Moment mal
Leben lieben
Von Burkhard Budde

Vicky Leandros liebt – trotz allem – das Leben
Moment mal
Das Leben lieben
Ist „Liebe“ nur ein großes Wort, das die Sehnsucht nach Geborgenheit weckt? Oder ein Zauberwort, das im Liebesschmerz für gute Laune sorgt und zum neuen Verlieben einlädt?
Im Jahr 1975 wurde der Schlager „Ich liebe das Leben“ veröffentlicht. Hat die deutsch-griechische Sängerin Vicky Leandros mit diesem nachhaltigen Lied die „Liebe“ zu einem Schlüsselwort gemacht?
Die erste Strophe – ein fast trostloser Anblick einer traurigen Wirklichkeit – berichtet von zwei Menschen, die dabei sind, sich zu trennen. Der „Koffer“, der schon im Flur steht, ist kein Hinweis auf eine schöne Reise, sondern auf Umbruch und Alleinsein. Der Abschied geschieht in einer Sphäre der Unsicherheit, mit Zweifeln („Es muss wohl so sein“) und Fragen („Was wird aus dir?“).
Mit dem Refrain folgt eine Art Paukenschlag: „Nein, sorg dich nicht um mich. Du weißt, ich liebe das Leben.“ Und eine besondere Begründung: „Das Karussell wird sich weiter dreh’n.“
Die zweite Strophe – ein selbstkritischer und zugleich unbestimmter Rückblick – spricht von möglichen Wahrnehmungsschwächen der eigenen Person, aber auch von verzweifeltem Hoffen auf ein Feuer, „wo es nur noch glimmt.“ Aber man sterbe ja nicht gleich daran.
In der dritten Strophe – ein ermutigender Ausblick – keimt Hoffnung in einer neuen Freiheit auf, auf neues Verliebtsein. Denn die Welt sei schön. Und auf vertrauensvolle Neugier komme es an. „Wie’s kommt ist einerlei.“
Jahre später – 2016 auf der Beerdigung des Politikers Guido Westerwelle – hat die Sängerin das Lied auf die Trauerfeier und den Verstorbenen bezogen und interpretiert („Du bleibst im Herzen sicherlich.“)
Ist „Liebe“ auch ein Trostwort, das eine endgültige Trennung leichter ertragen lässt? Weil die Hoffnung auf Neuanfänge für Trauernde – selbst am Ende eines Lebens – durch den Glauben an die schöpferische Liebe nicht stirbt? Weil sich das „Karussell“ – der Kreis als Symbol des Lebens ohne Anfang und Ende – weiterdreht? Weil im Glauben an die Botschaft Jesu und an Gott – im „glühenden Backofen voller Liebe“ (Martin Luther) – trostlose oder verhärtete Herzen geschmolzen werden? Und zu einer unsichtbaren Gemeinschaft mit dem Schöpfer in der Ewigkeit zu einem neuen Leben verschmelzen?
Damit alle das Leben hier und jetzt auch in und nach schmerzhaften Krisen wieder lieben lernen.
Burkhard Budde
Veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe
in der Kolumne „Moment mal“ am 23.10.2021