Moment mal

Wer regiert?

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Wer regiert? 

Wer hat das Sagen, wer das letzte Wort?

Einer schmunzelt: „Meine Mutter ist meine Regierung.“ Ein anderer verrät ein offenes Geheimnis: „Mein Chef sagt, wo es lang geht.“ Ein weiterer Teilnehmer der Diskussionsrunde meint, dass Zahlenmenschen die Welt regieren. Manche nicken, weil sie selbst schon kleinkarierte Erbsenzähler erlebt haben, die haargenau abrechnen und im Streit pedantisch aufrechnen. Ein anderer widerspricht. Er kennt Machtmenschen, die kaum Interesse an Zahlen haben, wohl aber ihren Einfluss „ohne Rücksicht auf Verluste“ vergrößern und ihre Vorteile „ohne Fingerspitzengefühl“ vermehren. Ein weiterer Diskutant erinnert sich an Geldmenschen, die er mal als gierig und gewinnsüchtig, mal als verschwenderisch und verantwortungslos, mal als geizig und gedankenlos, aber auch als sparsam, enthaltsam und weitsichtig beschreibt. „Übertreibt mal nicht“, ruft einer in die Runde, „es gibt auch Showmenschen ohne Tiefgang, die ihre Fans beherrschen.“ Und „Weltverbesserer, Sittenwächter und Moralapostel, die mit dem eigenen Kopf durch die Wand wollen und dabei sich selbst und anderen Schaden zufügen.“ Da fällt einem ein Beispiel ein: „Schwester Rabiata“ habe es mit ihm zwar gut gemeint, ihn aber nie zu Wort kommen lassen. Schließlich werden Geschichten über Politiker erzählt, die mit Netzwerken und Seilschaften oder Gruppenzugehörigkeit an die Macht gekommen seien, aber aufgrund fehlender Qualifikation und Erfahrung „einen schlechten Job“ machten. Manche seien auch auf der Welle des Zeitgeistes, der durch Minderheiten geprägt sei, in die Schaltzentralen der Macht getragen worden.

Sind solche oder ähnliche Typen die alleinigen Macher der Macht, weil sie etwas machen, herrschen und beherrschen (wollen)?

Weil sie vielleicht alle von der Angst getrieben sind, zu kurz zu kommen, das Gesicht zu verlieren oder nicht als Erster im Wettlauf um Wertschätzung, Anerkennung, Einfluss oder Geld über die Ziellinie zu kommen?

Gibt es jedoch nicht auch die notwendige Kraft des sehenden Vertrauens, weil keiner sein Leben im Alleingang meistern kann, dass das Ich das Du braucht und beide das Wir? Dass Werte wie Anstand und Respekt, Fairness und Gerechtigkeit, Liebe und Barmherzigkeit die frische Luft zum Atmen in einer Gemeinschaft sind? Dass alle die Quelle gemeinsamen Rechts und gemeinsamer Spielregeln brauchen, damit Zusammenhalt und Zusammenarbeit, eine gemeinsame Zukunft in Würde, Freiheit und Sicherheit möglich werden? Müssen wirklich Neid – die lähmende Bremse des Fortschritts durch ständiges Vergleichen -, Hass – die eiskalte Keule, die alles Menschliche vergiftet und zerstört – , Heuchelei – die schöne Maske, hinter der sich häufig Minderwertigkeitsgefühle verbergen – oder Denkfaulheit – die eigenen vier Wände der Gewissheiten, die zwar Ruhe versprechen, aber Risse und Löcher haben – immer das letzte Wort behalten?

Es gibt noch eine Kraft im Machtgerangel der Gefühle und des Denkens, aber auch im Machtkampf der Interessen und Weltanschauungen: Die Kraft der Liebe, die zwar als Schwärmerei und Naivität oder als Moral und Bevormundung missverstanden werden kann. Aber im Geiste der biblischen Botschaft vor allem die persönliche Verantwortung vor Gott meint, der den Menschen von destruktiven Kräften befreien will, damit seine Vernunft beweglich, vernünftig und menschlich bleibt. Dieser Gott wirkt mitten in der Welt mit seinem Wort, in dem der schöpferische Geist wohnt. Gott lässt seinem Geschöpf und Ebenbild die Freiheit, seine Ohren und seinen Mund zu verschließen. Der Mensch kann aber auch seine Ohren, seinen Mund und seine Hände in aller Vorläufigkeit öffnen, weil sich Gott das letzte Wort vorbehalten hat.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Wolfenbütteler Schaufenster in der Kolumne „Auf ein Wort“ am 13.8.2023