Moment mal
Justitia begegnet
Von Burkhard Budde

Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, hat eine aktuelle Bedeutung
Moment mal
Begegnung mit Justitia
Vielen Menschen begegnet sie auf Schritt und Tritt. Die Meinungen über Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, gehen jedoch auseinander. Ein Kind zum Beispiel, das lieb und brav ist, erhält von seinen Eltern ein größeres Stück vom „Kuchen“ als das Kind, das sich eine eigene Meinung zu bilden versucht. Ist das „gerecht“?
Justitia taucht in allen Lebensbereichen auf. Auf politischer Bühne wird mit ihr besonders gestritten. Wann sind Verhältnisse „gerecht“? Wenn Gleiches ungleich und Ungleiches gleich behandelt wird? Wenn alle gleich wenig oder viel haben? Wenn einer fleißig oder kompetent ist, aber der Neid ihn ausbremst? Wenn einer Solidarität braucht, aber soziale Kälte erntet? Wenn Zukunftsfragen (k)eine Rolle spielen?
Was könnte Justitia, die häufig an Gerichtsgebäuden zu sehen ist, selbst dazu sagen?
„Meine Augenbinde dient dazu, ohne Ansehen der Person zu urteilen.“ Es ist leichter, ohne Einflussnahme von außen vor dem Gesetz alle gleich zu behandeln, sich auf Sachfragen zu konzentrieren und sich eine unabhängige Meinung zu bilden.
„Meine Waage dient dazu, sorgfältig abzuwägen.“ Ohne Schlagseite müssen ausgewogene, differenzierte und verhältnismäßige Lösungen gesucht werden, um Fehlurteile durch Einseitigkeit sowie pauschale Parteinahme zu verhindern und Frieden zu stiften.
„Mein Schwert dient dazu, zugleich wachsam und engagiert sein zu können.“ Nicht mit einer moralischen Keule, wohl aber mit einem Schwert des Rechts und der Gesetze können „sach- und menschengerechtere Lösungen“ umgesetzt werden.
„Für das allgemeine Leben reicht häufig ein Florett.“ Mit ihm kann selbstbewusst argumentativ widersprochen, flexibel und selbstkritisch reagiert, die „Geister“ geschieden und unterschieden werden. Und man muss nicht immer sein „Recht“ um eines zerstörerischen Preises willen bekommen.
Der souveräne, zugleich gerechte und barmherzige Gott jedenfalls befreit den Menschen von seiner selbstgerechten Selbsterhöhung, weil er leere Hände mit Gnade und Liebe füllen will. Nicht damit der Mensch für ein „gerechtes Paradies“ kämpft, das nur die „Hölle“ erzeugt; sondern er tragfähige Brücken baut, für eine „gerechtere Welt“ in Frieden, Freiheit und Sicherheit kämpft – eigentlich ein Dauerauftrag aller Menschen.
Burkhard Budde

Das Foto zeigt Justitia ohne Augenbinde und mit erhobenem Schwert als Zeichen der genauen Suche nach den Umständen einer Handlung sowie des aktiven Kampfes um Aufklärung. Die Figur ist am Epitaph (1602) im Zisterzienserkloster in Walkenried (1127 gegr.) zu sehen.
Das hölzerne Prunk-Epitaph aus dem Jahr 1602 ist dem Grafen Ernst VII gewidmet, der als Vollfigur im Profil vor einem Kruzifix kniet und betet.
Veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe in der Kolumne „Moment mal“ am 4.12.2021 und im Wolfenbütteler Schaufenster im Landkreis Wolfenbüttel in der Kolumne „Auf ein Wort“ am 5.12.2021