Moment mal
Hoffnung für Kirche
Von Burkhard Budde

Leserbrief in der F.A.Z. vom 8. Juni 2022
Hoffnung für Kirche
FAZ-Leserbrief zum Kommentar „Ein Katholikentag lässt hoffen“
Ein schärferer Wind weht nicht nur der katholischen Kirche mit ihren Einrichtungen ins Gesicht, sondern auch der evangelischen Kirche, auch wenn diese keine „strukturelle Frauenfeindlichkeit“ kennt.
Beide kirchlichen Institutionen erleben auf dem Marktplatz der Sinn-, Werte- und Dienstleistungsangebote viele attraktive und kompetente Mitbewerber, aber auch Kämpfe insbesondere um positive Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, um begründetes Vertrauen der Menschen, um geeignete Mitarbeiter und ausreichende Finanzierung.
Werden die Kirchen auf diesem offenen Marktplatz langsam untergehen, in eine Ecke gedrängt, ein selbstgewähltes Nischendasein fristen, sich selbst aufgeben oder nur noch Etikettenschwindel betreiben? Wird es weiterhin eine Abstimmung mit den Füßen geben, noch mehr Gleichgültigkeit? Oder noch mehr Enttäuschungen, noch mehr Verletzungen? Und noch mehr Wut?
Der Kommentar Daniel Deckers spricht zu Recht von Hoffnung. Allerdings muss das „eigene Tun und Lassen“ auf den Prüfstand im Sinne des Apostel Paulus „Prüfet alles, das Gute behaltet.“ (1.Thess 5,21) Wie damals sollte auch in unserer Zeit mit schleichender Entfremdung von den Kirchen, ihrer wachsenden Bedeutungslosigkeit für die Politik sowie mit religiösen Wissenslücken und Bildungsdefiziten vieler Bürger ein kritischer Blick auf die „Geistesoffenbarungen“ der Kirchen selbst geworfen werden.
Um provozierend zu fragen: Welcher Geist treibt die Kirche?
Ein Geist in Goldenen Käfigen mit unnahbaren Orchideenzüchtern in bunten Talaren, die nur mit sich selbst beschäftigt sind? Ein Geist in reformunfähigen Kartenhäusern mit entleerten Traditionen und autoritären (All-)Machtstrukturen? Ein Geist auf einem Spielfeld religiöser oder politischer Kräfte, die sich von „weltlichen“ Stimmungen und Ideologien instrumentalisieren lassen?
Hoffnung kann bei aller begründeten und nicht begründeten Kritik wachsen, wenn Kirche ein einladender Ort mit einer unverwechselbaren und unvertretbaren Anziehungs- und Ausstrahlungskraft ist – für gläubige, aber auch für säkulare Menschen, an dem die provozierende Botschaft vom auferstandenen Gekreuzigten nicht verschämt verschwiegen, sondern bedacht und durchbetet wird.
Selbst wichtige Reformen im Geist der Gleichberechtigung und des Priestertums aller Getauften laufen ohne geistliches Leben ins Leere. Kritische, fragende und belastete Menschen suchen mehr: Ein geistliches Lagerfeuer, an dem ihre Seele gewärmt, ihr Geist erhellt, eine wertschätzende Gemeinschaft erfahrbar wird. An dem sie ganzheitlich angesprochen, getröstet, ermutigt und befreit werden. An dem andere Fragende ihre Fragen versuchen mit zu beantworten.
Eine Kirche, die sich dem Schöpfergeist im Wort Gottes öffnet, erneuert sich umfassend selbst, wird zum sozialen Brückenkopf und zur Mitgestalterin der Gesellschaft, zum Salz der Erde, nicht schwärmerisch und unvernünftig, sondern nachhaltig und nüchtern – hoffend auf den kräftigen Wind des kritischen Geistes Christi, der Lebensatem schenkt, alles Leben beseelt und zugleich besonnen in Atem hält.
Burkhard Budde
Leserbrief in der F.A.Z. vom 8. Juni 2022 zum Kommentar „Ein Katholikentag lässt hoffen“ von Daniel Deckers (F.A.Z. vom 30.Mai 2022)