Moment mal

Kirchen am Ende?

Von Burkhard Budde

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Kirchen am Ende?! 

Gibt es ein Schrecken ohne Ende für die Kirchen in Deutschland? Führt der dramatischen Ansehens-, Vertrauens,- Kompetenz- und Theologieverlust der christlichen Kirchen direkt in den Abgrund der Bedeutungs- und Wirkungslosigkeit? 

Wird ein geistiges Nischendasein sowie ein gesellschaftliches Mauerblümchendasein die Zukunft prägen? Sind die Kirchen an einem neuen historischen Tiefpunkt angelangt? Oder kann aus einem Tiefpunkt ein Wendepunkt werden, weil viele neue Pflänzchen des begründeten Gott-, Christus- und Kirchenvertrauens gepflanzt werden? 

Die neue Kirchenmitglied-schaftsuntersuchung ist wie ein Spiegel, der wichtige Entwicklungen für die Kirchen in einer „postkonfessionellen Gesellschaft“ sichtbar macht. Zum Beispiel wird das Erfahrungswissen vieler bestätigt, dass es eine Wechselwirkung zwischen Kirchlichkeit und individueller Religiosität gibt. Kein Wunder, denn Glaube und Liebe, Werte und Normen brauchen Institutionen und Gemeinschaften bzw. „Gefäße“, damit geistig-geistliches „Wasser“ nicht verdunstet, wegtröpfelt oder versickert, sondern verlebendigt, aktualisiert, konkretisiert und vermittelt sowie an die nächste Generation weitergeben werden kann. 

Entscheidend sind jedoch die Konsequenzen, die aus einer solchen Untersuchung gezogen werden: 

Die Kirche vor Ort, die Nähe zu den Menschen, ist zu stärken.

Haus-, Kranken- und Geburtstagsbesuche, Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Beerdigungen, aber auch (Familien-) Gottesdienste sowie Kinder-, Jugend- und Bildungsarbeit bilden z.B. institutionelle Chancen in kirchlich- spirituellen sowie menschennahen Räumen. Es geschieht ein Dienst am Menschen, wenn Menschen im (Sinn-)Horizont des christlichen Glaubens Gemeinschaft erfahren, empathisch begleitet, getröstet und befähigt werden, ihr Christ- und Kirchsein eigenverantwortlich zu leben. 

Die Kirche als sozialer Dienstleister, die Nächstenliebe als Ausdruck der Gottesliebe, ist zu stärken.

Seelsorge und Verkündigung sowie religiöse Bildungsarbeit sollten in den Einrichtungen der Diakonie und der Caritas keine Zusatzangebote sein, sondern Teil eines umfassenden „Paketes“. Der Arzt ist dann nicht nur am kranken Organ des Patienten interessiert, sondern nimmt den Patienten als ganzen Menschen mit seinen Ängsten und Hoffnungen wahr. Die Krankenschwester weiß, dass Körperpflege immer zugleich auch eine Seelenpflege ist; der Verwaltungsmitarbeiter dass der Mensch wichtiger als das Formular ist. Und die Geschäftsführung versucht, Ökonomie und Ethik, Fachlichkeit und Kirchlichkeit, Menschlichkeit und Soziales trotz schwieriger Rahmenbedingungen miteinander zu verbinden. 

Die Kirche als Kirche Jesu Christi, eine geistig-geistliche Kraft- und Sinnquelle, ist zu stärken.

Notwendiger  Strukturwandel läuft ohne geistig-geistliche Erneuerung ins Leere. Kirchen können ihren unverwechselbaren und unvertretbaren Auftrag der Verkündigung in Wort und Tat nur dann zukunftsfähig machen, wenn sie aus der Tiefe der biblischen Botschaft schöpfen und dann in die Breite der Kirche und der Gesellschaft jenseits von Politisierung, Selbstverweltlichung und Frustration wirken. Die Kirchen sollten Erwartungen wahr- und ernstnehmen, aber nicht alle Erwartungen erfüllen wollen, jedoch ihre eigenen Überzeugungen und Glaubensgewissheiten mutig, in Klugheit und Weisheit theologisch sprachfähig machen und öffentlich vertreten. 

Aus Tiefpunkten können Wendepunkte werden, wenn Überzeugte zu überzeugen versuchen. Ehren- und Hauptamtliche der Kirchen müssen nicht selbstgerecht auf der Stelle treten, sich strategielos im Kreise drehen, nicht ängstlich weglaufen oder auf Holzwegen bleiben, sondern können mit Gott- und Christusvertrauen, mit Bekennermut und theologischer Überzeugungskraft fröhlich und besonnen ihre Straße gehen sowie glaubwürdigen Dienst leisten, indem sie ihre neue Verantwortung vor Gott und dem Nächsten im neuen gesellschaftlichen Kontext wahrnehmen. 

Burkhard Budde