Moment mal

Fabel Igel und Fuchs

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Fabel „Igel und Füchse“ 

Sie lebte in keiner heilen Welt. Auch die Igelfamilie hatte ihre Probleme, ihren Streit um eine gerechtere Ordnung und um eine gemeinsame Zukunft. Doch sie lebte in Frieden und Sicherheit. Und bei den meisten Igeln schlug das Herz für Freiheit und Unabhängigkeit.

Eines Tages wurde die Igelfamilie von einer Fuchsfamilie aus dem Nachbarland brutal überfallen. Füchse vereinnahmten einen Teil des Igel-Landes, obwohl es gegen die allgemein herrschende Friedensordnung verstieß, und wollten auch das übrige Land der Igel mit Gewalt erobern.

Überraschenderweise jedoch wehrte sich die Igelfamilie tapfer und aufopferungsvoll mit ihren begrenzten Möglichkeiten. Und womit die aggressiven und übermächtigen Füchse – vor allem ihr gieriger und zugleich eiskalter Anführer mit seinem unstillbaren Hunger – nicht gerechnet hatten: Viele andere Igelfamilien aus anderen Ländern unterstützten die Angegriffenen in ihrem Abwehrkampf. Die Unterstützer wussten, dass gefräßige Füchse noch gefräßiger werden, wenn sie nicht aufgehalten und zurückgedrängt werden.

Je länger die Füchse jedoch im Land der Igel wüteten, desto häufiger wurde über die Solidarität mit den Überfallenen, die nicht kapitulieren wollten, diskutiert:

„Ihr müsst endlich verhandeln“, meinten frustrierte Igel. „Aber gerne; jedoch nur auf Augenhöhe. Denn ergibt es Sinn, mit einem verbrecherischen Fuchs über Frieden zu sprechen, wenn er alles zerstört und endgültige Unterwerfung verlangt?“ „Wir müssen auch an uns denken!“ sagten ermüdete Unterstützer. „Aber genau das tun wir, wenn wir die angegriffenen Igel unterstützen, weil der Fuchs auch unsere Freiheit, unser Leben und unser Land gefährdet und uns erpressbar machen will.“ Und ihre Solidarität sei mehr als eine Sprechblase, mehr als eine Leistung nach Kassenlage. Es komme jetzt auf eine lebenswichtige Unterstützung zum gegenseitigen Nutzen der großen Wertefamilie an.

Manche Igel jedoch, die es gut meinten, aber auf den Leim der Fuchspropaganda hereingefallen waren, riefen verängstigt: „Lasst uns die Stacheln ablegen. Die erzürnen nur den Fuchs.“ Andere Igel erwiderten, man müsse das unberechenbare Böse, das maßlos und gnadenlos zerstöre, mit richtigen Mitteln – auch mit „neuen Stacheln“ – glaubwürdig abschrecken und bändigen, damit es nicht triumphierend weitere Kreise ziehe.

Der Anführer der Füchse – nicht selten im ideologischen Schafsfell – , der sich selbst wie eine historische und spirituelle Lichtgestalt wahrnahm, ergötzte sich über die Erfolge seiner Propaganda, über seine glühenden Bewunderer und die panische Angst einzelner Igel vor möglichen Folgen für sich selbst, vor allem über die Stimmen der Igel ohne Stacheln. Und der narzisstische Führer und spalterische Verführer fühlte sich ermutigt, weiterhin hemmungslos und ohne Skrupel auch gegenüber seiner eigenen Familie mit zerstörerischer Gewalt auf Jagd zu gehen.

Doch wenn die Welt nie heil – ein friedlicher „Garten Eden“ – wird, so muss sie auch nicht heillos – eine gottverlassene „tödliche Hölle“ – bleiben. Eine zerrissene Welt kann heilbarer werden. Und zwar durch Geschlossenheit und Entschlossenheit aller freiheitsliebenden Kräfte, die für ein freiverantwortliches Leben in Würde und einen nachhaltigen Frieden in Sicherheit kämpfen. Nicht mit dem Gift der Gleichgültigkeit und Selbstisolierung, Blauäugigkeit oder Selbsttäuschung. Wohl aber mit klarer Wehrhaftigkeit und glaubwürdiger Abschreckung, Klugheit und Vernunft, die aus der Quelle zivilisierter Menschlichkeit schöpfen.

Manche Igel mit Stacheln kennen in ihren Zweifeln und Ängsten auch den guten Kampf des Glaubens, der die Perspektive des Gottvertrauens und Selbstvertrauens eröffnet. Sie wissen, dass der Urheber des Krieges, der ihn jederzeit beenden könnte, nicht unsterblich ist und eines Tages zur Rechenschaft gezogen wird. Sie werden von der Hoffnung auf eine neue Welt in der alten Welt getragen.

Burkhard Budde