Auf ein Wort
Energie durch Religion?
Von Burkhard Budde
Auf ein Wort
Energie durch Religion? (Viertes Gebot)
Zehn Lebensperspektiven begründen das Zusammenleben, stärken den Zusammenhalt und erneuern das Zusammenbleiben: Die Zehn Gebote gehören zur einheits- und sinnstiftenden Schatzkammer von Juden und Christen. Sie sind jedoch auch eine Einladung an Andersdenkende, in den Raum des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe einzutreten, um neue Entdeckungen sammeln zu können – vielleicht auch ein glückseliges Leben in der letzten Geborgenheit bei Gott und in der Verantwortung vor Gott und dem Nächsten.
Die vierte Perspektive in jüdischer Lesart lautet:
Denk an den Sabbat und heilige ihn. Sechs Tage in der Woche sollst du arbeiten und deinen alltäglichen Pflichten nachkommen, der siebte Tag aber ist ein Ruhetag für den Herrn, deinen Gott.
Am Sabbat ruhen und ihn feiern?
(nach christlicher Lesart „Feiertag“ am Sonntag statt „Sabbat“ am Samstag)
Weil Gott will, dass seine Geschöpfe durch ihn geschützt bleiben und erneuert werden können.
Dein Leben wird beseelt, gewinnt Sinn und Liebe, wenn Du das göttliche Angebot annimmst und dich nicht vom Stress und der Hektik, vom Leerlauf und der Sinnleere, von Gleichgültigkeit und dem Hochmut, aber auch nicht von Sorgen und Ängsten beherrschen lässt. Wer aus der Quelle religiösen Lebens regelmäßig schöpft, wird mit neuer lebensdienlicher Energie beweglicher und zuversichtlicher: Sein Alltag erhält mit neuer Gelassenheit, Besonnenheit und Weisheit eine ausstrahlende Haltung.
Aber hat es Sinn, regelmäßig zur Ruhe und Besinnung zu kommen und zu versuchen, aus einer religiösen Quelle Urkraft zu schöpfen?
Für fromme Juden ist der Auszug (=“Exodus“) aus ägyptischer Sklaverei der Beginn der besonderen Geschichte Israels mit dem einen Gott, zu dem das „Volk Gottes“ sich bekennt: „Schma Jisrael (Höre, Israel), der Herr ist unser Gott, der Herr allein! Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ (5.Mose 6,4-5)
Der Sabbat, der siebte Wochentag, erinnert nicht nur an Gottes Ruhetag als Geschenk Gottes („Und Jahwe segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk erschaffen hatte.“ 1. Mose 2,3), sondern auch an die Befreiung Israels aus Ägypten. Er bietet im ritualisierten Raum mit wiederkehrenden Handlungsmustern die Möglichkeit, sich wöchentlich auf den „Exodus“ und auf „JHWE“ zu konzentrieren, sich des Einheitsbandes jüdischer Geschichte zu vergewissern und die eigene religiöse Identität mit den historischen Wuzeln zu verbinden.
Für fromme Christen ist die Auferstehung Jesu, der Sohn einer jüdischen Mutter war und nach jüdischem Ritual beschnitten wurde, das zentrale Glaubensbekenntnis: „Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.“ (1. Korinther 15,14) Der Sonntag, wörtlich „Tag der Sonne“, soll daran erinnern, dass Jesus drei Tage nach seinem Tod am Karfreitag auferstanden ist und eine neue Schöpfung begann: „Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ (Römer 6,4) Motor neuen Lebens war für Jesus die Menschlichkeit, der eigentliche Sinn des Sabbatgebotes, nicht allein das Gesetz und der Gehorsam: „Der Sabbat ist um des Menschen willen geschaffen worden und nicht der Mensch um des Sabbats willen.“ (Markus 2,27)
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland schützt den Tag „der Arbeitsruhe und seelischen Erbauung“ (Artikel 140), der zur menschlichen und sozialen Qualität sowie zum geistig-geistlichen Tiefgang des Zusammenlebens im Alltag beitragen kann.
Denn für Juden und Christen ist das regelmäßige „Ruhen in Gott“ wichtig – nicht um die Hände einfach in den Schoß zu legen, aber sie vor Gott leeren zu können, um sie mit neuem Vertrauen, neuer Kraft, Zuversicht und neuem Mut von Gott selbst füllen zu lassen. Um anschließend mitten im Alltag mit Gottes Hilfe zu rechnen.
Burkhard Budde
Veröffentlicht in der Kolumne „Auf ein Wort“ des Wolfenbütteler Schaufensters am 8.10.2023