Auf ein Wort
Geschichte(n)
Von Burkhard Budde

Auf ein Wort
Lernorte der Demokratie V
Schule als Teil der Demokratiegeschichte
Aus der Geschichte kann man – wenn der Wille zum Quellenstudium vorhanden ist – für die Gegenwart und Zukunft lernen. Die Demokratiegeschichte selbst ist ein wichtiger Lernort – für alle, die nicht blind und unmündig, sondern aufgeklärt und selbstbestimmt leben wollen; insbesondere für die, die Verantwortung für ihre Mitmenschen, Institutionen, Organisationen oder für das Gemeinwesen wahrnehmen.
Die persönliche Demokratiebildung ist einem Mann am Lernort Schule immer wichtiger geworden. Er wurde um 1970 erst zum Klassensprecher, dann zum Schülersprecher, schließlich zum Bezirksschülersprecher gewählt. Er erinnert sich noch heute an diese Zeit, in der jenseits seines Schulbezirkes häufig eine Politisierung und Radikalisierung der Schülermitverwaltung (SMV) betrieben wurde. Während sich sein SMV-Bezirk aus Parteipolitik und ideologischen Gefechten heraushalten wollte und die Interessenvertretung der Mitschüler als eine zentrale SMV-Aufgabe ansah sowie ein partnerschaftliches Verhältnis zur Lehrerschaft anstrebte, beabsichtigten andere Bezirksschülersprecher, vor allem die Gesellschaft radikal zu verändern. Auf NRW-Ebene gab es beispielsweise einige Bezirksschülersprecher, die DKP- Mitglieder waren, andere arbeiteten mit den „Roten Zellen“ aus Münster zusammen. Und die meisten von ihnen verstanden sich als Kämpfer des „Klassenkampfes“.
Anmerkung: Die DKP (Deutsche Kommunistische Partei) wurde 1968 in Westdeutschland gegründet, galt als linksextremistisch und verstand sich als eine revolutionäre Partei, die von der DDR unterstützt wurde, und bekannte sich zum Marxismus- Leninismus bzw. zum „Klassenkampf“. Und die „Rote Zelle“ wollte ein „Sozialistisches Studium“ aufbauen, um „dem Volke zu dienen“.
Im Landesschülersprechergremium gab es häufig hitzige Debatten, die vor allem Systemkritik zum Thema hatten. Wenn die Mehrheit der „Systemveränderer“ etwas Positives über die Parlamentarische Demokratie wie die Repräsentation des Volkes durch gewählte und freie Volksvertreter, die Möglichkeit der Abwahl der Regierung und die Förderung des politische Kompromisses hörte, erntete der Mann „aus der Provinz“, der die Demokratie Westdeutschlands favorisierte, nur ein überhebliches Lächeln oder sogar persönliche Anfeindungen. Oder wenn er auf die Notwendigkeit starker Gewerkschaften hingewiesen hatte oder auf unabhängige Medien wie den Axel Springer Verlag, der für die Einheit Deutschlands in Freiheit kämpfe, gab es nur lautes Gelächter verbissener Ideologen, die alles besser wussten. Und was sie besonders provozierte, war die schlichte Erkenntnis, dass eine „klassenlose Gesellschaft“ durch revolutionäre Veränderung der Verhältnisse nur die Herrschaft einer „neuen Klasse“ schaffe. Denn viele Schülersprecher damals verherrlichten den DDR- Unrechtsstaat mit Planwirtschaft und Mangelverwaltung und trotz Mauerbau und Schießbefehl und verhöhnten das „BRD-Modell“ mit dem angeblichen Dualismus „Die Bosse da oben“ und „Gutmenschen hier unten.“ Und konnten oder wollten nicht begreifen, dass die Soziale Marktwirtschaft bei allen Mängeln und bei aller Reformbedürftigkeit eine „gemischte Ordnung“ jenseits von „zügellosem Kapitalismus“ und „totalitärer Kommandowirtschaft“ war, die reformfähig war. Und vor allem Wohlstand für alle und Chancengerechtigkeit ermöglichte.
Jedenfalls ging ein Mensch aus solchen Auseinandersetzungen, die wohl keiner gerne suchte, trotz Verletzungen gereifter heraus. Denn gewachsene politische Grundüberzeugungen sind wie Pflanzen, die selbst oder gerade in stürmischen Zeiten wachsen sowie schöne Blüten und auf Dauer (politische) Früchte entwickeln, von denen alle profitieren. (Fortsetzung folgt)
Burkhard Budde