Moment mal

Leeres Grab provoziert

Von Burkhard Budde

Leeres Grab provoziert

Das leere Grab bleibt für kritische Ohren eine Provokation.

Ist der Leichnam Jesu gestohlen worden?

Wurde Jesus wiederbelebt?

Hat es die Auferstehung Jesu tatsächlich gegeben?

Oder ist sie nur eine fromme Wunschvorstellung?

Die Jünger jedenfalls hielten die Berichte der Frauen, die nach der Kreuzigung Jesu am ersten Tag der Woche früh am Grab waren, um Jesus Leichnam zu salben, aber ein leeres Grab vorfanden, für „leeres Gerede“ und glaubten den Frauen zunächst nicht.

Überhaupt unterscheiden sich die biblischen Quellen an einzelnen Stellen: Zum Beispiel sitzt nach Markus ein Engel im Grab; nach Matthäus sitzt er vor dem Grab. Nach Lukas stehen zwei Engel im Grab; nach Johannes sitzen sie im Grab. Die zentrale Botschaft der Engel ist jedoch nach Markus, Matthäus und Lukas übereinstimmend: „Jesus ist auferstanden!“

Nur die Reaktion auf diese Nachricht zeigt wieder gewisse Unterschiede: Nach Markus z. B. fliehen die Frauen vom Grab „mit Entsetzen“ und verraten niemandem etwas; nach Matthäus gehen sie „mit großer Freude und Furcht“ und berichten den Jüngern von der Engelbotschaft.

Später erkennen die zwei „Emmaus-Jünger“ den auferstandenen Jesus, wie er das Brot bricht (Lukas 24,13-35). Und vor allen Jüngern soll sich Jesus insbesondere durch seine Nägelmale ausgewiesen haben (Lukas 24,40); schließlich auch dem „ungläubigen Thomas“ durch Berührung (Johannes 20,24 – 29). Der Apostel Paulus, der in seinem Brief an die Gemeinde zu Korinth das wohl älteste Auferstehungszeugnis überliefert (1.Kor.15,1-8), aber das leere Grab nicht erwähnt, nennt viele Zeugen, denen der Auferstandene zu unterschiedlichen Zeiten begegnet ist, auch sich selbst.

Gerade die Vielfalt und Spannungen der biblischen Berichte sowie ihre theologischen Akzentuierungen können die Augen für die grundlegende Aussage aller Zeugnisse öffnen: Der souveräne Schöpfer allen Lebens, der sich unserer Vorstellung über ihn entzieht – und deshalb auch kein Zeuge des Auferstandenen den Vorgang der Auferstehung beschreiben kann – , hat allein in der Geschichte Jesu gehandelt.

Dass ein einzelner Mensch auferstanden ist, war schon zurzeit Jesu ein ganz neues Ärgernis, unerhört. Deshalb hätte es auch ohne die Selbstoffenbarung Jesu keinen Osterglauben der Jünger gegeben. Jesus selbst hat seinen Freunden Gemeinschaft geschenkt, so dass neues Vertrauen „wie Schuppen von den Augen“ fiel, Vergebung erfahren wurde sowie Zuversicht, Widerstandskraft sowie Mut zum Zeugnis neuen Lebens.

Auch heute wird der Osterglaube nicht durch „leere Gräber“ mit Mehrdeutigkeiten oder durch „naive Beweise“ geweckt, auch nicht durch Denkfaulheit oder Gleichgültigkeit, wohl aber durch die geistliche Begegnung mit der froh- und neumachenden Verkündigung, die ein faszinierendes Echo erzeugen kann: Der persönliche Glaube, dass Gott selbst den sterblichen Leib Jesu radikal verwandelt hat, nicht seinen Körper einfach wiederbelebte, ihn auch nicht einfach vergeistigte. Dass Gott die alte Schöpfung neu schaffen kann – wie das Weizenkorn in die Erde muss und stirbt, damit neues Leben entsteht, aber seine Identität nicht verliert. Und damit auch dem kritisch Hörenden unserer Tage trotz aller Provokationen neues Leben – auch im Tod – verspricht.

Burkhard Budde