Moment mal

Mehr als ein Spiel

Von Burkhard Budde

Auf der Bühne des Lebens

Moment mal 

Mehr als ein Spiel

Faszinierendes geschieht auf der Bühne des Lebens: Unterhaltung und Bildung, Erfolgserlebnisse und Glücksmomente, aber auch gähnende Langeweile, bedrückende Einsamkeit und böse Überraschungen. Aufmerksame Zuschauer erleben noch mehr: Bosse ihres eigenen Lebens, die ins Scheinwerferlicht drängeln. Trittbrettfahrer einer Übermoral, die andere zu bevormunden trachten. Halbgötter in verschiedenen Gewändern, die keine anderen Götter neben sich dulden. Lichtscheue Gestalten aus Angst oder aus „guten Gründen“, die sich gerne im Dunkeln verstecken. Marionetten mit großen Augen, die im Zwielicht strampeln und behaupten frei zu sein. (Über-) Lebenskünstler, die in sich selbst mal Licht, mal Finsternis, mal Grauzonen, mal Schatten erleben, sich jedoch auf der Bühne je nach Situation geschickt anpassen oder verstellen, und jederzeit sprunghaft bleiben, weil sie unbelehrbar sind.

Neugierige Zuschauer, die alles beobachten, haben ihre Erfahrungen und Erwartungen mitgebracht, aber auch ihre Lust und ihre Launen. In ihrer Phantasie spielen sie Rollen durch, schlüpfen in verschiedene Rollen, wechseln die Räume und werden Teil des Schauspiels. Und sind plötzlich selbst aktive Mitspieler – ihres eigenen Lebens in einer komplexen Welt.

Eine Souffleuse flüstert einem neuen Mitspieler zu: „Der Zweck heiligt die Mittel.“ Jedes Mittel – auch Täuschung oder Lüge – sei erlaubt, wenn man sein Leben „machtvoll“ gestalten wolle. Eine andere Souffleuse widerspricht: „Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem andern zu.“ Und erläutert: „Wenn Du selbst nicht getäuscht werden willst, solltest Du auch andere nicht täuschen“.

Eine dritte Souffleuse erinnert an den „Kategorischen Imperativ“ des Philosophen Kant (1724-1804): „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Der Grundsatz, der das eigene Handeln bestimme, müsse verallgemeinerungsfähig sein. Und die Verantwortlichkeit, das große Ganze und das Allgemeine seien wichtig.

Eine vierte Souffleuse, die sich auf den Philosophen Jonas (1903-1993) beruft, ergänzt: „Vergiss bei deinem Handeln nicht die Folgen, auch nicht die für die nächste Generation.“

Eine fünfte Souffleuse zitiert die Goldene Regel Jesu, die sein Liebesgebot positiv, offensiv und ohne moralischen Zeigefinger zusammenfasst: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut ihr ihnen auch.“ (Matthäus 7,12) Demnach könnte wechselseitige Achtung klug und weise sein, um auf der Bühne des Lebens nicht Spielball anderer zu werden, sondern selbstbewusster Spieler zu sein: Der z.B. in Abwesenheit eines Mitspielers so über ihn spricht, als sei er anwesend, also ein faires Spiel spielt, das er selbst erwartet. Der mit Hilfe des Spielplans der schöpferischen Liebe geistige Dunkelheit erhellen, seelische Kälte erwärmen und soziale Gräben überwinden kann. Und der dem Regisseur allen Lebens gegenüber, dem er letztverantwortlich ist, auch sein Leben verdankt.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe in der Kolumne „Moment mal“ am 31.7.2021