Moment mal

Mächtige Liebe

Von Burkhard Budde

Romantische Liebe in unromantischer Zeit

Moment mal

Die Macht der Liebe

Gibt es noch frisch verliebte Paare? Oder verschwindet die romantische Liebe langsam auf leisen Sohlen? In einer Zeit, in der es auf ein vorsichtiges Wechselspiel aus Nähe und Distanz ankommt? In der doch Abstandhalten wichtiger ist als der Traum vom Himmel auf Erden, der angesichts der Pandemie schnell zum Albtraum werden kann.

Wie aus einer fernen Zeit sitzen zwei Liebende auf einer Bank im Park. Nur der Baum hinter ihnen ist ihr Zeuge. Wer aus der Ferne einen Blick auf das Paar riskiert, entdeckt ihre geröteten Gesichter. Ihre strahlenden Augen, die die Augen des anderen mit den großen Pupillen suchen und an den Lippen kleben. Die Hände, die sich „zufällig“ berühren. Ihr glückliches Lächeln, das den anderen zu spüren ahnt. Ob ihre Nasen versuchen, die Gerüche des anderen aufzunehmen? Ihre Münder zärtliche Worte der Sehnsucht flüstern? Ihre Herzen höher schlagen und sich vertrauensvoll ausliefern?

Beide erscheinen weder zugeknöpft noch verkopft. Vielmehr wirken sie zusammen wie ein mutiger Leuchtturm, der Hoffnung auf neues Glück schenkt – im Meer der Orientierungslosigkeit, Mutlosigkeit  und Angst. Wie eine einsame Insel, die Menschen Zuflucht gewährt – im Meer gereizter Ruppigkeit, mieser Stimmung und schlechter Laune.

Der 14. Februar, der traditionelle Valentinstag, kann angesichts eines frisch verliebten Paares mehr sein als ein Tag der  Geschenke, die als Zeichen der Wertschätzung und Liebe nicht unwichtig sind. Mehr sein als eine legendäre Erinnerung an einen Mönch aus dem dritten Jahrhundert im alten Rom, der Liebespaaren aus dem Klostergarten Blumen geschenkt hat, die noch heute ohne viele Worte sprechen können. Der als Bischof heimlich Paare christlich getraut hat – darunter auch Soldaten, die damals unter Kaiser Claudius II. nicht heiraten durften. Und als Märtyrer wohl am 14. Februar 269 hingerichtet wurde – einem Tag, der auch zu Ehren von Juno, der römischen Göttin der Geburt, Ehe und Fürsorge gewidmet war.

Warum sollte der Valentinstag nicht auch als ein Tag der „Macht der Liebe“ gefeiert werden, der auf den Alltag von Pärchen, aber auch von Singles ausstrahlt? Die „Macht der Liebe“  – recht verstanden –  moralisiert, zensiert, bevormundet, verurteilt nicht. Sie ist vielmehr eine Urquelle schöpferischer und bedingungsloser Liebe für alle, aus der auch Menschen mit Liebeskummer oder Verbitterung Trost und Zuversicht schöpfen können. Und die erfrischende Kraft geschenkt bekommen,  Gleichgültigkeit und Hochmut, Hass und Neid zu überwinden.

Die Macht der Liebe, die für Christen die Macht des barmherzigen und frohmachenden Gottes ist und kein Haltbarkeitsdatum kennt, befähigt zur freien und liebenden Vernunft. Und kann – wie der Anblick eines frisch verliebten Paares – nachdenklich machen, aber auch das Herz berühren und begeistert begeistern.

Burkhard Budde

Veröffentlicht  im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe

am 12.2.2022 in der Kolumne „Moment mal“