Moment mal

Volkspartei mit Profil

Von Burkhard Budde

 

Wie eine Fliege gegen das Fenster

F.A.Z. Leserbrief zum Profil der CDU 

Jasper von Altenbockum schlägt in seinem Kommentar mehrere Fliegen mit einer Klappe. Seine Analyse und seine Deutung der Landtagswahl in Niedersachen müssten alle demokratischen Parteien sowohl in den Ländern als auch im Bund wachrütteln, insbesondere jedoch die CDU als Wahlverlierer. 

Eine Volkspartei, die immer mehr eine Partei ohne Volk sowie immer häufiger mit anderen Parteien verwechselbar und austauschbar wird, hat keine Zukunft, wenn sie – wie es der Kommentator treffend beschreibt – „bunter, besser und vernünftiger“  „rot-grün-gelb“ sein will. 

Erfreulich ist die Nachricht im Bericht von Peter Carstens, dass der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz – immer noch parteipolitischer Hoffnungs- und Verantwortungsträger und (noch) kein Prügelknabe oder Sündenbock – einen langen Atem hat und sich u.a. um das neue CDU-Grundsatzprogramm kümmern will, um offensichtlich die Partei auch inhaltlich umfassend zu erneuern. 

Wenn tatsächlich eine Rundumerneuerung, die mehr ist als die Stärkung der Kampagnenfähigkeit, das Austauschen von Personen und das Polieren der Fassade, geplant ist, gehören vor allem drei Stellschrauben – Inhalte, Kompetenzen und Personen – auf den Prüfstand. 

Um aus der Tiefe in die Breite wirken zu können, braucht die CDU ein inhaltliches Profil bzw. eine politische Vision mit erkennbaren Alleinstellungsmerkmalen, die sich aus der zu konkretisierenden Aktualisierung und dynamischen Einheit von „christlichem Menschenbild“, „Sozialer Marktwirtschaft“ und „Wehrhafter Demokratie“ ergibt. Neben dem „Christlich-Sozialen“, dem „Liberal-Verantwortbaren“ gehört das „Konservative“ dazu, weil es Tradition und Fortschritt, Sicherheit und Freiheit, Wohlstand und Menschlichkeit miteinander verbindet, vor allem stets den Keim der Erneuerung in sich trägt. Die alte Sehnsucht nach Bewahrung und Erhaltung der Schöpfung beispielsweise mobilisiert den Einsatz für Klima- und Naturschutz, aber auch für eine reale individuelle Chancen- und humane Leistungsgerechtigkeit. 

Um als CDU wieder eine Machtperspektive im Sinne einer Mitverantwortung für die Gestaltung des Gemeinwesens zu bekommen, müssen viele Bürger – auch die früheren Wähler wie viele Landwirte, Russlanddeutsche, „Konservative“ –  zudem wieder Vertrauen zur Partei gewinnen, vor allem durch die Glaubwürdigkeit und Kompetenz der handelnden Akteure. (Führungs-)Personen sind ein besonderes Programm. Und der Schlüssel zum Erfolg. Positionen und Aufgaben wie das Vertreten der politischen Themen in der Öffentlichkeit sollten deshalb nach Kompetenz im Rahmen einer Bestenauslese und nicht weiter oder vorrangig nach Quoten, Proporz, Alter oder Zugehörigkeit zu einer Gruppe vergeben werden. 

Die CDU wirkt im Augenblick wie eine Fliege, die keinen Erfolg hat, weil sie ständig gegen ein verschlossenes Fenster fliegt. Sie sieht andere Parteien, die sich mit den Zeitgeistgeschwistern wie Identitäts- und Minderheitenpolitik, Frauenquote, Parität und Gendern arrangiert haben. Die CDU sollte die offene Tür nicht übersehen, die zur ganzen Wirklichkeit führt – zu einer Politik der leidenschaftlichen Vernunft für alle Menschen, die sich nach einer führungsstarken Partei sehnt, denen sie auch ihre Sorgen und Ängste anvertrauen kann. 

Burkhard Budde 

F.A.Z.-Leserbrief, veröffentlicht am 1.10. 2022 in der F.A.Z., zum Kommentar „Es fremdelt in Deutschland“ von Jasper von Altenbockum (F.A.Z. vom 11.10.2022) sowie zur Berichterstattung über die Wahl in Niedersachsen