Moment mal

Verweht im Wind

Von Burkhard Budde

Bob Dylans Antwort verweht im Wind

Moment mal

Antwort verweht im Wind

Manchmal haben wir als Jugendliche den Sonnenuntergang besonders genossen. Wenn am Lagerfeuer ein Freund mit seiner Gitarre Rockmusik anstimmte, sangen wir wie elektrisiert mit. Ganz warm ums Herz wurde es beim Folksong „Blowin‘ in the Wind“ von Bob Dylan, dem wohl bedeutendsten Solokünstler der Unterhaltungsmusik. Der Protestsong aus dem Jahr 1963 gegen das Elend eines Atomkrieges ging uns unter die Haut: In der Kubakrise im Oktober 1962 hatte die Welt 13 Tage am nuklearen Abgrund gestanden, bis das Licht der Vernunft entzündet wurde – „es kann keine Sieger nur Verlierer geben“ – sowie ein „heißer Draht“ als ständige Verbindung zwischen den USA und der Sowjetunion eingerichtet wurde.

Das Idol der Protestbewegung von 1962 bis 1964, das sich in seiner christlichen Lebensphase von etwa 1979 bis 1981 als „wiedergeborener Christ“ verstand, hat nicht nur einen musikalischen Ohrwurm geschaffen, sondern auch begeisternde Musikgeschichte geschrieben. Nicht ohne Grund erhielt 2016 der US-amerikanische Singer-Songwriter als erster Musiker den Literatur-Nobelpreis.

Noch heute können die Inhalte des Liedes „Blowin‘ in the Wind“ Menschen berühren und bewegen, zu neuen Selbst- und Weltentdeckungen führen sowie integrierende und spirituelle Kräfte wecken. Der Text der Anti-Kriegs-Hymne belehrt nicht, wiederholt nicht Parolen politischer Aktivisten, betreibt nicht das Geschäft mit der Angst, verläuft sich auch nicht im Dickicht einer Moral. Vielmehr wird mit rhetorischen Fragen Stellung bezogen sowohl gegen Krieg als auch gegen falsche Sicherheiten durch einfache Rezepte: Wie viele Straßen, Meere, Kanonenkugeln, Berge sind erforderlich? Wie viele Male muss es einen „Mann“ mit Gleichgültigkeit, Ignoranz und Selbsttäuschung geben? Wieviel Tote müssen erst da sein, bis es Veränderungen gibt? Damit eine „weiße Taube“ Ruhe findet, ein „Berg“ durch Wasser ins Meer gelangt, ein „Mensch“ Freiheit geschenkt bekommt? Damit „ein Mann“ „die Menschen weinen hört?“

Dylans mutige Antwort ist keine leichte Antwort: „Die Antwort, mein Freund, sie verweht im Wind…“

Und doch bleiben nicht nur komplexe und komplizierte Rätsel; ist da keine Bitternis. Denn wo frischer Wind sture Betonköpfe von ihrer Machtsucht befreit, existiert auch Offenheit und Verantwortung bei der ständigen Suche nach Frieden – auch mit Hilfe der begeisternden Himmelsmacht, dem Geist der Freiheit, Vernunft und Liebe, der immer wieder neu umfassenden Frieden im stets gefährdeten Frieden stiftet.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe

in der Kolumne „Moment mal“ am 9.10.2021