Moment mal

Heidenspaß?

Von Burkhard Budde

Auch in der Bergstadt St. Andreasberg im Oberharz wird die Walpurgisnacht gefeiert.

Zur Walpurgisnacht

Heidenangst vor Heidenspaß?

Nicht jeder feiert die Walpurgisnacht. Nicht jeder freut sich über das Heidenspektakel der Hexen, die in der Vorstellung oder Phantasie auf Besen, Schweinen oder Ziegen zum Brocken reiten, um dort mit dem Teufel in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai zu feiern. Und doch kann Freude und muss keine Panik aufkommen, wenn Harzbesucher dem Teufel oder einer Hexe begegnen.

Die meisten Zuschauer zeigen ohnehin Toleranz und wollen keine Spielverderber des touristischen Spektakels sein. Oder sie feiern einfach mit, wenn der Funke des Ungewohnten, der den Alltag sprengt, übergesprungen ist.

Dennoch kann in einer ruhigen Minute ein kurzes Nachdenken über den historischen Hintergrund des Themas „Hexen“ nicht schaden, sondern sogar eine Einladung sein, anders – mit mehr Hintergrundwissen – zu feiern: Könnte es sein, dass die spielerische Darstellung des Grausamen das Brutale – was Menschen anderen Menschen antun können – im neuen Bewusstsein domestiziert, damit das historisch Geschehene sich nicht wiederholt?

Ein Rückblick: Seit dem Mittelalter gab es auch in der Region Braunschweig den Hexenglauben als Teil des Volksglaubens. Und in der Frühen Neuzeit wurden in ganz Europa  Hexenprozesse durchgeführt, bei denen etwa 50 000 bis 60 000 Frauen und Männer qualvoll starben. Hexenverbrennungen – so der gegenwärtige Stand der Forschung – waren Teil der damaligen Machtpolitik der Obrigkeit und der Kirche, aber auch von Bürgern, die alle den Hexenwahn für ihre Zwecke instrumentalisierten. Solche Folter und Hinrichtungen von Menschen, die angeblich Zauberei betrieben hatten oder mit dem Teufel im Bunde standen, hatten vielfältige Anlässe, zum Beispiel Klima- und Agrarkrisen oder andere Krisen- und Grenzerfahrungen.

Zurück zur Gegenwart: Der Heidenspaß muss nicht zur Höllenqual mit einem schlechten Gewissen oder zur stupiden Anmache verkommen. Er kann die Grundhaltung stärken, das „Böse“ durch das gespielte „Böse“ in der Walpurgisnacht zu bändigen – überlegt unüberlegt und spontan bedacht sowie humorvoll und großzügig, vor allem zur Freude anderer und zur eigenen Freude.

Nicht alles muss ja ständig im Leben in der kritischen Mühle der Reflexion zerkleinert werden. Der Ernst des Lebens steht ohnehin nach einer feierlichen Auszeit wieder auf der Tagesordnung.

Burkhard Budde

P.S. Noch eine kleine Ergänzung: Das Lechlumer Holz vor Wolfenbüttel erinnert als Haupthinrichtungsstätte der Braunschweiger Herzöge – Herzog Heinrich Julius von 1564 bis 1613 und Herzog August den Jüngeren von 1579 bis 1666 – an das Kapitel Hexenverfolgung. Und an die Notwendigkeit eines freiheitlichen Rechtsstaates.

Veröffentlicht auch im Wolfenbütteler Schaufenster in der Region Wolfenbüttel am 30.4.2023