Leserbrief

Reform des ÖRR

Von Burkhard Budde

Vetternwirtschaft und Selbstbedienung

F.A.Z. Leserbrief zur Reform der Öffentlich-Rechtlichen

Die Öffentlich-Rechtlichen tragen mit ihren 21 Fernseh- und 74 Radioprogrammen in unserer offenen Gesellschaft und parlamentarischen Demokratie als „vierte Gewalt“ und als Massenmedien eine besondere Kontrollverantwortung. Dazu zählt die ideologiefreie, aktuelle und umfassende Information; eine faire, ausgewogene und gründlich recherchierte Berichterstattung – ohne Ansehen der Person, der Organisation und Institution sowie unabhängig von der eigenen oder herrschenden Meinung.

Um ein Eigenleben des ÖRR mit Vetternwirtschaft und Selbstbedienungsmentalität zulasten eines Qualitätsjournalismus sowie einen Expansionsdrang zulasten der Medienvielfalt zu verhindern, brauchen die mit mehr als acht Milliarden Euro Gebühren pro Jahr finanzierten „Kontrollierenden“ selbst „Kontrolle“.

Der F.A.Z., die im Unterschied zum ÖRR ihre finanziellen Mittel erst erwirtschaften muss, danke ich, dass sie zur notwendigen Transparenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beiträgt.

Helmut Hartung (F.A.Z. vom 5. August) hat zu Recht unterstrichen, dass Rundfunk-, Fernseh- und Verwaltungsräte als ehrenamtliche Kontrolleure nicht nur mehr Macht brauchen, sondern auch mehr medienpolitische Kompetenz und Qualifizierung, mehr Expertenwissen und Expertenerfahrung, effektive Geschäftsstellen, um ihre Gesamtverantwortung gegenüber den Anstalten effektiver und effizienter wahrnehmen zu können. Um jedoch Kooperationsbereitschaft auf Augenhöhe mit den ÖRR-Mächtigen zu ermöglichen, vor allem einen Wandel im Blick auf das journalistische Leistungs- und Angebotsspektrum, auf Strukturen, Abläufe und Ergebnisse sowie transparentes und wirtschaftliches Denken, ist die reale Unabhängigkeit der Räte entscheidend: Ein Kontrolleur, der „Staatsferne“ und „Vielfaltssicherung“ repräsentieren und erfahrbar machen soll, sollte nicht nur engagiert und kompetent sein, sondern auch mit möglichen Eigeninteressen frei und souverän zugunsten seines Kontrollauftrages umgehen, auf keinen Fall in eine persönliche Interessenkollision geraten können.

Michael Hanfeld (F.A.Z. vom 6. August) weist darauf hin, dass die Politik den ÖRR „hätschelt“ und „tätschelt“. Auch die verantwortlichen Spitzenpolitiker und Parlamente, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk legitimieren, müssen unabhängiger und freier von Eigeninteressen werden, damit sie undemokratische und pseudoelitäre Deutungshoheiten und Meinungsmonopole des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besser entlarven und bekämpfen können. Und sie sollten hörbares Sprachrohr der Bürger sein, wenn die Sender diese leise oder vernehmbar einseitig erziehen wollen, zum Beispiel mit Blick auf das Gendern. (In einer Sendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde vor Tagen die eingeladene Frau mit „Gästin“ begrüßt).

Reformen sind notwendig; gleichzeitig braucht der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein journalistisches Ethos, an dem sich alle orientieren können. Und das erlebbar ist: unabhängige und freie Journalisten, die sich nicht instrumentalisieren lassen, sich nicht als Vertreter einer Weltanschauung, „befreundeter“ Gruppen, Medien oder Parteien verstehen, auch selbst nicht moralisieren oder manipulieren, sondern möglichst die ganze, komplexe und komplizierte Lebenswirklichkeit abzubilden versuchen, damit der Bürger sich eine eigene Meinung bilden kann.

Burkhard Budde

Leserbrief vom 19. August 2022 zu den Artikeln „Mehr Macht, aber nicht mehr Kompetenz“ von Helmut Hartung (F.A.Z. vom 5. August) und „Du hast das Ziel erreicht, Bonus!“ von Michael Hanfeld (F.A.Z. vom 6. August)