Moment mal

Muttertag – Grund zur Dankbarkeit

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Muttertag – Grund zur Dankbarkeit 

Etwa 500 Nelken soll Anna Jarvis, eine unverheiratete und kinderlose Lehrerin aus West Virginia, nach einem Gottesdienst verteilt haben. Mit der Lieblingsblume ihrer verstorbenen Mutter wollte sie an die Lebensleistung ihrer Mutter, aber auch an die „Werke aller Mütter“ erinnern. Mit dieser Aktion aus dem Jahr 1908 begann die Geschichte des Muttertages, der jährlich am 2. Maisonntag gefeiert wird.

Der Gedenktag an die eigene Mutter ist für viele Menschen immer noch wichtig – weniger als ein Geschenktag, mehr als ein Tag des Dankens. Die Gründe sind vielfältig, individuell unterschiedlich und ganz persönlich:

Für manche war oder ist die Mutter Mittelpunkt und Rückgrat der Familie. Andere beschreiben ihre Mutter als Vorbild und Taktgeberin der eigenen Persönlichkeitsentwicklung. Wieder andere erinnern sich ganz konkret an ihre Fürsorge und Zuwendung. „Meine Mutter war zugleich eine meiner besten Freundinnen“, erzählt eine Tochter über ihre verstorbene Mutter.

Aber auch gemischte Gefühle können auftauchen. So berichtet ein Sohn über seine Mutter: „Es gibt im Leben meiner Mutter Sonnenseiten, aber auch Schatten“.

Am Muttertag wird es wohl stets einen subjektiv ausgewählten Erinnerungs- und Deutungsmix geben. Man belastet sich auch nur selbst, wenn man einen Menschen  – unabhängig von seiner Rolle als Mutter, Vater oder Kind  – auf ein Merkmal oder eine Erinnerung reduziert. Denn ein Mensch ist zu komplex, zu widersprüchlich, zu undurchsichtig, zu unberechenbar, als ihn einfach und für immer in ein „gutes“ oder „schlechtes“ Schubfach einzusortieren. Weder eine Romantisierung („die beste Mutter auf der ganzen Welt!“) noch eine Dämonisierung („ein undankbares und böses Kind!“) werden der Wirklichkeit eines Menschen gerecht, die noch verzwickter und überraschender ist als jede Vorstellung über oder jede Erinnerung an ihn. Denn immer gibt es bei der Suche nach einer gerechten Beurteilung nur persönliche Teilwahrheiten oder auch eigene Interessen, häufig Wahrnehmungskonflikte und Erinnerungslücken im Blick auf eine konkrete Situation mit ihren besonderen Bedingungen.

Nichtsdestotrotz bietet der Muttertag jenseits kalter Gleichgültigkeit und heißer Schwärmerei die Gelegenheit, der Mutter für das eigene Leben aufrichtig zu danken – ohne Theaterspiel, ohne Träumerei und ohne Berechnung. Die Bejahung der eigenen Geburt ist leider keine Selbstverständlichkeit. Sie ist deshalb der eigentliche Grund der Dankbarkeit.

Am Muttertag kann darüber hinaus deutlich werden: Jeder Mensch braucht einen Menschen, der wie eine „gute Mutter“ ist – mit einer wertschätzenden und positiven Grundhaltung, einem empathischen und selbstkritischen Verhalten, einem konstruktiven und produktiven Aushalten unterschiedlicher Bedürfnisse, Interessen, Vorstellungen und Deutungen.

Manchmal reicht eine Rose aus, die blüht und duftet, aber auch Dornen haben kann, um der geliebten und liebenden Mutter eine Freude zu bereiten. Oder ein Anruf. Und dem Dankbaren, der gerecht und weit genug zu denken versucht, wird durch die Erinnerung an die gemeinsame Vergangenheit ein gemeinsames Glückserlebnis geschenkt.

Burkhard Budde