Moment mal

Pflänzchen Vertrauen

Von Burkhard Budde

Vertrauen ist wie ein kleines Pflänzchen…

Ist Vertrauen gut, Misstrauen jedoch besser? Wer einmal Heiratsschwindlern, Loverboys oder Rattenfängern auf den Leim gegangen ist, wird die Frage sicherlich bejahen. Ihr Vertrauen ist schamlos missbraucht worden. „Seine Versprechungen“, erzählt ein verbitterter und unglücklicher Mensch, „hat ausgerechnet der nicht gehalten, den ich so sehr geachtet habe.“ Sein Vertrauen sei weggeschmolzen. Der Getäuschte ist verletzt und tief enttäuscht.

Leider gibt es in allen Lebensbereichen Vertrauensbrüche und „falsche Fünfziger“: Scheinheilige mit verführerischem Heiligenschein und Scheingrößen mit gespielter Kompetenz. Tugendwächter, die anderen politische und kulturelle Benimmregeln beibringen wollen, sich selbst aber nicht daran halten. Wer in der Verantwortung steht, das Vertrauen jedoch durch eine gespaltene Zunge, durch Gier oder Würdelosigkeit erst einmal verspielt hat, darf sich über Misstrauen und Missachtung nicht wundern.

Aber – zum Glück – kann verlorenes Vertrauen wieder zurückgewonnen werden, auch wenn das nicht einfach ist, Zeit, Einsicht, Veränderung und Einsatz braucht.

Vertrauen ist wie ein kleines Pflänzchen. Es wächst nicht auf Befehl, Anordnung oder per Knopfdruck. Wer ihm mit der Heckenschere zu nahe kommt – zum Beispiel mit Selbstgerechtigkeit – sät nur neues Misstrauen und zerstört den Beginn vertrauensbildender Maßnahmen. Das kleine Pflänzchen braucht auch keine Gießkanne, zu viel Wasser wie undifferenzierte Kritiksucht, das Entwicklungen ertränkt.

Hilfreich erscheint vielmehr ein umfassendes Bewässerungssystem, das gezielt und präzise neues Vertrauen fördert: Zum Beispiel durch ehrliche Offenheit, unabhängige Aufklärung und unvoreingenommene Aufarbeitung, also ohne gezinkte Karten und ohne verlogenes Theater- und ängstliches Versteckspiel. Durch Verlässlichkeit und Berechenbarkeit, also ohne Wechselbäder der Gefühle und Erlebnisse. Durch Verschwiegenheit und Fairness, also ohne unbefugtes Weitererzählen und ohne nur eine Seite gehört zu haben. Natürlich auch durch die Schutzzäune der Kompetenz und Sicherheit, des Rechts und der Gesetze, vor allem jedoch durch persönliche Glaubwürdigkeit.

Im Garten des Lebens bleibt auch neu gewachsenes Vertrauen stets ein Wagnis. Das Selbst- und Fremdvertrauen erfährt jedoch im Gottvertrauen eine neue Perspektive. Denn wenn Gott – mein Lebensgrund – für mich ist, wer mag dann gegen mich sein? Dieses Vertrauen trägt durch Krisen hindurch. Gesundes Misstrauen bleibt gut; um jedoch nicht in eine Falle zu tappen, sind begründetes und kritisches Vertrauen sowie persönliche Verantwortung besser.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe

in der Rubrik „Moment mal“ am 27.3.2021