Moment mal
Menschen in Gefahr
Von Burkhard Budde

Menschen angesichts der Pandemie
Gefahr ist im Vollzug – für Körper, Geist und Seele, auch für das soziale Leben. Menschen reagieren unterschiedlich: Ein Mensch zieht sich in sein Schneckenhaus zurück. Ein anderer ballt seine Fäuste. Wieder einer steckt den Kopf in den Sand, behauptet die Luft sei rein. Ein Mensch bewegt sich nicht von der Stelle, fängt an zu jammern. Einer erlebt Wechselbäder, seine Stimmung schwankt. Manche Menschen entwickeln eine „dünne Haut“, werden überempfindlich; andere ein „dickes Fell“, werden unempfindlich. Manche zeigen jedoch auch Rückgrat und geben anderen Rückhalt.
Gibt es Wege aus der Gefahr, die real, nicht eingebildet ist, aber geleugnet werden kann? Helfen gutgemeinte Fürsorgeappelle wie „Pass auf dich auf!“, „Sei diszipliniert!“? Reichen Maßnahmen, Verbote und Kontrollen des Staates aus? Oder sind Nachbarn als Aufpasser und Hilfspolizisten zusätzlich erwünscht? Müssen Menschen erst moralisch erpresst werden, damit sie sich zusammenreißen? Können kluge Gurus weiterhelfen, wenn apokalyptische Fantasien ihr Unwesen treiben?
Jeder Mensch – wenn er ehrlich zu sich selbst ist – braucht in seiner Gefahr – wie die konkrete Not auch immer aussehen mag – zunächst und vor allem einen Menschen:
Ein offenes Ohr, das den leisen Ruf nach der Bitte um Verstehen und Verständnis hört.
Offene Augen, die hinter dem Rollenspiel den Menschen selbst, seine Ängste und Hoffnungen, auch seine Wirrungen und Irrungen sehen.
Einen Mund, der die menschliche Not mit eigenen Worten wiedergibt, damit Vertrauen wächst; der schweigen kann, um die Not gemeinsam auszuhalten; der auch widerspricht, wenn die Not dadurch gewendet werden kann.
Eine Hand, die ihn zärtlich berührt, ergreift und begleitet bis er selbstständig und eigenverantwortlich der Gefahr begegnen und sie bewältigen kann.
Und manche verspüren beim Mitgefühl eines Nächsten, dass in der Gefahr eine besondere „Rettung“ naht: Die Nähe des Schöpfers, der sein Geschöpf in der Not nicht allein lässt. Und ihm neues Vertrauen, neue Zuversicht und Kraft, neue Menschlichkeit schenkt.
Burkhard Budde
(Veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 21.11. 2020)