Moment mal
Ein Krug wackelt
Von Burkhard Budde

Ein schöner Krug wackelt?
Ein Krug wackelt … Er ist von außen schön anzusehen, erscheint stabil. Doch in seinem Inneren rumort es gewaltig, mal mehr, mal weniger. Da bewegen sich Enttäuschungen und Verletzungen, die sich ins Glück einmischen. Da schmerzt fehlendes Verständnis, weil es die Freude an den schönen Seiten des Lebens nimmt. Da überraschen Zerrbilder, die von negativen oder positiven Vorurteilen, von Feindseligkeiten oder vom Starkult gezeichnet sind.
Da wirken Ängste, zu kurz zu kommen, aber auch sein Gesicht und vor allem seine Vorteile zu verlieren. Und treiben die Seele in die Enge. Da zehrt und nagt Neid am Selbstwertgefühl und nistet sich heimlich überall und zu jeder Zeit ein. Und lähmt den freien Geist des menschlichen Fortschritts. Da tummelt sich das selbstgerechte Ich, um Vergeltung zu üben und mit totalitärem Anspruch in die Offensive zu gehen. Und vergiftet sich selbst und das soziale Miteinander.
Muss ein Krug gemischter Gefühle erst zerbrechen, um zur Besinnung zu kommen? Eine Person, die zerstört am Boden lag, jetzt aber wieder laufen kann, schildert ihre Erfahrungen: Gefühle, die unterdrückt oder sofort verurteilt werden, behalten ihre zerstörerische Macht. Gefühle, die gefühlt, wahr- und angenommen werden, verlieren ihr destruktives Potenzial. Und können dann – zum Beispiel in einem offenen und ehrlichen Gespräch – gemeinsam betrachtet, unterschieden und bearbeitet werden.
Ein Krug kann vom emotionalen Durcheinander entleert bzw. befreit werden. Wenn er nicht sofort wieder mit „alten Kamellen“ gefüllt wird, der den ganzen Inhalt erneut ungenießbar macht.
Wenn ein Krug dennoch zerbricht, muss ein Mensch, der von Gott als sein Ebenbild mit einer unverlierbaren und unantastbaren Würde ausgestattet ist, nicht am Boden liegen bleiben: Er kann mit Hilfe seines Schöpfers den destruktiven Kräften gelassen widerstehen und mutig wieder aufstehen. Weil er Gott vertraut, der selbst aus einer Scherbe etwas ganz Neues und Altes heil machen kann.
Burkhard Budde
Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 28.11.2020