Moment mal
Segen wünschen
Von Burkhard Budde

Es ist mitten in der Nacht. Die Sterne funkeln. Zwei Menschen blicken sich tief in die Augen. Mit allen Sinnen füllen sie die Stille. Sie verspüren die Grenzenlosigkeit und das Geheimnis allen Lebens, vor allem ihre unbeschreibliche Liebe. Die Liste ihrer Sehnsüchte in dieser sternenklaren Nacht ist lang. Sie wünschen sich ein glückliches und gelingendes Leben.
Wem solche Erlebnisse zu romantisch sind, kann die Wunschliste zum Beispiel anlässlich eines neuen Jahres oder eines Geburtstages beliebig verlängern oder auch ändern: „Alles Gute“, „Vor allem Gesundheit“, „Viel Erfolg“ wünschen.
Manchmal hört oder liest man auch „Ich wünsche dir Gottes Segen“.
Ist ein solcher Wunsch ein alter Zopf, der verlegen macht, vor allem von wirklich wichtigen Themen ablenkt?
Nur eine Perle, die ihren Glanz verloren hat, die aus einer längst vergangenen Zeit stammt und keine breite Ausstrahlungskraft mehr besitzt?
Oder ein Zauberstab aus einer anderen Welt, der ein wohliges Gefühl erzeugt, das sich aber schnell verflüchtigt?
Wer sich einmal mit dem „Segen“ unvoreingenommen beschäftigt, kommt zu ganz neuen Entdeckungen: Das deutsche Wort „segnen“ stammt vom lateinischen Wort „signare“ und bedeutet „mit dem Kreuz bezeichnen“. Nicht ein Mensch ist der Geber des Segens, sondern Gott als der Schöpfer des Menschen, der seinem Geschöpf Lebensraum und Lebenszeit, Lebenskraft und Lebenssinn schenkt, insbesondere letzte Geborgenheit und Frieden. Dieser Schutz- und Lebensschirm Gottes ermöglicht es dem Menschen, trotz aller menschlicher Begrenztheit, Zerbrechlichkeit und Unvollkommenheit immer wieder nach Gottes Willen zu suchen, aus seiner Kraft zu leben, damit das Leben wachsen, reifen, sich erneuern kann und fruchtbar wird.
Der Segen ist alt, aber nicht veraltet. Er ist eine spirituelle Brücke, auf der eine Begegnung mit Gott möglich wird, weil Gott selbst diese Brücke durch den Glauben an Jesus Christus gebaut hat. Menschen können deshalb dem Nächsten selbst zum Segen werden. Und unter dem göttlichen Sternenzelt der Liebe Erfahrungen sammeln, weil hier zu allen Zeiten für alle viel Platz ist.
Burkhard Budde
Veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 9.Januar 2021
sowie im Wolfenbütteler Schaufenster am 10.1.2021