Moment mal
Erholsame Auszeit
Von Burkhard Budde
Auf ein Wort
Erholsame Auszeit
Tiere, die heimatlos sind, machen keinen Urlaub. Auch kennen weder Mücken, die lästig sind, noch Zecken, die Blut saugen, Festtage („Feriae“) wie früher die wohlhabenden Römer. Oder Bienen, die fleißig sind, Ferien zur Erholung wie heutige Arbeitnehmer. Auch erhalten Esel, Kamele oder Elefanten, die unfreiwillig und ungefragt Lasten tragen und ertragen müssen, nicht einfach Urlaub („urloup“), die Erlaubnis zur grenzenlosen Reisefreiheit. Nur fiktive Tiere können ihre Rucksäcke packen, um in der Ferne Abenteuer und Wohlbefinden zu suchen.
Viele Menschen ticken anders als Tiere: Die Ferien oder der Urlaub beginnen bereits häufig mit einem Schnelltransport zum ersehnten Urlaubsziel. Nicht selten werden bei vielen die Nerven strapaziert, wenn sie zusätzlichen Stress erleben, der bei Warteschlangen oder Staus entsteht. Oder sie fühlen sich wie ihr Reisegepäck, wenn die bewusste Raumerfahrung des Weges durch die beschleunigte Schnelligkeit verloren geht.
Zum Glück wollen nicht alle Reisenden beim Wettkampf um die schönsten Ferienparadiese Weltmeister werden – immer öfter, immer länger, immer weiter weg reisen, um anschließend zu Hause mit den erfüllten Leistungsbeweisen prahlen zu können. Viele kennen die Schattenseiten und Gefahren der Reizdichte exotischer Urlaubsziele: Zum Beispiel Bergtouren, bei denen sie sich selbst überschätzen können. Auswirkungen auf die Umwelt und die Einheimischen, die nicht selten unterschätzt werden. Die beschämende Beobachtung, wenn sich Urlauber aus dem Land der Dichter und Denker wie Eroberer aufführen und krakeelend mit ihren Bierdosen die ersehnte Ruhe stören. Oder der groteske Versuch, den großen Weltbürger in einer Hotelwelt zu spielen, aber sich wie ein besserwisserischer Kleingeist in Sandalen zu bewegen. Und sich beim Trinkgelage zum Affen zu machen. Oder genau den Stress und die Hektik, die eigentlich zu Hause bleiben sollten, in der Fremde zu begegnen. Vielleicht auch, weil man ihn mitgebracht hat.
Nichtsdestotrotz: Es gibt einzigartige Schönheiten in fernen Paradiesen, begeisternde Sehenswürdigkeiten in fremden Städten, atemberaubende Blicke in unbekannte Natur- und Bergwelten, erfrischendes Faulenzen im bunten Strandleben. Selbst im Leerlauf kann der Urlaubshungrige die Zeit genießen, sich verwöhnen und verzaubern lassen. Und seinen Akku mit neuer Energie aufladen.
Das gilt allerdings auch für den Urlaub zu Hause, für Exkursionen durch den Nahraum, zu Fuß oder per Rad. Ein intensives Selbsterlebnis kann ein Umherstreifen durch Wald und Flur sein. Oder eine echte Bereicherung ein Ausflug in ein nahegelegenes Erholungsgebiet.
Stets kommt es wohl auf die Freiheit an: Nicht ein „tierischer“ Zwang sollte bei der Frage einer Auszeit vom Alltag die entscheidende Rolle spielen. Wohl aber das persönlich Sinnvolle und Verantwortbare, vor allem das zweckfreie Lebensdienliche im Rahmen der eigenen Möglichkeiten.
Burkhard Budde
Veröffentlicht in der Kolumne „Auf ein Wort“ im Wolfenbütteler Schaufenster
in der Region Wolfenbüttel am 16.7.2023