Moment mal

Bedeutung von Parteien

Von Burkhard Budde

Auf ein Wort

Orte gelebter Demokratie VI 

Bedeutung von Parteien 

Wie kann Begeisterung für die Demokratie entfacht werden? Durch die Teilnahme an basisdemokratischen Bewegungen? Durch die Aussicht, mit einem Marsch durch die Institutionen etwas verändern zu können? Durch den Einsatz im vorpolitischen Raum, z.B. in Kirchen und Vereinen, wo es nicht nur „apolitisch“ zugeht, wo nicht nur gebetet und geredet, gespielt und musiziert wird, sondern wo es auch um die Durchsetzung von Werten und Haltungen geht – um undemokratische Werte wie autoritäres und totalitäres Verhalten oder um demokratische Werte wie die Achtung der Würde eines Menschen und seiner Meinungsfreiheit sowie die Möglichkeit, Konflikte gewaltfrei auszutragen bzw. Meinungsverschiedenheiten und Meinungsvielfalt auszuhalten.

Der 17jährige Mann, der in seiner Familie, aber auch in der Schule Orte gelebter Demokratie, kennengelernt hatte, wurde 1971 gefragt, ob er nicht in einer Partei mitarbeiten wolle. Ihm war theoretisch bekannt, dass Parteien die Aufgabe haben, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken; also den Meinungsbildungsprozess nicht allein zu bestimmen, sondern vor allem ihre Ziele und Vorschläge in die öffentliche Diskussion einzubringen, Brücken zwischen Staat und Volk zu schlagen sowie die Regierungsbildung zu beeinflussen.

Radikale Parteien, die auf einem Auge blind waren oder ideologische Scheuklappen trugen, und die Wirklichkeit nur durch ihre getönte Brille sahen, Mauern errichteten oder Gräben vertieften, kamen für ihn nicht in Frage.

Aber in welcher demokratischen Partei konnte er auf einen Resonanzraum für sein kulturelles Lebensgefühl und seine politischen Ideale hoffen? Oder stimmte es, dass demokratische Parteien nur verwechselbare Gemischtwarengeschäfte auf dem Markt der Parteien waren? Oder waren sie dunkle und abschreckende Kampfarenen für Karrieristen, die mehr an ihren persönlichen Vorteil denken und weniger an das Partei- und Bürgerwohl, die zwar kompetent im Intrigen- und Machtspiel sind, aber im geduldigen „Bohren von harter Brettern“ versagen, weil sie nicht über einen langen Atem und über natürliche Autorität mit argumentativer Überzeugungskraft verfügen? Und wenn er dann noch, so die Sorge des jungen Mannes, ein unsichtbares Etikett auf die Stirn geklebt bekommt, weil er einer Partei angehört und ständig in ein Schubfach gesteckt wird?

Auf der anderen Seite, dachte der 17jährige, gab es auch gute Gründe, in eine demokratische Partei einzutreten: Mit Verbündeten einer Partei konnte er bei der Verwirklichung seiner Überzeugungen leichter und effektiver mitmischen, als im Alleingang. Und wenn die Partei ihm eine Aufgabe zutraut oder ein Mandat anvertraut, kann er sogar konkrete und sinnstiftende Verantwortung wahrnehmen. Parteipolitik muss ja kein „schmutziges Geschäft“ sein. Er wollte sich jedenfalls eine eigene Meinung bilden, unabhängig und kritisch bleiben und sich für Fairness einsetzen. Und er trat 1972 in eine demokratische Partei ein.

Allerdings erlebte er kurze Zeit später, dass ein Mitbürger ihn als „Nazi“ bezeichnete, obwohl er einer demokratischen, keiner rechtsextremen Partei angehörte. Und „nur“ weil sich sein gehässiger Mitmensch in eine freudlose Ideologie verliebt hatte, ihm politische, aber auch menschliche Bildung fehlte. Was dem jungen Parteimitglied aber nicht davon abhielt – im Gegenteil! – sich für politische Bildung einzusetzen und Freude an der politischen Arbeit zu haben, begeistert andere Bürger zu begeistern. (Fortsetzung folgt)

Burkhard Budde