Moment mal

Eulenspiegel

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Spaßvogel mit Eule und Spiegel 

Ist Ihnen schon einmal ein hochnäsiger Filou über den Weg gelaufen? Vielleicht ein „bissiger Hund“, der sich selbst unsicher und bedroht fühlt, deshalb laut bellt, Zähne zeigt und sein Gegenüber zu verjagen und wegzubeißen versucht. Oder ein „spottender Vogel“, der sich über sein Gegenüber lustig macht, ihn gerne bloßstellt und seine persönlichen Schwächen aufs Korn nimmt. Oder eine „täuschende Schlange“, die mit List und Tücke ihr Ding macht, manchmal sogar mit ihren ironischen Sprüchen das Gegenteil meint und ihre wahre Einstellung verdeckt, bis sie entdeckt wird.

In der Literatur tauchen solche Figuren häufiger auf, zum Beispiel im Buch „Ein kurzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel up dem Land zu Brunßwick“, ein Buch aus dem Jahr 1515, das wohl vom Zollschreiber Hermann Bote aus Braunschweig stammt. Der Protagonist des Buches mochte keine „Korinthenkacker“, keine kleinlichen und humorfeindlichen Personen, die mit verdrießlichem und verzogenem Mund viel „quarkten“, wenn sie auf ihrer Besserwisserei herumritten.

Gerne hielt ein herumstreifender „Dil“ auch den vornehmen Spießern, die geistig unbeweglich und engstirnig waren, sowie den abgehobenen Moralpredigern, die imponieren und erziehen wollten, den Spiegel vor, um ihnen ihre eigene Dummheit – meinen genug zu wissen – und ihre Doppelmoral  – geforderte Maßstäbe selbst nicht einzuhalten – zu zeigen.

Dieser Till Eulenspiegel – wohl geboren um 1300 im Dorf Kneitlingen am Elm im Landkreis Wolfenbüttel, gestorben um 1350 in Mölln im Kreis Herzogtum Lauenburg – soll mit spitzer Zunge die gespaltenen Zungen „eitler Affen“ im „Apenheul“, einer gierigen, abgehobenen und selbstverliebten Welt, im Visier seiner Streiche gehabt haben.

Als „lüttcher Bengel“, so wird erzählt, saß er einmal hinter seinem Vater auf einem Pferd, streckte den Leuten die Zunge aus und ließ seine Hose herunter, um sie mit seinem „Arß“ zu ehren. Als „pfiffiger Gesell“ soll er in einer Bäckerei statt „Luffen“ (Brötchen), „Apen und Ulen“ (Affen und Eulen) gebacken haben, um sie nach dem Rausschmiss durch den Bäckermeister erfolgreich an die Leute zu verkaufen. Als Turmbläser im Bernburger Schloss am Saaleufer hat er es angeblich gewagt, dem Grafen von Anhalt 1325 eine lange Nase zu drehen.

Der Schalk hinterließ jedenfalls viele Spuren; er ist bis heute bekannt und beliebt – nicht nur in Bernburg („Eulenspiegelturm“), sondern auch insbesondere in Schöppenstedt („Eulenspiegel – Museum“), in Mölln („Eulenspiegelmuseum“), in Braunschweig („Eulenspiegelbrunnen“ und „Haus“) sowie in Wolfenbüttel („Eulenspiegel Radweg“).

Vor allem bleibt seine zugespitzte Botschaft und seine manchmal auch deftige Ausdrucksweise lebendig, wenn Menschen heute wie „Ulenspiegel“ mit der Feder einer Eule („Ule“) Staub – Vorurteile und Gehässigkeiten – abwischen („abulen“), um weise und klug handeln zu können. Oder wenn sie mit einem Spiegel („Speigel“) – mit provozierendem Klartext im Kontext – die Augen vor Manipulation und Indoktrination öffnen, ohne ihren nackten Po als „Wertschätzung“ selbst einer fanatischen und intoleranten Person zeigen zu müssen.

Wenn es die Figur des Tills nicht gegeben hätte, müsste sie geschaffen werden, damit das Leben leichter und großzügiger sowie freundlicher und menschlicher wird. Denn sonst könnte die dunkle Wirklichkeit nicht durch verkehrende Späße und belebenden Humor gerade gebogen, aufgeklärt und erleuchtet werden.

Burkhard Budde

Veröffentlicht im Wolfenbütteler Schaufenster in der Region Wolfenbüttel am 25.6.2023