Moment mal
Herzblut
Von Burkhard Budde

Herzblut ohne Schwärmerei, aber mit Begeisterung
Herzblut ohne Schwärmerei
Wer kennt sie nicht: Menschen, die sich mit viel Herzblut für eine Sache einsetzen. Die das Herz auf dem rechten Fleck haben, ehrlich und uneigennützig sind. Menschen, die ihr Herz auf der Zunge tragen, die alles aussprechen, was sie bewegt. Die unter Herzschmerz leiden, Liebeskummer haben. Die herzensgut sind und nicht nein sagen können. Die hin- und hergerissen sind, weil zwei Herzen in ihrer Brust schlagen. Oder Menschen, die öffentlich die Herzlosigkeit anklagen, aber sich im eigenen Umfeld herzlos verhalten.
Manchmal sind Herzen als stumme Zeugen öffentlicher Liebesschwüre zu sehen, zum Beispiel kleine Vorhängeschlösser in Herzformat mit Anfangsbuchstaben von Namen an Brücken.
Für manche sind diese sichtbaren Herzen ein Ärgernis. Aber jeder kann auch ihre stillen Botschaften hören, wenn sie mit dem Herzen gesehen werden: Eine harmonische Beziehung soll harmonisch bleiben, nicht flüchtig sein. Sie soll vor Eindringlingen geschützt werden. Sie wird deshalb „öffentlich“ gemacht – gleich in der Nähe mit anderen „Liebes-Bekenntnissen“, um nicht als Exot zu erscheinen.
Das Herz dieser Menschen schlägt füreinander und miteinander. Und „wes das Herz voll ist“, weiß schon die Bibel, „des geht der Mund über.“ Und die gelungene Überwindung der Ichsucht, das wissen nicht nur kluge Psychologen, ist die Voraussetzung, einen anderen lieben und sich zu ihm bekennen zu können. Wer mit dem Herzen spricht, muss ja nicht kopflos werden. Auch wenn das Herz nicht selten Gründe kennt, von denen der Kopf nichts weiß. Und wer dem Kopf ein Vetorecht einräumt, muss ja nicht herzlos werden. Auch wenn der Kopf gerne sein eigenes Ich vergöttert.
Aber ist es nicht herzzerreißend, wenn das Glück des Augenblickes erlebt wird – ohne zermürbende Grübelei und ohne blinde Schwärmerei?! Wenn Liebende erfrischend anders werden, als sie vorher waren? Wenn sie erst im liebenden Ereignis ihre Liebe kennen lernen – und nicht im Voraus?
Als heiße Luft oder als Nebelkerze ist die Liebe nur ein Kurzurlaub der Seele. Als Wunder neuen Lebens ist sie stärker als Schmetterlingsgefühle, die blind und abhängig machen können. Sie ist für Liebende eine lebenslange Entdeckungsreise des Vertrauens und der Verantwortung, aber auch der Leidenschaft des bewegten und bewegenden Herzens.
Und die „reinen Herzens“ sind, sagt Jesus in der Bergpredigt, „sind selig“, denn sie werden „Gott schauen“, einen Vorgeschmack des ewigen Glücks erleben – nicht durch ein Fixieren auf Schwüre oder durch ein Sich-Verschließen neuer Erfahrungen, sondern durch ein offenes Herz, das von Gott alles – auch die Kraft zur Erneuerung und zur Herzensbildung – erwartet.
Burkhard Budde
Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe
in der Kolumne „Moment mal“ am 14.8.2021