Moment mal
Lebendiger Humor
Von Burkhard Budde

Moment mal
Humor als Rettungsring
Verfügen wir (noch) über eine heitere Gelassenheit? Oder ist uns das Lachen gründlich vergangen?
Gründe dafür gäbe es ja reichlich – nicht nur die Erdbebenkatastrophe oder der brutale Krieg. Auch mitten im Alltag: Ein Lachen kann im Hals stecken bleiben – angesichts eines grimmigen Gesichtes, eines verlogenen Grinsens oder eines moralisierenden Zeigefingers. Oder bei Streitereien um des Kaisers Bart, bei kleinkarierter Rechthaberei, bei einem unbelehrbaren Bildungsverweigerer, bei freudlosen Benimmregeln, bei selbstverliebten Machtkämpfen. Dann wird selbst goldener Humor humorlos oder zum Galgenhumor.
Wahrer Humor bleibt dennoch eine (Über-)Lebensstrategie: Wenn der Ernst des Lebens zum Heulen ist, ein Mensch zu ertrinken droht, dann kann der Humor wie ein Rettungsring wirken: Er bietet Halt, damit ein Ertrinkender nicht untergeht. Ein hilfloses Auflachen wird angesichts einer bedrohlichen Situation entschärft, ein totaler Kontrollverlust verhindert und ein neuer seelischer Balanceakt möglich. Und überhaupt: Ein spontanes Mitlachen wirkt wie ein reinigendes Gewitter, wenn Eitelkeiten und Selbstgefälligkeiten auf den Kopf gestellt werden.
Humor ist jedoch zugleich wie ein Medikament mit Nebenwirkungen. Eine Überdosis führt zu Grenzüberschreitungen wie Schläge unter die Gürtellinie, ein Auslachen auf Kosten von Minderheiten oder Schwächeren. Es gibt ein demütigendes Lachen, das sich nicht einfach Weglachen lässt sowie ein künstliches Lachen auf intellektuellen Stelzen, das nur verkniffenes Mitgegröle erntet. Und es gibt einen billigen Humor zu Lasten des christlichen Glaubens, der bei anderen Religion wegen des hohen „Preises“ vorsichtshalber vermieden wird.
Einen besonderen Durchblick bietet ein Blick in den eigenen Spiegel: Mensch, nimm dich nicht so ernst. Du bist nicht der Nabel der Welt. Du bist geschaffen. Du kannst Gott spielen, aber nicht Gott sein. Du bist vergänglich. Du kannst dich selbst täuschen, aber dein Selbst ist zerbrechlich. Du bist unvollkommen. Du kannst versuchen, dein Leben zu perfektionieren, aber du bleibst auf Barmherzigkeit angewiesen.
Diese Gewissheit ermöglicht es, über eigene sowie fremde Absurditäten zu lachen. Um anschließend – von seelischer Schlacke befreit – Prioritäten zu setzen, mit Grenzen leben zu lernen und das Nötige im Möglichen zu tun. Den eigentlichen Sinn der Lebenskomik kann ein Mensch getrost Gott überlassen, der selbst auf krummen Linien gerade schreibt. Und auch im Leiden neue Lebensfreude und heitere Gelassenheit schenken kann.
Burkhard Budde
Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe in der Kolumne „Moment mal“ am 18.2.2023 und im Wolfenbütteler Schaufenster in der Region Wolfenbüttel in der Kolumnhe „Auf ein Wort“ am 19.2.2023