Auf ein Wort

Suche gute Mutter

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Suche gute Mutter 

Eine „gute Mutter“ suchen? „Nicht nötig“, sagt ein selbstbewusster Mann, „ich habe bereits eine gute Mutter und wünsche ihr, dass sie in Würde alt wird.“ Und dann berichtet er, wie „Mama“ ihn in seiner Kindheit und Jugendzeit über Höhen hinweg und durch Täler hindurch begleitet habe. Die „beste Mama der Welt“, fügt er noch etwas schwärmerisch hinzu, habe nichts falsch gemacht; ihm vielmehr geholfen, immer selbstständiger, unabhängiger sowie erfolgreicher zu werden. Als er das Elternhaus wegen seines Berufes und der Familiengründung verließ, sei ihm mit auf den Weg gegeben worden: „Die Tür zu mir und deinem Vater bleibt immer offen, selbst wenn du einmal Mist bauen solltest.“

Andere Menschen, die von ihrer Mutter enttäuscht oder frustriert worden sind, reagieren auf die Frage nach einer „guten Mutter“ gleichgültiger, kritischer oder auch aggressiver: Sie bezeichnen ihre Mutter in der Rückschau offen oder hinter vorgehaltener Hand als „kontrollierende Glucke“, die ihnen keine Freiräume ließ, als „bevormundende Supernanny“, die aus ihnen ein „Superkid“ produzieren wollte, als „stolze Löwin“, die auch berechtigte Kritik an ihrem Sprössling nie erlaubte, als „distanzierte Rabenmutter“, die keine menschliche Zuneigung zeigte und nur an sich dachte, als „ungerechte Kuh“, die Lieblinge hatte und die anderen Kinder schlechter behandelte, als „graue Maus“, die nur nach der Pfeife des „cholerischen Erzeugers“ tanzte.

Am Muttertag, der jährlich am 2. Maisonntag gefeiert wird, und an die „Werke aller Mütter“ erinnern soll – so die Gründerin des ersten Muttertages, die unverheiratete und kinderlose Lehrerin Anna Jarvis aus West Virginia 1908, die zunächst an die Lebensleistung ihrer verstorbenen Mutter gedacht hatte -, müssen keine superguten oder superschlechten Noten verteilt werden. Jenseits heißer Schwärmerei und eiskalter Ignoranz sowie leerem Gerede und vorgespielter Gefühle, aber auch jenseits echter Gründe gibt es jedoch einen guten „Ur-Grund“ zur Dankbarkeit: die Bejahung der eigenen Geburt durch die Mutter. Und hoffentlich auch die Bejahung des Vaters.

Natürlich, die Mutter ist häufig in der Wahrnehmung vieler Kinder Mittelpunkt und Rückgrat der Familie sowie Vorbild und Taktgeberein der eigenen Persönlichkeitsentwicklung. Aber gemischte Gefühle sind erlaubt, da Erinnerung und Deutung stets einen subjektiv ausgewählten Mix darstellen; die Suche nach einer „gerechten Beurteilung“ einer „guten Mutter“ nur Teilwahrheiten hervorbringen und durch eigene Interessen, Wahrnehmungskonflikte und Erinnerungslücken geprägt sein können.

Aber die „gute Mutter“ kann nichtsdestotrotz für wenigstens einen Menschen stehen, den jeder Mensch braucht, der sich wie eine „gute Mutter“, aber auch wie ein „guter Vater“, „guter Freund“, „guter Partner“ usw. verhält: der trotz allem menschlich ist und bleibt; der einen einzelnen Menschen annimmt wie er ist, damit er sich ändern kann; der Hilfe zur Selbsthilfe und Selbstkorrektur anbietet, der gegenseitige Achtung und gemeinsame Neuanfänge ermöglicht.

Manchmal reicht eine Rose aus, die blüht und duftet, aber auch Dornen haben kann. Oder ein Anruf, ein Brief, ein kleiner Fingerzeig, um positives Denken und Freude zu wecken. Vor allem um Dankbarkeit zu zeigen, ohne sich selbst eine Zacke aus der Krone zu brechen. Weil Dankbarkeit sinnstiftende und neumachende Kreise zieht – in einem Menschen selbst, aber auch in anderen Menschen mit und ohne Kinder.                                                        

Burkhard Budde