Moment mal

Mehr als Stoff

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Mehr als ein Stück Stoff

Ein Mantel ist mehr als ein Stück Stoff.

Stolz präsentiert ein Mann seinen neuen Mantel: Er sieht schick aus, schön und stilvoll, passt vor allem zu ihm und ist bequem. Das „gute Stück“ stärkt zudem sein Selbstwertgefühl. Er fühlt sich einfach „wohl“, geborgen und sicher.

Im Leben gibt es unterschiedliche Mäntel. Je nach Situation und Aufgabe bedeutet das An- und Ablegen eines Mantels zugleich einen Rollenwechsel sowie neue Herausforderungen und Perspektiven:

Ein Bademantel wird getragen, um sich als Badegast vor Wind und Kälte zu schützen, vielleicht auch vor allzu neugierigen Augen.

Ein Königsmantel repräsentiert nicht nur Autorität und Tradition, sondern gleichzeitig Macht und Herrschaft.

Eine Robe, die einheitliche Amtstracht von Juristen, signalisiert neben Status und Würde auch die Gleichheit aller vor dem Gesetz sowie die besondere Verantwortung, wenn im Namen des Volkes ein Urteil gesprochen wird. 

Priestergewand und Talar sind Zeichen dafür, dass Person und Amt besonders im gottesdienstlichen Kontext zusammengehören, dass der Träger von seinem kirchlichen Auftrag getragen wird, jedoch auch seine Beauftragung nicht als persönliche Spielwiese missverstehen oder gar missbrauchen darf.

Der Mantel des Heiligen Martins, der geteilt worden ist, damit ein Bettler nicht erfrieren musste, erinnert an die Nächstenliebe, die die Not eines Menschen wahrnimmt sowie mit Herz und Kopf bekämpft.

Der Mantel der Maria, der im Glauben Himmel und Erde verbindet, schenkt dem Gläubigen im Gebet Schutz, Zuversicht und Mut.

Und als Jesus auf einem jungen Esel in Jerusalem einzog, waren nicht nur die ausgestreuten Palmzweige, sondern auch die ausgebreiteten Mäntel des Volkes ein Willkommensgruß für den gewaltlosen Friedenskönig.

Aber zurück zur Gegenwart. Manchmal gibt es abgenutzte und ausgefranste Stellen an einem Mantel, Löcher in den Taschen oder Knöpfe, die sich lösen. Und wenn der erste Knopf ins falsche Loch geraten ist, können – welche Tragik! – alle folgenden Knöpfe „korrekt“ geknüpft sein; dennoch stimmt die Reihenfolge nicht. Dann hilft nur ein umfassender Neuanfang.

Sinnbildlich heißt das: Manchmal ist das Denken oberflächlich und flüchtig, diffus und kleinkariert, fehler- und lückenhaft, langweilig und bitter, böse und gehässig.

Dann nutzt auf Dauer kein Deckmantel, der das Denken – und das Verhalten! – geschickt zu bemänteln versucht.

Auch kein Büßergewand, das mit gesenktem Haupt moralisches Theater spielt. Auch kein Mantel des Schweigens, um Täter zu decken und Opfer zu ignorieren.

Dann hilft nur ein neues Leben mit echten Neuanfängen. Eben ein Mantelwechsel, den alten Mantel der Bosheit, Falschheit und Gewalt zu entsorgen und den neuen Mantel des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe anzuziehen. Und in diesem „Weltenmantel“  – angesichts des Himmelzeltes als Zeichen der bedingungslosen Liebe Gottes – kann jeder Mensch in liebender Vernunft und letzter Verantwortung vor „Gott des Himmels und der Erden“ leben.

Sowie im Ehrenkleid als Geliebter Gottes selbstkritisch, selbstständig und selbstverantwortlich werden.

Burkhard Budde

Veröffentlicht auch im Wolfenbütteler Schaufenster in der Region Wolfenbüttel am 4.6.2023