft dieser Bewegung. Im Stillen und im Herzen vieler lebt die Sehnsucht nach dem Meer eines Glaubens, der das Leben erweitert und vertieft. Und nach den Bergen einer Liebe, die in den Tälern Kraft und auf den Höhen Glück schenkt. Darunter sind viele „kluge Köpfe“ mit liebenden Augen und helfenden Händen. Ihre Erinnerung an die Geschichte Gottes mit Menschen bleibt – als Schrittmacher auch einer aktuellen geistig-geistlichen sowie sozialen Rundumerneuerung.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe

am 5.2.2022 in der Kolumne „Moment mal“

Reden oder schweigen?

Reden oder schweigen?

Moment mal

Reden oder schweigen?

Von Burkhard Budde

Nicht sehen, nicht hören, nicht sprechen?

Moment mal

Reden oder schweigen?

Wenn es immer so einfach wäre: Reden ist Silber, heißt es im ersten Teil eines bekannten Sprichwortes.

Also – versilbert erscheint das Reden, wenn es sich nicht unterdrücken oder verbieten lässt. Ein freier Bürger sagt in einem freien Land seine Meinung und äußert auch das, was der Gesprächspartner vielleicht nicht hören will. Er verlässt den Meinungskerker des „allgemeinen Denkens“, läuft keiner Gruppenmeinung  hinterher, sondern versucht, sich mit Hilfe unabhängiger Quellen eine eigene Meinung zu bilden, die er offen und begründet vertreten kann.

Nicht ohne Grund wird eine Kultur kritisiert, die Andersdenkende an den Pranger stellt und als „unkorrekt“ geißelt, selbst wenn ihre Sichtweise „gute Gründe“ hat. Eine Kultur des Kaltstellens Andersdenkender führt zu einem ängstlichen Reden auf Sparflamme, zur gehorsamen Anpassung oder zur Heuchelei, vor allem verbleibt eine konstruktive Auseinandersetzung in der Sache.

Der französische Vordenker der Aufklärung Voltaire (1694-1778) bleibt mit seinem Kampf um die Meinungsfreiheit Andersdenkender aktuell: „Mein Herr, ich teile ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.“ Allerdings ist auch die Meinungsfreiheit als individuelle Freiheit nicht grenzenlos: Persönliche Beleidigungen, üble Nachreden, Hass und Volksverhetzungen sind keine Meinungsäußerungen, sondern Straftatbestände und Sache unabhängiger Gerichte.

Schweigen ist Gold, lautet der zweite Teil des Sprichwortes.

Also – vergoldet erscheint die Stille, nicht die leere oder konspirative, sondern die schöpferische Stille, in der erst nachgedacht,  unterschieden, geprüft und abgewogen wird. Denn Schnellschüsse aus der Hüfte, reflexartige Urteile als Bestätigung von Vorurteilen, vergiften das Meinungsklima und fördern das Freund-Feind-Denken. Und verletzende Äußerungen können nur schwer zurückgenommen werden. Dennoch: Meinungsfreiheit ist kein Freibrief für boshafte Maulwürfe, die im verschwiegenen Untergrund ihr Unwesen treiben. Zur Freiheit gehören die hörbare Verantwortung zur aufklärenden Wahrheit sowie die faire Ahndung von Ungerechtigkeit, damit sich das Unmenschliche nicht vermehrt.

Wann ist Schweigen, wann ist Reden angesagt? Alles hat seine Zeit (Prediger Salomo 3). Doch stets ist Hören – keine Hörigkeit -, Erklären – kein Verklären -, Verstehen – kein Nachplappern -, Aufklärung – keine Rache –, Erneuerung – kein Stillstand – angesagt.

Und offener und mutiger Widerspruch, wenn Silber und Gold nicht mehr unterschieden werden können, die Würde des Einzelnen mit Füßen getreten wird. Dann ist Silber wertvoller als Gold.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen- Blatt in Ostwestfalen und Lippe

am 29.1.2022 in der Kolumne „Moment mal“