Moment mal
Krankheit
Von Burkhard Budde
Krankheiten kommen und gehen…
Krankheit als Kränkung?
Kann eine Krankheit einen Menschen kränken? Können unbekannte Ohnmachtsgefühle ein sonst stolzes Ich demütigen? Manche Menschen erleben nicht nur im Zusammenhang mit dem Corona Virus unerwartete Erschütterungen ihrer Existenz.
Bei einem gesundheitsliebenden Menschen zum Beispiel, dem gesunde Ernährung, ein gesunder Lebensstil sowie ein ausgewogenes Arbeits- und Privatleben immer wichtig waren, taucht plötzlich eine heimtückische Krankheit auf. Existenzängste nehmen ihm die Lebensfreude. Quälende Selbstzweifel nagen an seinem Selbstbewusstsein: Was habe ich falsch gemacht? Womit habe ich das verdient? Nur langsam ergreift die Person den Rettungsring der Hoffnung, um zu begreifen, dass auch kleine Dinge und Gesten eine größere Bedeutung haben können. Und dass auch ein Sinn in der Sinnlosigkeit versteckt sein könnte.
Oder ein freiheitsliebender Mensch, der sich engagiert für Freiheitsrechte eingesetzt hat. Ihn ereilt wie ein Blitz aus heiterem Himmel eine erschreckende Krankheit. Wegen eines medizinischen Grundes – auch zu seinem eigenen Schutz – sowie mit richterlichem Beschluss ist ein „Fixieren“ notwendig, eine Fesselung durch einen Gurt. Welche beklemmenden, auch aggressiv oder depressiv machenden Gefühle erlebt diese Person in ihrem Inneren? Nur langsam wächst das Pflänzchen des Vertrauens zu ihrem Umfeld. Sie resigniert nicht, sondern lässt ihre vorübergehende Fremdbestimmung zu. Und hofft auf Genesung und ein selbstbestimmtes Leben mit erneuerten Beziehungen.
Oder ein erfolgreicher Mensch, der zu Recht auf seine Funktion und Position, sein Können und seinen Ruf stolz ist. Er hat vielen anderen geholfen, sich selbst kann er aber wegen seiner „fiesen“ Krankheit nicht helfen. Jetzt ist er Patient, Leidender, abhängig und angewiesen auf andere Menschen. Kann er ihnen persönlich vertrauen, ihrer Kompetenz etwas zutrauen? Er lernt, sich anderen Menschen begründet anzuvertrauen. Und dass seine Werte- und Hierarchiewelt einer Neubewertung bedarf.
Wonach sehnen sich viele kranke Menschen? Dass sie bald genesen. Dass sie die notwendige fachlich kompetente Hilfe erfahren. Dass die Kümmerer zudem freundlich, verständnisvoll und engagiert sind. Dass – um es „theoretisch“ auf den Punkt zu bringen – erlebbare Barmherzigkeit als gelebte Verantwortung persönlich erfahrbar ist. Und dass – ganz „praktisch“ – die gekränkte Seele kranker Menschen durch unbedingte Achtung ihrer Würde, die alle Menschen von Gott geschenkt bekommen haben und die sie auch in ihrer Krankheit nicht verlieren, möglichst schnell heilt.
Burkhard Budde
Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe
in der Kolumne „Moment mal“ am 21.8.2021