Moment mal
Kinder als Vorbilder
Von Burkhard Budde

Moment mal
Kinder als gute Vorbilder
Eltern, so heißt es häufig, sollen ihren Kindern gegenüber gute Vorbilder sein, keine abschreckenden Beispiele schlechter Gewohnheiten, unzivilisierten Verhaltens oder boshafter Taten. Aber können Kinder, die keine Abziehbilder der Erwachsenen sind, auch ihren Eltern gegenüber gute Vorbilder sein?
Sicherlich, keine Idealbilder für Erwachsene sind trotzige Kinder, die sich auf den Boden werfen, wenn ihr Wunsch nicht sofort erfüllt wird. Oder nervige Kinder, die Erziehungsberechtigte auf die Palme bringen, weil Verständnis und Geduld wenig bewirken. Oder petzende Kinder, die andere Kinder ins schlechte Licht rücken, um selbst im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Oder schlagende Kinder, die mit Wutanfällen und Schreien ihre Grenzen testen und bei denen selbst Kuscheleinheiten und ein konsequentes „Nein“ vergeblich erscheinen. Oder anhängliche Kinder, die wie eine Klette am Rockzipfel der Eltern hängen, weil sie eine übertriebene Angst vor Selbstständigkeit haben.
Dennoch, so wird in der Bibel von Jesus überliefert, müssen Erwachsene „wie Kinder werden“, wenn sie in das Reich Gottes kommen wollen. Will Jesus mit diesem Hinweis provozieren? Müssen Erwachsene, die nach dem Ursprung, der Mitte und dem Ziel allen Lebens fragen, blauäugig und vertrauensselig werden, ihren Wissens- und Erfahrungsschatz über Bord werfen, sich zum Kind zurückentwickeln?
Die gute Nachricht ist jedoch eine andere. Die Vorbildlichkeit von Kindern – „wie Kinder werden“ – kann Erwachsenen die Augen öffnen: Wie Kinder bedürftig sind, so brauchen auch Erwachsene Zuwendung und Hilfe, bedingungslose Liebe, die Gott schenkt. Wie Kinder auf Orientierung angewiesen sind, so brauchen auch Erwachsene ein Gegenüber und einen Kompass der Liebe und Verantwortung, den Gott mit der biblischen Botschaft anbietet. Wie Kinder neugierig auf Neues sind, gerne dazulernen, Erwachsenen Vertrauen schenken, so brauchen auch Erwachsene Grundvertrauen zu den Zusagen des liebenden Gottes.
Jesus segnet die Kinder, weil sie als Vorbilder mit eigener Würde, Individualität und Originalität ein Segen sind – keine seelenlose Spielzeuge, kein Kitt einer kaputten Beziehung, keine Trophäe von Selbstverliebten. Kinder können später als Erwachsene lebendige Visitenkarten eines Gottes sein können, der die Tür zum Glauben selbst öffnet, um heilsame Gemeinschaft mit seinen Geschöpfen zu haben.
Burkhard Budde
Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 30. Juli 2022
in der Kolumne „Moment mal“