Moment mal

Fair bleiben

Von Burkhard Budde

Moment mal

Fair sein und bleiben?! 

Der Wunsch, fair behandelt zu werden, ist keine weltfremde Frömmelei, keine spießige Moral, auch keine unerreichbare Illusion. Dennoch oder gerade deshalb wird mal laut und selbstbewusst, mal flüsternd und ängstlich geklagt: „Ich fühle mich unfair behandelt.“

Wer nicht total abgestumpft oder völlig selbstgerecht durch die soziale Landschaft spaziert, sondern über einen seelischen Seismographen verfügt, kann diese Stimmungen im Stimmengewirr der Zeit wahrnehmen.

Einige Beispiele: „Das war eine unfaire Entscheidung“, kritisiert ein Fan den Schiedsrichter. „Der Lehrer verteilt seine Noten nach Gutdünken“, behauptet ein Schüler. „Wer dem Chef widerspricht, hat schlechte Karten“, verbreitet ein Mitarbeiter. „Der Politiker denkt nur an seine Klientel, vor allem jedoch an sich“, schimpft ein Bürger. „Meine neidische Schwester hat miese Gerüchte über mich verbreitet“, beschwert sich ihr Bruder. „Das Leben ist nicht fair“, sagt ein Mann weinend, dessen geliebte Frau plötzlich verstorben ist.

Der stille Ruf nach Fairness kann unter die Haut gehen, besonders wenn es keine schnellen Antworten gibt. Doch Fairness gleicht häufig einem Diamanten, der manchmal verdunkelt ist oder manchmal auch versteckt irgendwo liegt. Aber muss er im Sumpf dumpfer Gefühle oder gekränkter Befindlichkeiten stets untergehen? Kann der Rohdiamant Fairness nicht gefunden und geschliffen werden?

Wenn ein Mensch es will, kann er aus dem wertvollen Stein „Fairness“ etwas Lebensdienliches machen: Der Wert Fairness wird zur Norm seines Verhaltens, indem er sich fair verhält. Und aus dieser Norm z. B. der Grundsatz „Auch die andere Seite ist zu hören“ sowie die Regel „Bitte um ein Gespräch oder Erklärung“, um sich eine eigene Meinung bilden zu können – vorausgesetzt, die „Klage“ erscheint ihm „wichtig“ und nicht nur als Ventil, Dampf aus dem Kessel der „Ungerechtigkeiten“ zu lassen.

Das Leben ist zu kurz und zu einmalig, aber auch zu schön und zu voll mit Chancen und Perspektiven, um sich mit Unfairness – auch wenn sie im Gewand der Selbstgefälligkeit daher stolziert – spitze Steine auf die eigene Seele zu legen. Christen und Nichtchristen können vielmehr am Beispiel Jesu lernen, nicht mit zerstörerischen Steinen zu werfen, sondern Diamanten im Sumpf der Ungerechtigkeiten zu suchen: Faire Lösungen, die eine nachhaltige Leucht- und Wirkkraft entwickeln, die neues Vertrauen durch besseres Verstehen und gemeinsame Verständigung sowie ein gerechteres und glücklicheres Leben ermöglichen.

Burkhard Budde

Veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 18.3.2023 in der Kolumne „Moment mal“