Moment mal

Höflich bleiben?!

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Immer höflich sein? 

Höflich bleiben?

Das fällt nicht immer leicht:

Während einer Zugfahrt legt ein Mitreisender seine schmutzigen Schuhe auf den Sitz; ein anderer führt ein lautes Telefongespräch, als säße er ganz allein im Abteil.

Im Supermarkt an der Kasse gähnt eine Person mit weit geöffnetem Mund, als wolle er die Kassiererin auffressen; eine andere Person, die mit offenem Mund Kaugummi kaut, beschwert sich im rüden Ton über die Warteschlange.

Auf einer Bank einer Strandpromenade bohrt ein Urlauber unbekümmert in seiner Nase, beleidigt nicht nur die Augen der vorbeischlendernden Passanten, sondern riskiert auch eigenes Nasenbluten. In einer Gaststätte schlürft und schmatzt ein Gast und lobt mit vollem Mund das Essen; ein anderer reinigt vor versammelter Mannschaft seine Zähne.

Beim Betreten eines Aufzuges grüßt ein Mann freundlich die Anwesenden, erntet jedoch nur einen schalen Blick, der Bände spricht; keiner erwidert den Gruß.

Die Liste der „fehlenden Kinderstube“ oder der „schlechten Gewohnheiten“ ließe sich beliebig verlängern.

Manche Menschen jedoch, die keine Höflichkeit zeigen, kennen nur den selbstverliebten Egotrip und ihre selbstgerechten Ansprüche:

Wenn sie zum Beispiel durch die Missachtung eines Dresscodes provozieren: Bei einer Beerdigung ein buntes Pop-Kleid oder bei einer Hochzeit schmuddelige Jeans tragen.

Oder nur an sich und ihre eigenen kulturellen Prägungen denken und die rechtlichen Spielregeln der Allgemeinheit ignorieren, indem sie in einem Freibad Frauen oder Minderheiten verbal attackieren oder sogar anspucken und tyrannisieren.

Probleme aggressiver Unhöflichkeit lassen sich dann nicht weglächeln, sondern müssen benannt, besprochen und konsequent im Rahmen von Recht und Gesetz bewältigt werden, damit ein friedliches und sicheres Miteinander gelingt.

Es gibt eine falsche Höflichkeit einem ungehobeltem Rüpel oder einem politischen Tyrannen gegenüber, indem der Kopf ängstlich eingezogen oder in den Sand gesteckt wird, was nur zur weiteren Rücksichtslosigkeit oder zur vermehrten Brutalität einlädt. Manchmal helfen nur klare Benimmregeln im Kleinen und das vereinbarte Völkerrecht im Großen, Durchsetzungskraft und Wehrhaftigkeit, eine ruhige und souveräne Haltung, die von Gelassenheit und Besonnenheit getragen wird, um nicht selbst kopflos zu werden.

Zur wahren Höflichkeit im normalen Alltagsleben gehört der lohnende Versuch, Absprachen im Blick auf Termine und Aufgaben einzuhalten, die richtige Anrede zu wählen oder unnötige Abkürzungen zu vermeiden. Höflichkeit, die gepaart ist mit ehrlicher Freundlichkeit und positivem Humor, emphatischer Umgänglichkeit und wertschätzendem Wohlwollen, ist ein wichtiger Schlüssel zu einem gelingenden Leben: Selbst im Stress und Streit, können die Sachebene von der Beziehungsebene leichter unterschieden, Lösungen in der Sache gefunden oder unterschiedliche Auffassungen ausgehalten werden.

Ohne affektierte Maske oder kumpelhaftes Verhalten kann eine höfliche Person, die sich auf dem Parkett des Lebens sicher bewegt, die Form einhalten und dadurch Format zeigen.

Burkhard Budde

Veröffentlicht am 20.8.2023 in der Kolumne „Auf ein Wort“ des Wolfenbütteler Schaufensters