Moment mal

Liebe wächst mit Liebe

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Liebe kann wachsen 

Eine romantische Liebe ist letztlich ein Geschenk – wie zwei kostbare Augen, die einzigartig und einmalig, überwältigend und faszinierend sind, aber nicht herstellbar und leistbar. Wenn frisch Verliebte sich tief in die Augen sehen, pocht ihr Herz, wird sehnsüchtig und zärtlich an die Herzenstür geklopft – in der Hoffnung auf freiwilligen Einlass sowie auf ein Herz und eine Seele.

Der 14. Februar erinnert jedoch nicht nur an einen Tag mit offenen Herzen voller Glück, sondern auch an Liebeskummer, an das Scheitern sowie an Neuanfänge umfassender Liebe, natürlich auch an den St. Valentin aus dem 3. Jahrhundert nach Christus, den Schutzpatron aller Liebenden.

Vielen Mitmenschen ist es nicht so wichtig, ob Valentin ein Mönch gewesen ist, der Blumen aus dem Klostergarten an Liebende verschenkte. Oder ein Bischof, der trotz Verbot heimlich christliche Paare traute und deshalb hingerichtet wurde. Oder ein Heiliger, der den Kaiser so provozierte, dass er ihn an einem 14. Februar hinrichten ließ.

Viel wichtiger erscheint der Gedenktag als ein Anlass, jenseits von Kommerz und Konsum mit kleinen Geschenken Zeichen der Liebe und der Wertschätzung zu setzen – sei es z. B. mit Blumen, Pralinen, Grußkarten oder mit Gedichten. Da es Liebesbekenntnisse nicht nach Schema F gibt, habe ich mir erlaubt, die Parabel „Liebe wächst mit Liebe“ für alle meine Leser zu verfassen:

Zwei Menschen, die sich wie im siebten Himmel fühlten, trafen einen Engel. „Was können wir tun, damit wir glücklich bleiben?“ fragten sie ihn. „Schöpft regelmäßig aus diesen Gefäßen, dann wird eure Liebe wachsen“. Das erste Gefäß war voller Vertrauen. „Wer daraus schöpft“, erläuterte der Engel, „erlebt, wie wichtig es ist, offen und ehrlich, zuverlässig und verschwiegen zu sein, ohne blauäugig zu werden.“ Das zweite Gefäß war voller Verantwortung. „Wenn ihr viel Vertrauen geschenkt bekommt, wächst eure Verantwortung. Es ist wichtig, auch über kontroverse Fragen zu sprechen, ohne seinen eigenen Kopf abzuschalten.“ Das dritte Gefäß war voller Leidenschaft. „Ihr braucht die Sehnsucht nach körperlicher Nähe, um die Neugierde auf den anderen nicht zu verlieren, ohne den Respekt vor dem anderen über Bord zu werfen“. Das vierte Gefäß war voller Hoffnung. „Wenn eine Beziehung in Krisen gerät, braucht ihr die Hoffnung auf neues Vertrauen, auf neue Verantwortung und neue Leidenschaft“. Und das gelinge nie im Alleingang, sondern nur, wenn beide zu Neuanfängen, zu Kompromissen, zu Vergebung und Versöhnung bereit seien, ohne dass einer dabei sein Gesicht verlieren müsse.

Die Liebenden dankten dem Engel und schöpften fleißig aus den Gefäßen. Im Laufe der Zeit merkten sie tatsächlich, dass Liebe schön, aber nicht immer einfach ist. Ein zeitweises Maskenspiel unliebsamer Unaufrichtigkeiten verhinderte, den anderen so anzunehmen wie er ist; ein gelegentliches Versteckspiel hinter bevormundender Moral verhinderte die persönliche Verantwortung; ein bequemes Pflichtspiel starrer Gewohnheiten verhinderte das leidenschaftliche Begehren. Und die Hoffnung in Enttäuschungen und Depressionen konnte ihre Liebe nicht immer beflügeln.

Da tauchte der Bote des Himmels mit einer denkwürdigen Botschaft auf: „Ihr müsst im Endlichen eurer Liebe die ewige Liebe suchen. Eure Liebe ist mehr als ein Spiel. Den tieferen Sinn und die verborgene Wahrheit eurer Liebe entdeckt ihr in der schöpferischen Liebe Gottes, die nur Neuanfänge kennt, die euch bereits gefunden hat. Und eure Liebe beseelt und erneuert.“

Als beide diese Botschaft in ihren Herzen bewegten, in ihren Köpfen bedachten und mit ihren Händen berührten, befanden sie sich nicht auf Wolke sieben, wohl aber erlebten sie ein Stück Himmel auf Erden.

Burkhard Budde