Moment mal

Licht im Grauen

Von Burkhard Budde

Gibt es im Grauen Licht?

Moment mal

Licht im Grauen

Es gibt viele Engel, die  dem Aufbau des Lebens dienen. Aber es gibt auch Teufel, die das Leben zerstören. Und es gibt Menschen, die eine Mischung aus engelhaft Gutem und teuflisch Bösem sind. Keiner sollte sich täuschen lassen: Bösartige Menschen können sich als nette Menschen ausgeben und dennoch die Würde ihrer Mitmenschen mit Füßen treten.

Soll man dann flüchten oder angreifen, kapitulieren oder sich dem Schicksal fügen?

Es gibt auch die Möglichkeit dazuzulernen, indem zunächst die Realität wahrgenommen wird: Eine Welt ohne „Teufel“ gibt es nicht. Man kann mit Engelszungen reden: Aber Menschen ändern sich weder einfach durch positive Vorbilder noch durch humane Werte – wenn sie es selbst nicht wollen. Es gibt Menschen, die bleiben stur und selbstgerecht in ihrem Echoraum sitzen, hören nur das, was sie hören wollen, suchen Bestätigung, keinen offenen Austausch und schon gar keine eigene Entwicklung.

Es befreit jedoch einen Menschen, wenn er akzeptiert, dass nicht alle Mitmenschen so denken wollen wie er selbst, dass im Meer des Lebens immer auch Inseln ohne faire Streitkultur, aber mit viel Feindschaft existieren, sogar vor der eigenen Küste. Und dass es für das Leben wichtiger ist, diesen Teil der Realität ernst zu nehmen als unvorbereitet von einem Sturm des Bösen überflutet zu werden.

Auf brutale Angreifer, aber auch auf unsichtbare Teufel mit Engelsmiene wütend zu sein, ist menschlich. Aber keiner muss selbst ungehemmt und zügellos werden. Klüger ist es, eigene Rachegedanken in eine verantwortungsvolle Aktivitätskultur zu verwandeln. Und weitsichtiger, freie Inseln effektiver zu schützen sowie Verbrecher glaubwürdiger abzuschrecken.

Manche lernen von Goethe, der den teuflischen Mephisto als „Teil von jener Kraft, die stets das Böse will, und stets das Gute schafft“ und den wahrheitsliebenden Faust als „böse“ bezeichnet hat, der jedoch seinen Hass in schöpferische Aktivitäten – „immer strebend“ – umzuwandeln versuchte.

Andere schöpfen aus der Quelle christlicher Wahrheit, um sinnlosen Hass furchtlos mit Rückgrat und Tatkraft bekämpfen zu können. Oder auch um mit dem Hassenden so lange leben zu lernen, bis die Dunkelheit des Grauens sich selbst verändert, indem sie ein neues Licht der Vernunft und Menschlichkeit gebiert.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 26.3.2022

in der Kolumne „Moment mal“